Gassen ist neuer KBV-Chef

"Ärzte-Bashing werden wir nicht akzeptieren!"

Die KBV hat einen Neuen. Gleich in den ersten Minuten seiner Amtszeit gab Dr. Andreas Gassen den Integrator. Die Gratulationscour verstellte den Blick auf die Stolpersteine allerdings nicht.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Nach den erfolgreichen Wahlgängen war entspanntes Lächeln angesagt. Gassen mit Kollegin Regina Feldmann bei der Pressekonferenz.

Nach den erfolgreichen Wahlgängen war entspanntes Lächeln angesagt. Gassen mit Kollegin Regina Feldmann bei der Pressekonferenz.

© David Vogt

BERLIN. Der neue KBV-Chef streckte nach der Wahl die Hände in alle Richtungen aus. "Einigkeit macht stark", wandte Dr. Andreas Gassen sich an die Hausärzte, die ihn mehrheitlich nicht gewählt haben dürften. Er wolle die Wagenburg schließen.

An die Indianer vor der Wagenburg, also die Vertreter der großen Koalition, richtete er die Ankündigung: "Die Politik wartet auf Lösungen aus dem System. Die werden wir liefern." Schwarz-Rot hatte im Koalitionsvertrag eine Initiative avisiert, in den Kassenärztlichen Vereinigungen Parität zwischen Haus- und Fachärzten herzustellen.

Und allen Ärzten und Psychotherapeuten signalisierte Gassen Entschlossenheit gegenüber dem GKV-Spitzenverband: "Ärzte Bashing werden wir nicht akzeptieren."

Beim GKV-Spitzenverband blieb man verbindlich. Verbandschefin Dr. Doris Pfeiffer gratulierte dem neuen Mann an der Spitze des Manteltarifpartners artig. Man freue sich auf die Fortsetzung der guten Zusammenarbeit. Einen Tag zuvor hatte der Spitzenverband noch schweres Geschütz aufgefahren und den Ärzten unverblümt Diagnose-Manipulationen vorgeworfen.

Direkt auf den Kern der KBV-internen Probleme zielte das mit Glückwünschen verbundene Statement des Bundesvorsitzenden des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt.

Die sachgerechte Umsetzung der in der Koalitionsvereinbarung festgelegten Parität zwischen Hausärzten und Fachärzten in den Gremien der KBV und den KVen werde eine zentrale Bewährungsprobe der Verantwortlichen im KV-System sein, sagte Weigeldt.

Dazu äußerte sich auch Regina Feldmann, hausärztlicher Vorstand der KBV und im November Initiatorin eines Satzungsentwurfes für die KBV, der den Hausärzten größeren Einfluss in der Organisation verschaffen sollte. "Das Wahlergebnis von 35 zu 25 für Gassen zeigt auf, vor welcher Aufgabe wir stehen", sagte Feldmann.

Es wäre fürs Erste ein gutes Ergebnis, wenn sich beide Seiten bis in einem Jahr nicht mehr so intensiv intern miteinander beschäftigen müssten.

Der Ausgang der Wahl Gassens ohne Gegenkandidaten zum fachärztlichen Vorstand weist darauf hin, dass das Misstrauen zwischen den Lagern fortdauert.

Er gleicht stark dem Ergebnis des abgeschmetterten Abwahlantrags gegen Gassens Vorgänger Dr. Andreas Köhler im Dezember. Bei der Wahl zum Vorstandsvorsitzenden war Gassen erfolgreicher. 41 Ja-Stimmen von 57 möglichen bedeuten, dass auch Hausärzte für ihn gestimmt haben müssen.

"Nach monatelangem Stillstand ist die KBV wieder arbeitsfähig", jubelte daher Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes. Zum Leidwesen der niedergelassenen Ärzte habe die Krise in der Führungsspitze zu einem Machtvakuum in der ärztlichen Selbstverwaltung geführt.

Eine der Aufgaben Gassens werde es sein, der KBV ihr ursprüngliches politisches Gewicht wiederzugeben. Der Spitzenverband ZNS betonte, die KBV-Vertreterversammlung habe eine gute Wahl getroffen.

Der Verband forderte, dass die ambulante Versorgungsstruktur konstruktiv weiterentwickelt werden müsse - und zwar in einem einheitlichen KV-System, betonte der Verbandsvorsitzende Dr. Frank Bergmann.

Die VV habe gezeigt, dass es den Willen gebe, die Probleme in der Selbstverwaltung gemeinsam zu lösen, sagte Lars Lindemann, Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands, dessen Vorsitz Gassen abgeben will.

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Kommentare
Dr. jens wasserberg 03.03.201411:32 Uhr

Auf dem neuen KBV-Vorsitzenden lastet eine Nordrheinische Hypothek

Einige der Einigkeitsbeschwörer vergessen offenbar, dass es gerade in Ihren Einflussgebieten massivste Verwerfungen zwischen den Versorgungsbereichen gibt. 2/3 aller gewählten hausärztlichen Vertreter in Nordrhein wurden mit der Facharztmehrheit - zu der auch damals der nun neue KBV-Vorsitzende Dr. Gassen gehörte - aus den Satzungsgremien vollständig bis zum heutigen Tage entfernt. In Nordrhein war bisher keinerlei Wille der Beteiligten Berliner Einigkeitsanhänger erkennbar, diese Verwerfungen zu heilen. Diese Hypothek liegt nun auf den Neuanfangsplänen in Berlin.
Außerdem stellt sich die Frage, wie ein System, dass extrem unterschiedliche Honorare bundesweit bezahlt für exakt dieselben ärztlichen Tätigkeiten ( Stichwort Konvergenz, LAVA, FALK, Kassenfallwerte, RLV etc. ) und keinerlei Anstregungen unternommen hat, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, für sich glaubhaft in Anspruch nehmen, will, für alle Niedergelassenen zu sprechen.
Auch hier sollten erst einmal Taten folgen, bevor man sich vollmundig zum legitimen und gerechten Vertreter der Ärzteschaft stilisiert. Die KBV war bisher eher ein Ort, wo jeder seine Partikularinteressen durchgefochten hat. Für den interessierten Betrachter der Berliner KBV-Geschehnisse ist es recht unglaubhaft,wenn nun ausgerechnet dort das Lied der ärztlichen Solidarität gespielt werden soll. Solidarität ist keine Einbahnstraße, die man für seine Machtinteressen instrumentalisieren sollte.
Dieses Fehlen von echter Solidarität im KV-System hat die Niedergelassenen ja erst in die aktuelle Lage gebracht. Insofern wäre ein echtes Umdenken längst überfällig gewesen. Dazu bedurfte es aber erst politischer Zwangsmittel. Das wirft kein gutes Licht auf die Selbstheilungskräfte im KV-System.

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