U-Vorsorgen
In der Not zwecklos
Verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen für Kinder haben in einigen Bundesländern die Teilnahmequote steigen lassen. Doch ist das Kindeswohl gefährdet, erweisen sich die U-Vorsorgen als stumpfes Schwert.
Veröffentlicht:STUTTGART. In Baden-Württemberg hat die Landesregierung eine Zwischenbilanz des landeseigenen Kinderschutzgesetzes gezogen, das seit März 2009 in Kraft ist.
Aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion im Landtag ist ein Trend ablesbar - im Südwesten, aber auch in anderen Regionen: Dort, wo Eltern durch verbindliche Einladungs- und Erinnerungssysteme zur Früherkennung bei ihren Kindern ermuntert werden, sind seitdem "etwas höhere Teilnahmequoten" erzielt worden, berichtet das Landessozialministerium.
Die Regierung hat dazu Daten aus den Fachressorts anderer Länder angefordert.
Beispiel AOK Baden-Württemberg: Dort ist die Teilnahmerate für die U5 von 91 Prozent (2009) auf 97,2 Prozent (2011) gestiegen. Auch bei der U9 zeigt sich im gleichen Zeitraum ein Anstieg um knapp neun Prozentpunkte auf 87 Prozent.
Parallel dazu ist bei Einschulungsuntersuchungen der Anteil der Kinder, deren Eltern kein Untersuchungsheft vorgelegt haben, gesunken, von 6,2 (2008/2009) auf 5,5 Prozent (2010/2011).
Ungeachtet dieses positiven Trends gibt es keine stichhaltigen Hinweise, dass ein aufwendiges Einladungs- und Erinnerungssystem auch den Kinderschutz fördert, berichtet das Landessozialministerium:
In Rheinland-Pfalz sind den Gesundheitsämtern im Jahr 2009 in 26.453 Fällen gemeldet worden, dass Kinder nicht zu den U-Vorsorgen vorgestellt worden sind.
Nur in sechs Fällen sei "ein möglicherweise bestehender Hilfebedarf beziehungsweise Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung neu aufgedeckt" worden, heißt es in der Regierungsantwort. Das entspricht einer Quote von 0,0002 Prozent. Die gefährdeten Kinder seien dem Jugendamt ohnehin schon bekannt gewesen.
In Hessen haben die Jugendämter zwischen Juli 2008 und Juni 2009 2245 Meldungen vom Hessischen Kindervorsorgezentrum erhalten. In sechs Familien (0,27 Prozent), die den Behörden nicht bekannt waren, war das Kindeswohl gefährdet.
In Schleswig-Holstein ist im Zeitraum zwischen April 2008 und April 2009 in insgesamt 353 Fällen das Jugendamt aktiv geworden, weil Eltern trotz mehrmaliger Aufforderung ihre Kinder nicht zur Früherkennung vorgestellt haben.
Fünfmal seien "weitergehende Maßnahmen" nötig gewesen. Teilweise erhielten die betroffenen Familien bereits Hilfe zur Erziehung.
Ein statistisch valider, bundesweiter Vergleich der Effektivität der verbindlichen Einladungssysteme ist nicht möglich - auch weil sich ein föderaler Flickenteppich von Regelungen etabliert hat.
So existiert in Sachsen-Anhalt gar kein verbindliches Einladewesen. Stattdessen soll das Zentrum "Frühe Hilfen für Familien" in Kooperation mit den Kassen dafür sorgen, dass die Teilnahmequote steigt.
In Niedersachsen wird direkt das zuständige Jugendamt unterrichtet, wenn auch Erinnerungsschreiben an die Eltern nicht gefruchtet haben.
In Berlin dagegen wird zunächst das Gesundheitsamt informiert. Das Jugendamt wird nur dann eingeschaltet, wenn es tatsächliche Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung gibt.
Ganz andere Anreize setzt Bayern: Landeserziehungsgeld erhalten Eltern nur, wenn die Teilnahme an der U6 und U7 nachgewiesen wird. Seit Anfang 2012 ist zudem das neue Bundeskinderschutzgesetz in Kraft. Darin wurde auch geregelt, wie bei Gefährdungen des Kindeswohls die Informationsweitergabe durch Ärzte und Lehrer zu handhaben ist.
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