Weltantibiotikawoche

Gemeinsam gegen Antibiotika-Resistenzen

Die Weltantibiotikawoche ist angelaufen: Während die WHO für mehr Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Medizin wirbt, versucht ein Projekt von Ärzten und Kassen die Bürger für Resistenzen zu sensibilisieren.

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Untersuchung auf Resistenzen. Zu oft reagieren Erreger nicht mehr auf Antibiotika.

Untersuchung auf Resistenzen. Zu oft reagieren Erreger nicht mehr auf Antibiotika.

© CDC/James Gathany

NEU-ISENBURG. „Ein einheitlicher Gesundheitsansatz: Schutz von Antibiotika“ – das Motto der heute angelaufenen Weltantibiotikawoche soll wachrütteln: Landwirtschaft, Tier- und Humanmedizin müssen im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen an einem Strang ziehen. Das Regionalbüro für Europa der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat daher zusammen mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) den dringenden Appell an die europäischen Länder gerichtet, einen verantwortungsbewussten und umsichtigen Umgang mit Antibiotika in allen relevanten Sektoren zu fördern. Gleichzeitig sollte mehr für die Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Tierärzten, Apothekern und Landwirten getan werden, mahnen die Organisationen.

33.000 Tote pro Jahr

Insgesamt 33.000 Menschen sterben pro Jahr in Europa an Infektionen mit multiresistenten Keimen, berichtet der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) mit Bezug auf eine vor Kurzem im "Lancet" publizierte Untersuchung. In Deutschland würden laut Schätzungen der pharmazeutischen Industrie bis zum Jahr 2020 etwa 18 neue Antibiotika auf den Markt kommen, die zum Teil gegen bislang resistente Keime wirken.

Hier könnte mehr geschehen, wenn die Rahmenbedingungen für die Forschung besser wären, so der BPI in einem aktuellen Positionspapier.

Nur noch wenige pharmazeutische Unternehmen könnten es sich leisten, in Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika zu investieren. Denn verglichen mit den hohen Entwicklungskosten seien die Aussichten für die Refinanzierung der Investitionen bei Antibiotika gering, da die neuen Wirkstoffe lediglich über einen kurzen Zeitraum oder als Reserveantibiotika nur selten eingenommen würden.

Wichtig wäre nach Ansicht des BPI aber auch, dass die Infektionskontrollen verbessert und schnelle Diagnosetests entwickelt werden.

Aufklärungskampagne gestartet

Aber Forschung kann immer nur einen Teilbeitrag im Kampf gegen Resistenzen leisten. Es braucht vor allem auch mehr Aufklärung innerhalb der Bevölkerung. In München ist deshalb heute eine Informationskampagne zu Antibiotika und der Entstehung von Resistenzen angelaufen.

Initiiert wurde die Kampagne durch Vertreter von „ARena“, einem Forschungs-Projekt zur Vermeidung von Antibiotikaresistenzen, das derzeit in Bayern und Nordrhein-Westfalen durchgeführt wird. Mit verschiedenen Aktionen wollen die Projektbeteiligten die Öffentlichkeit über einen verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika informieren.

Projektpartner sind das aQua-Institut, die Agentur deutscher Arztnetze e.V., die AOKen Bayern und Rheinland/Hamburg, die KV Bayerns und der AOK-Bundesverband.

Antibiotika seien die „wichtigste Waffe zur Bekämpfung bakterieller Infektionen“, so Professor Joachim Szecsenyi, Geschäftsführer des aQua-Instituts auf der Veranstaltung zum Kampagnenstart in München. Sie müssten aber zurückhaltend genutzt werden. Sonst drohe die Verbreitung von immer mehr multiresistenten Keimen, gegen die kein Antibiotikum mehr wirke.

 Warnungen vor „vor-antibiotischen Verhältnissen“, in denen einfache Infekte tödlich endeten, dürften nicht zu leichtfertig abgetan werden. Allein in der EU würden derzeit 10.000 Tonnen Antibiotika pro Jahr abgegeben. In Deutschland würden 80 Prozent der Antibiotika ambulant verordnet – oft unnötig.

14 Arznetze in Bayern und NRW nehmen an "ARena" teil

Hier setzt seit 2017, in Kooperation mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie DART2020, das Innovationsfonds-Projekt ARena an. Zwölf Arztnetze in Bayern und zwei in Nordrhein-Westfalen nehmen teil. Über Infomaterial, Qualitätszirkel und Praxis-Rückmeldungen sollen Ärzte eine rationalere Verordnung entwickeln. Eine Projekt-Umfrage zeigt, dass jeder zehnte Patient nach einem Antibiotikum fragt, aber sogar jeder vierte eines erhält.

Zur Projektwoche wollen die Beteiligten nun gezielt „ganz in die Breite und ganz niedrigschwellig informieren“, sagte Dr. Veit Wambach, Vorstandsvorsitzender der Agentur deutscher Arztnetze. So richten sich Vor-Ort-Aktionen, Plakate und Flyer in München, Nürnberg, Rosenheim, Nordrhein-Westfalen und Hamburg an Passanten. Online informieren die Webseite antibiotika-alternativen.de sowie die Youtube-Blogs „Family Fun“, und „JustKetchupAnimation“.

Thema seien Vorbeugung von Alltags-Hygiene bis Impfung, aber auch unnötige Verordnungsfälle wie einfache Atemwegsinfektionen, Mittelohr- oder Nasennebenhöhlenentzündungen. Antibiotika-Sparen gehe nur gemeinsam. „Da muss jeder mitmachen und dran denken“, so Wambach. Für manche Krankheiten, etwa Nierenbecken- oder Lungenentzündungen, seien Antibiotika hingegen sinnvoll.

Dr. Lutz Bader von der KVB riet zudem dafür, mehr für „empfohlene Impfungen“ – etwa die Grippeschutzimpfung – zu werben. Laut AOK-Daten erhielt 2017 jeder dritte Versicherte in Bayern ein Antibiotikum, wie Martin Steidler von der AOK Bayern referierte. Die Einnahmedauer war mit zwei Wochen relativ hoch. (reh/cmb)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Strategie gegen Keime

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