Schwarz-Gelb gefällt Extra-Psychobudget

Die Psychotherapie soll raus aus der Gesamtvergütung - darauf pocht die KBV. Jetzt kommt Unterstützung aus der Politik. Bloß die Kassen sind nicht erfreut.

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Die KBV will die psychotherapeutischen Leistungen aus dem Budget der Fachärzte verbannen.

Die KBV will die psychotherapeutischen Leistungen aus dem Budget der Fachärzte verbannen.

© Blaj Gabriel / shutterstock.com

BERLIN (sun/af). KBV-Chef Andreas Köhler strebt eine extrabudgetäre Vergütung der Psychotherapeuten an. Der Gesetzgeber soll helfen, die psychotherapeutischen Leistungen aus dem Budget der Fachärzte zu verbannen.

Köhler äußerte sich zuversichtlich. Er habe die "latente Hoffnung", dass die extrabudgetäre Vergütung der antrags- und genehmigungspflichtigen Richtlinienpsychotherapie noch in eines der laufenden Gesetzesvorhaben der Koalition hineinrutschen könne, sagte Köhler am Dienstag in Berlin. Denkbar sei das Patientenrechtegesetz.

Die Fachärzte schmerzt, dass die psychotherapeutischen Leistungen, die von den Kassen genehmigt werden müssen, ihr Budget schmälert. Die Rede ist von 1,5 Milliarden Euro im Jahr. Köhlers Ziel ist daher: "Wer bestellt, bezahlt."

Eingeschlossen werden sollten auch die probatorischen Sitzungen und weitere an der Psychotherapie hängende Leistungen. Das angestrebte Modell sei dem der Methadonsubstitution vergleichbar, die ebenfalls aus der Gesamtvergütung genommen worden ist.

Kassen sind verwundert

Beim GKV-Spitzenverband zeigt man sich über den Vorstoß verwundert. "Der offensichtliche Verteilungskonflikt zwischen Fachärzten und Psychotherapeuten darf nicht auf Kosten der Versicherten gelöst werden", sagte Claudia Widmaier vom GKV-Spitzenverband am Dienstag der "Ärzte Zeitung".

Nicht zuletzt auf Vorschlag der KBV habe die Politik die Zuständigkeiten für die Vergütung regionalisiert.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Verbände der Kassen könnten seither vereinbaren, ob die Leistungen der Psychotherapie innerhalb oder außerhalb der morbiditätsbezogenen Gesamtvergütung honoriert würden.

Insofern verwundere es, dass die KBV nicht der Selbstverwaltung den Vortritt lasse, sondern nach dem Gesetzgeber rufe.

Im Jahr 1999 betrugen die Ausgaben für Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung 660 Millionen Euro. Im Jahr 2010 waren es 1,5 Milliarden Euro.

Daher soll die Psychotherapie nach Ansicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aus der Gesamtvergütung ausgegliedert werden. Das befürwortet auch die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV).

Kritiker fürchten jedoch, dass Kassen künftig weniger Therapien genehmigen könnten, um auf diese Weise die Ausgaben zu deckeln. Das könne eine Nebenwirkung sein, räumte auch DPtV-Bundesvorsitzender Dieter Best ein.

Jedoch vertrauten die Psychotherapeuten darauf, dass man solche Risiken im Dialog mit den Kassen umgehen könne.

Die Psychotherapeuten kämpfen seit Jahren dafür, mehr Sitze zu bekommen, um die Versorgungssituation zu verbessern. Es gebe keinen Spielraum für weniger Psychotherapien, so Best.

Unterstützung aus Kreisen der Regierungsfraktionen

Unterstützung erhalten KBV und DPtV aus der Politik. Zusätzliche Sitze für Psychotherapeuten sollten aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung ausgegliedert und in einer extrabudgetären Gesamtvergütung verortet werden.

Das geht aus einem Positionspapier aus Kreisen der Regierungsfraktionen hervor, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Bisher erhalte nicht jeder Patient, die Therapie, "die sinnvoll, notwendig und wirtschaftlich" sei, heißt es darin.

Vor diesem Hintergrund solle der Gemeinsame Bundesausschuss gesetzlich beauftragt werden, die Psychotherapeuten-Richtlinie entsprechend anzupassen.

Das Gesundheitsministerium und die Bundespsychotherapeutenkammer äußerten sich bislang zu Köhlers Vorstoß nicht.

Lesen Sie dazu auch die aktuelle Entwicklung: Ministerium lehnt Psycho-Budget ab

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Kommentare
Dipl.-Psych. Uwe Schneider 03.08.201211:04 Uhr

steigende Ausgaben für Psychotherapie

@ Dr. Michael Hill

Sehr geehrter Herr Dr. Hill,

der von Ihnen zitierte Anstieg der Ausgaben auf das Mehrfache, ist im Wesentlichen auf die nach dem Psychotherapeutengesetz 1999 bis ca. 2001 schnell ansteigende Anzahl von Zulassungen für Psychotherapeuten zurückzuführen. Das ist somit ein Einmaleffekt.

Im Artikel wird das leider auch unterschlagen.

Dr. Michael Hill 17.07.201220:36 Uhr

Ausgliederung der Psychotherapie aus der Gesamtvergütung

"Im Jahr 1999 betrugen die Ausgaben für Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung 660 Millionen Euro. Im Jahr 2010 waren es 1,5 Milliarden Euro". Allein anhand dieser Zahlen ist der Versorgungsbedarf an psychotherapeutischen Leistungen zu erkennen.
Nur steht es aber in der Pflicht derjenigen, die die Leistungen vor Jahren in die GKV eingebracht haben ohne zu erahnen welchen Ausmass sie nehmen konnte, hier eine zusätzliche Budgetierung zu schaffen.
Es ist nicht einsehbar, dass eine Verfehlung sozialstaatlicher Verantwortlichkeit in einem zunehmenden Wandel der Bevölkerungsstrukturen und den sozialen Änderungen, die aus diesen sich ergeben, allein zu Lasten der ärztlichen und in diesem Fall ausschliesslich der fachärztlichen
Versorgung zu finanzieren sind.
Es handelt sich hier im eigentlichen um eine soziale Entwicklung mit den entsprechenden Faktoren, die streng medizinisch nicht in die ureigene Aufgabe der GKV gehören, sondern sozialpolitischer Natur sind und als "Leckerlie" der seinerzeitigen Rot-Grün Politik in die GKV eingebracht wurde.
Wer diesen Sachverhalt gerne unter dem Deckel der umfassend befreienden Gesamtvergütung sehen möchte, sollte sich eigentlich darüber im Klaren sein, welche Prioritäten in der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung einen oberen Rang haben.
Somatische Erkrankungen nehmen auf Grund der demographischen Entwicklung immer mehr zu.
Psychische Fehlentwicklungen und Störungen sind eher dem System geschuldet und sollten folglich auch von diesem eine entsprechende Berücksichtigung in der Finanzierung erfahren.

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