Priorisierung

Ärztekammern gehen in die Offensive

Die Ärztekammern wollen eine Debatte über Priorisierung anstoßen. Den Anfang macht Nordrhein. Dort ist man sich sicher: Ohne Ärzte wird Priorisierung scheitern.

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Was ist dringend , was kann warten? Im großen Rahmen ist das eine gesamtgesellschaftliche Frage.

Was ist dringend , was kann warten? Im großen Rahmen ist das eine gesamtgesellschaftliche Frage.

© estherfrishmann/Fotolia.com

DÜSSELDORF. Die Ärzteschaft muss sich darüber verständigen, wie ein medizinisch und ethisch tragbares Konzept der Priorisierung im Gesundheitswesen aussehen kann und welche Rolle die Ärzte bei der Umsetzung spielen sollten.

Ist der interne Meinungsbildungsprozess abgeschlossen, können und müssen die Ärzte mit dem Thema die Öffentlichkeit suchen, meint Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo) und Mitglied der Arbeitsgruppe (AG) Priorisierung der Bundesärztekammer (BÄK).

Um die Ärzte mit dem Thema vertraut zu machen, wird die BÄK in Zusammenarbeit mit den Landesärztekammern bundesweit eine Reihe von Workshops anbieten. Den Auftakt machte die ÄKNo in Düsseldorf.

Bei den Veranstaltungen geht es zum einen um die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Priorisierung im Gesundheitswesen und zum anderen um die konkrete Bearbeitung eines Fallbeispiels.

"Wenn es uns gelingt, eine kritische Größe von Ärzten zu erreichen, die wir artikulationsstark machen, dann lässt sich der gesellschaftliche Diskurs verändern", beschrieb Henke eine Erwartung der AG. Bis es so weit ist, werde es aber bestimmt noch eine Weile dauern.

"Wir sind der Überzeugung, dass nur eine ärztliche unterstützte Priorisierung zum Ziel führen kann", betonte Henke. Priorisierung sei auch eine ärztliche Aufgabe. 94 Prozent der Delegierten hätten sich auf dem Deutschen Ärztetag dafür ausgesprochen, dass sich die Ärzteschaft weiter mit dem Thema beschäftigt.

Priorisierung ist nicht gleich Rationierung

Entscheidend sei, die in vielen Köpfen verankerte Gleichsetzung von Priorisierung und Rationierung zu beenden, sagte er. Priorisierung sei die Klärung der Vorrangigkeiten und Nachrangigkeiten.

"Rationierung ist das systematische tatsächliche Vorenthalten medizinisch notwendiger beziehungsweise wenigstens überwiegend nützlicher Leistungen aus Knappheitsgründen."

Jede Haushaltsentscheidung sei mit einer ganzen Reihe von Priorisierungen verbunden, das Instrument betreffe viele Bereiche. "Erstaunlich ist, dass man im Gesundheitswesen immer wieder sagt: Priorisierung geht nicht", sagte der ÄKNo-Präsident.

Ziel der Workshops sei es nicht, Ärzten Empfehlungen für ihre tägliche Praxis an die Hand zu geben, erläuterte Professor Dominik Groß, Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin in der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen.

"Wir wollen für das Problem sensibilisieren und zeigen, worum es geht", sagte der Arzt, Zahnarzt und Historiker, der ebenfalls Mitglied der Arbeitsgruppe der Bundesärztekammer ist.

Klare Rangfolge

Priorisierung führe grundsätzlich zu einer mehrstufigen Rangreihe. Groß charakterisierte das Vorgehen im Gesundheitswesen:

Ganz vorne stehe, was nach Maßgabe gesellschaftlich geklärter Ziele, Werte und Normen und Kriterien sowie nach Datenlage und fachlichem Konsens als dringend behandlungsbedürftig oder unverzichtbar beurteilt werde.

"Hinten steht das, was keiner medizinischen Behandlung bedarf, kaum oder nicht wirkt beziehungsweise mehr schadet als nützt."

Eine möglichst breite gesellschaftliche Debatte über das Thema sei deshalb zwingend notwendig. "Eine Gesellschaft, die ihre gesundheitliche Versorgung priorisiert, muss sich über die Ziele, grundlegende Werte, inhaltliche und prozedurale Kriterien verständigen." Neben Experten müssten auch die Patienten einbezogen werden.

Für Groß ist klar, dass die Mediziner eine entscheidende Rolle spielen müssen. "Die Ärzte sind die zentralen Akteure, weil sie es ausbaden müssen, und weil die Bevölkerung ihnen eine zentrale Mitsprachekompetenz zuweist." (iss)

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