Streitthema Bürgerversicherung
DAK-Chef warnt vor zu hohem Risiko
Der plötzliche Abschied vom dualen Versicherungssystem wäre mit hohen Risiken versehen. Darin sind sich DAK-Chef Storm und PKV-Verbandschef Leienbach einig. Die Folgen einer einheitlichen Vergütungsordnung bewerten sie indes unterschiedlich.
Veröffentlicht:DÜSSELDORF. Es gibt keinen Grund, sich vom dualen System der Krankenversicherung in Deutschland zu verabschieden. Die Umstellung auf ein Modell der Bürgerversicherung wäre ein zu großes Risiko, finden der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit Andreas Storm und der Direktor des Verbands der privaten Krankenversicherung (PKV) Dr. Volker Leienbach. Auf einer gemeinsamen Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CDU Nordrhein-Westfalen plädierten beide für eine Weiterentwicklung und Optimierung des bestehenden Systems.
"Die kurzfristige Einführung der Bürgerversicherung ist unwahrscheinlich, und sie wäre auch nicht wünschenswert", sagte Storm. Er lehnt auch Modelle ab, die zwar eine Beibehaltung der Dualität vorsehen, der GKV dabei aber die Rolle als Basisversorger zuweisen und alles andere in die PKV verlagern wollen. "Die GKV muss vom Grundsatz her den medizinisch erforderlichen Leistungskatalog komplett erbringen können", fordert der DAK-Chef.
Völlige Systemöffnung ist "absurd"
Storm wies darauf hin, dass sich nicht nur SPD, Linke und Grüne mit der Bürgerversicherung für einen kompletten Systemwechsel einsetzen, sondern auch die FDP. Die Liberalen plädieren für eine völlige Wahlfreiheit aller Bürger zwischen GKV und PKV. "Eine solche Öffnung der Systeme wäre genauso absurd wie der Weg in die Bürgerversicherung."
Wer sich für das Konzept der Bürgerversicherung stark macht, setzt auf die Bildung einer rot-rot-grünen Regierung nach der Bundestagswahl, sagte PKV-Verbandsdirektor Leienbach. SPD, Linke und Grüne streben ein solches einheitliches Krankenversicherungssystem an, wenn auch mit unterschiedlichen Konzepten. "Die Bürgerversicherung steht für ein rot-rot-grünes Experiment."
Die Verfechter der Bürgerversicherung ignorieren nach seiner Ansicht die Erfahrungen, die man im Ausland mit Einheitssystemen gemacht hat. Dort sei die Versorgung schlechter als in Deutschland. Hierzulande gebe es zwei Versicherungssysteme, aber von Ausnahmen abgesehen nur ein Versorgungssystem. Länder mit Einheitssystemen hätten dagegen zwei oder mehrere Versorgungssysteme. "Wer es sich leisten kann, büxt aus dem Einheitssystem aus", so Leienbach.
Reform würde Ressourcen binden
Die Schaffung einer einheitlichen Gebührenordnung und damit die Auflösung des Nebeneinanders von EBM und GOÄ wäre für ihn ein "sehr relevanter Schritt" in Richtung Bürgerversicherung. Er wäre verbunden mit einer Reihe ungelöster Fragen. So müsse geklärt werden, wie bei einer einheitlichen Gebührenordnung das Nebeneinander zwischen Sachleistungs- und Kostenerstattungsprinzip sowie von Budgetierung und Einzelleistungsvergütung geregelt wird, sagte er. Auch sei nicht klar, ob sie eher der GOÄ oder dem EBM nahekommt. "Wenn sie dem EBM entsprechen sollte, hätten wir über Nacht plötzlich zwölf Milliarden Euro weniger im System", warnte Leienbach.
DAK-Chef Storm hält die Vergütungshöhe nicht für die wesentliche Herausforderung, da sie sich wohl auf dem "Niveau des gehobenen Durchschnitts" einpendeln würde. Das Grundproblem ist für ihn, dass es sich um einen extrem komplizierten Prozess handelt, der sehr viele Kapazitäten binden würde.
Sollte sich die nächste Regierung für eine einheitliche Gebührenordnung entscheiden, wären keine Kapazitäten für andere wichtige Herausforderungen mehr frei, fürchtet Storm. Er nannte die Themen Digitalisierung, die Reform des Risikostrukturausgleichs oder die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung in der GKV für künftige Beitragszahler. "Dafür braucht man Kraft."