Brandenburg
Konträres Urteil über Versorgungsgesetz
Ex-KBV-Chef Köhler kontra Gesundheitsweiser Gerlach: Der Funktionär fürchtet, dass das KV-System den Kliniken zum Fraß vorgeworfen wird. Für den Chef des Sachverständigenrats geht das Gesetz aber in die richtige Richtung.
Veröffentlicht:POTSDAM. Auf einer zweitägigen Klausur der Vertreterversammlung der KV Brandenburg wiederholte Ex-KBV-Chef Dr. Andreas Köhler seine Thesen, dass die Politik unter anderem mit dem Versorgungsstärkungsgesetz (VSG) die Weichen dafür stelle, freiberufliche ambulante Versorgungsstrukturen abzubauen und die Schaffung von Angestelltenstrukturen oder von Strukturen staatlich organisierter Gesundheitsversorgung zu fördern.
Auf lange Sicht sei es möglich, dass das KV-System so geschwächt wird, dass es den Krankenhäusern "zum Fraß vorgeworfen" werden könne.
Nachteile für niedergelassene Ärzte
In Zukunft, so Köhler, stünden die unwirtschaftlichen Kliniken in den "verdichteten Gebieten" im Fokus der Politik. Als Ersatz für zu erwartenden Bettenabbau würden sie einen institutionellen Zugang zur ambulanten Versorgung bekommen.
Köhler äußerte die Sorge, dass eine zunehmende Verlagerung von Leistungen in den ambulanten Bereich stattfinden werde, "ohne dass das Geld folgt". Es sei zu erwarten, dass häufige, kostenintensive Leistungen nicht ausreichend vergütet werden.
Insgesamt trage das VSG nicht dazu bei, die Probleme der Zukunftrichtig anzugehen. Von der Aufkaufregelung der Vertragsarztsitze seien nur selbstständige Ärzte betroffen, nicht aber MVZ oder Angestellte.
Zudem würden auch nicht Kliniken oder Ermächtigungen mit in die Betrachtung einbezogen, um Versorgungskapazitäten abzubauen.
Ebenfalls nicht logisch sei die vorgesehene Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung in unterversorgten Gebieten. "In Kliniken gibt es keine hausärztliche Versorgung", so Köhler. Zudem fehle es an Fachärzten der Grundversorgung.
Köhler: "Telefone werden verstauben"
Überhaupt könnten Kliniken mit ihrem Personal die zusätzlichen Aufgaben nicht stemmen. Überflüssig sei auch die Verpflichtung der KVen, Terminservicestellen einzurichten.
"Die Telefone werden verstauben. Sie glauben doch nicht, dass die Versicherten dort anrufen werden", so Köhler.
"Wir sind mit dem VSG zufrieden", sagte dagegen Dr. Ferdinand Gerlach, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Der Grund: "Abwarten ist keine Option mehr. Einiges geht schon in die richtige Richtung."
So hatten die Sachverständigen in ihrem Gutachten 2014 unter anderem gefordert, entschlossenere Maßnahmen zum Abbau von Überversorgung in Ballungsgebieten zu ergreifen, und einen obligatorischen Aufkauf von Praxissitzen ab 200 Prozent Überversorgung vorgeschlagen. Nur "1,6 Prozent aller Ärzte wären davon betroffen", so Gerlach.
Um stärkere Anreize für eine Tätigkeit im ländlichen Raum zu geben, plädiert der Sachverständigenrat zudem für einen Landarztzuschlag, der Ärzten bis zu 50 Prozent mehr Honorar bringen könne und zu Lasten aller Kollegen in den unterversorgten Bereichen ginge.
Von einem solchen Zuschlag könnten momentan vier Prozent aller Vertragsärzte profitieren. "Es besteht also kein Grund für Verarmungsängste", so Gerlach.
Stiftung für Aus- und Weiterbildung
Um dem Schwund an Hausärzten entgegenzuwirken, seien aber vor allem Maßnahmen zur Förderung der Aus- und Weiterbildung nötig. Zwischen 1993 und 2012 habe die Zahl der Fachärzte um 56 Prozent zu-, die der Hausärzte dagegen um zehn Prozent abgenommen.
"Wir müssen doppelt so viele Hausärzte weiterbilden, wie wir es momentan tun, um den Status quo halten zu können", mahnte Gerlach. Der Sachverständigenrat schlägt deshalb eine Förderstiftung für Aus- und Weiterbildung vor, die zu 90 Prozent von der GKV, zu zehn Prozent von der PKV und auch aus Steuermitteln finanziert wird.