Im AMNOG lauert für Ärzte die Kartellfalle
"Zieht euch warm an", warnt der Rechtsanwalt Professor Christian Dierks Ärzte und Arztnetze, die mit Unternehmen der Pharmaindustrie oder der Medizintechnik in einen Integrierten Versorgungsvertrag einsteigen wollen. Drei Hürden wollen genommen werden: Das Sozialrecht, das Kartellrecht und das Berufsrecht.
Veröffentlicht:BERLIN. Das Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) enthält möglicherweise einen Webfehler. Die Integrierte Versorgung und das Kartellrecht passen nicht zueinander. Zu dieser Einschätzung sind Vertreter von Unternehmen und Juristen beim 6. Kongress für Gesundheitsnetzwerker in Berlin gelangt.
Zum Hintergrund: Seit Januar diesen Jahres können pharmazeutische Unternehmen und Hersteller von Medizintechnik Partner in Integrierten Versorgungsverträgen nach Paragraf 140b SGB V werden. Gleichzeitig stehen die Krankenkassen wieder unter Kartellrecht.
Integrierte Versorgung setze selektives Kontrahieren voraus, sagte Susanne Eble von der Berlin Chemie AG, die den Kongress mit veranstaltet hat. Das stehe allerdings im Widerspruch zum Kartellrecht.
Selektives Kontrahieren und das Kartellrecht passen nicht
Ärzte und Arztnetze liefen unmittelbar Gefahr, in die Mühlen dieser neuen juristischen Anordnung zu geraten, sagte Dr. Thomas Burholt von der Berliner Kanzlei Dierks und Bohle.
In einem IV-Vertrag mit Pharma- oder Medizintechnikunternehmen könnten sie schnell in Verdacht geraten, Unternehmen oder Produkte zu boykottieren beziehungsweise eine durch den IV-Vertrag geschaffene Marktmacht zu missbrauchen.
Burholt warnte daher davor, Exklusivitätsvereinbarungen zugunsten eines Produktes oder zu Lasten anderer Leistungserbringer in einen solchen Vertrag aufzunehmen.Dies werde zwangsläufig die betroffene Konkurrenz zu einer Anzeige beim Kartellamt bewegen.
Die Verordnungsfreiheit schütze Ärzte nicht davor, dass die Kartellbeamten ihnen die Unterlagen aus der Praxis zur Prüfung kartonweise wegschleppten.
Eine Exklusivitätsvereinbarung könne auch faktisch im Sinne des Kartellrechtes vorliegen, wenn Ärzte auffällig häufig nur ein bestimmtes Produkt verordneten. Selbst wenn im Vertrag nicht ausdrücklich niedergelegt sei, dass sie dazu verpflichtet seien.
In den Verdacht zu geraten, ein Kartell gebildet zu haben, ist gefährlich. Ob die Kassen und andere Akteure der Integrierten Versorgung die Regeln des Wettbewerbs einhalten, überwacht seit Inkrafttreten des AMNOG das Bundeskartellamt.
Bislang unterlagen die Kassen der Aufsicht des Bundesversicherungsamtes. Wie sich die Kassen verhalten, unterliegt nun nicht mehr der gegenüber Krankenkassen eher nachsichtigen Sozialgerichtsbarkeit, sondern den Zivilgerichten.
Beim Netzwerkerkongress wurde überdies intensiv nach Aufgaben gesucht, die die Industriepartner in der Integrierten Versorgung übernehmen könnten, ohne mit den sich möglicherweise widersprechenden Gesetzen in Konflikt zu geraten.
Das Berufsrecht verbietet zuviel Nähe zur Industrie
Denkbar sei, dass eine Kasse finanzielle Vorteile aus der Partnerschaft mit der Industrie in die Versorgungsstruktur einer Region investiere. Geld von der Industrie könne so die weggefallene Anschubfinanzierung für Integrierte Versorgungsprojekte ersetzen. Die Kasse könne das Geld aber auch für die qualitätsorientierte Vergütung von Ärzten ausgeben.
Für solche Leistungen wird die Industrie ihrerseits einen Vorteil verlangen. Wie der aussehen könnte, müsste im Abgleich mit dem ärztlichen Berufsrecht geklärt werden. Der Berliner Rechtsanwalt Professor Christian Dierks machte darauf aufmerksam, dass Zuweisung gegen Entgelt verboten sei. Auch der Verkauf von Medizinprodukten in den Praxisräumen ist nicht gestattet.
Die Ärztekammern, so Dierks, müssten alle aus einem solchen IV-Vertrag an Ärzte fließenden Leistungen darauf hin prüfen, ob sie angemessen und maßstäblich seien.
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