Niedersachsen

MVZ macht dicht - Hausärzte rufen nach Hilfe

Weil ein Versorgungszentrum pleite gegangen ist, geht bei Patienten im niedersächsischen Sittensen die Angst um. Sie verteilen sich auf die Praxen der übrigen Hausärzte - doch die arbeiten längst am Limit.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:

SITTENSEN. Die Hausärzte im niedersächsischen Städtchen Sittensen dürften im Juni eine Menge zu tun bekommen.

"Die neuen Patienten versuchen jetzt schon, irgendwie zu uns zu kommen", sagt Hausärztin Dr. Marianne Haase der "Ärzte Zeitung". "Aber es wird viel zu viel für uns."

Hintergrund des erwarteten Ansturms: Das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) mit vier Hausarztsitzen, das die Diako Rotenburg GmbH, eine 100-prozentige Tochter des Agaplesion Diakonieklinikums Rotenburg, in Sittensen betreibt, wird Ende Mai schließen. Der Betreiber hat bereits Ende März Insolvenz beantragt.

"Die eigenständig arbeitende Gesellschaft mit den Medizinischen Versorgungszentren an den Standorten Sittensen, Zeven, Hoya und Verden arbeiten nicht wirtschaftlich", teilt das Klinikum mit. Nun werden Sittensen und Hoya geschlossen, um den beiden übrigen das Überleben zu ermöglichen.

Grund für die Schließung sei vor allem der Ärztemangel auf dem Land, hieß es. "Dadurch konnten über längere Zeiträume die freien Arztstellen in den Praxen nicht besetzt werden."

Mit anderen Worten, es fehlte das Personal, das Geld verdienen hätte können. Von der Schließung sind nach Angaben des Klinikums 40 Menschen betroffen.

Subventionierung hat keine Zukunft

Bisher wurden die Verluste des MVZ vom Klinikum aufgefangen. "Die wirtschaftliche Situation lässt Krankenhäusern keinen Spielraum, sodass unser Klinikum die Subventionierung des MVZ-Geschäftes nicht länger leisten kann", sagt nun Rainer W. Werther, Geschäftsführer der MVZ Diako Rotenburg gGmbH und des Agaplesion Diakonieklinikums.

Stefan Thiemann, Bürgermeister der Samtgemeinde Sittensen, spricht kurz und knapp von einer "echten Vollkatastrophe". In der Tat: Sittensen hat rund 11.000 Einwohner und bald nur noch drei oder vier Hausärzte. Viele Patienten seien inzwischen "stinksauer".

Nach Worten von Michael Schmitz, Geschäftsführer der Bezirksstelle Verden der KV Niedersachsen (KVN), hätten Teilzeitverträge und Erkrankungen der Ärzte im MVZ in der Tat eine "instabile Versorgungslage" herbeigeführt. Das MVZ habe seit seiner Gründung vor zweieinhalb Jahren keine Ärzte binden können.

Hausarzt aus Ruhestand aktiviert

Die vier Sitze des MVZ seien nie voll besetzt gewesen. "Wir mussten die Sitze gewähren und wussten zugleich: Die entsprechende Versorgung findet nicht statt", sagte Schmitz der "Ärzte Zeitung". Jetzt sei es um so enger. Inzwischen hat die KVN zweieinhalb Sitze ausgeschrieben.

Die Übrigen des MVZ sind noch von einer Ärztin und einem Arzt besetzt, den man aus dem Ruhestand geholt hat. Bürgermeister Thiemann will Ärzte, die sich in Sittensen niederlassen wollen, "individuell und nach Bedarf unterstützen", wie er sagt - sei es mit Kita-Plätzen oder passenden Räumen. Feste Zusagen mochte Thiemann allerdings nicht geben.

Für Schmitz bedeutet das Ende des MVZ: "Junge Ärzte bevorzugen für ein paar Jahre ein MVZ. Aber als Lebensperspektive zählt doch die Niederlassung." Hausärztin Haase schließlich würde das sehr freuen. Denn sie und ihre Kollegen haben Druck.

Eine ältere Kollegin in der Gemeinschaftspraxis schiebt unterdessen ihren Abschied etwas hinaus, um den Versorgungs-Engpass meistern zu helfen. "Und wir hoffen dann auf neue Kollegen ab dem 1. Juli", sagt Haase. Zuversichtlich klingt sie nicht.

"Natürlich wollen die neuen Patienten rein und es ist schrecklich, sie abweisen zu müssen. Denn mehr als arbeiten können wir auch nicht."

Am Schluss, meint Haase, würden wohl die sehr alten Patienten übrig bleiben und die Bettlägerigen. Und die anderen, die mobil sind, suchen sich irgendwo einen anderen Arzt. Haase: "Dann hätten wir viel Arbeit und geringe Einkünfte."

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Runde der letzten 9

Gießener Dermatologin steht im Finale von Miss Germany

Probleme in ambulanter Versorgung

SpiFa: „Keine einzige Baustelle des Gesundheitswesens beseitigt“

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Im Vordergrund Savanne und eine Giraffe, im Hintergrund der Kilimandscharo.

© espiegle / stock.adobe.com

Erhöhtes Thromboserisiko

Fallbericht: Lungenembolie bei einem Hobby-Bergsteiger

Die Autorinnen und Autoren resümieren, dass eine chronische Lebererkrankungen ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf einer akuten Pankreatitis ist. Sie betonen aber, dass für eine endgültige Schlussfolgerungen die Fallzahlen teils zu gering und die Konfidenzintervalle zu weit sind.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Mehr Komplikationen, höhere Sterblichkeit

Akute Pankreatitis plus CLD – eine unheilvolle Kombination

Einweg-E-Zigaretten

© Moritz Frankenberg / dpa

Vaping

Konsum von fruchtigen E-Zigaretten im Trend