Große Differenzen beim Umgang mit der PID in Europa

Wieviel Diagnostik ist erlaubt und wann dürfen die Zellen für die In-vitro Fertilisation entnommen werden? Der Deutsche Ethikrat ließ sich darüber von europäischen Experten in einer Anhörung informieren.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Unter dem Mikroskop werden Spermien in Eizellen injiziert: Viele Ärzte fordern klare Regeln für den Umgang mit der PID.

Unter dem Mikroskop werden Spermien in Eizellen injiziert: Viele Ärzte fordern klare Regeln für den Umgang mit der PID.

© dpa

BERLIN. In fast allen europäischen Staaten ist die Untersuchung von in- vitro gezeugten Embryonen auf Erbkrankheiten und genetische Anomalien erlaubt oder zumindest nicht reguliert. In Deutschland denken Politiker fraktionsübergreifend über ein vollständiges Verbot der PID nach. Der Deutsche Ethikrat hat bei einer Anhörung über die Praxis jenseits der Grenzen informiert.

In Großbritannien, Frankreich und Belgien liegt demnach die Zahl der für eine PID verwendeten Embryonen deutlich höher als die in Deutschland vom deutschen Embryonenschutzgesetz für die Zeugung nach herrschender Auffassung maximal erlaubten drei Embryonen pro IvF-Zyklus. Dies bestätigten Fachleute aus diesen Ländern auf Nachfrage von in der Sitzung anwesenden Bundestagsabgeordneten. Belgien und Großbritannien lassen auch die Suche nach Chromosomenstörungen zu, die nicht bereits im Genom der Eltern vorliegen. Ein generelles Screening verbessere die Geburtenrate aber nicht, betonten die Experten vor dem Ethikrat. Der Ansatz gelte weiterhin als experimentell. Dies hätten inzwischen vorliegende Untersuchungen gezeigt.

Die technischen Möglichkeiten der PID sind weit fortgeschritten. PID könne zur Entdeckung jeder von genetischen Abweichungen verursachten Krankheit eingesetzt werden, sagte Dr. Luca Gianaroli, Vorsitzender der Europäischen Fortpflanzungsmedizingesellschaft (ESHRE).

Die ESHRE sammelt Daten aus 57 von weltweit derzeit etwa 100 Zentren für Fortpflanzungsmedizin und Präimplantationsdiagnostik in OECD-Ländern. Zwischen 1999 und 2007 seien von den teilnehmenden Zentren 28 000 In-vitro Fertilisations-Behandlungszyklen gemeldet worden, sagte Gianaroli. In dieser Zeit seien 5187 Kinder nach einer Untersuchung im Embryonalstadium entstanden. Von diesen haben 4047 überlebt. In 99,5 Prozent aller Fälle seien die für die Untersuchung benötigten Zellen am dritten Tag entnommen worden. Dies ist in Deutschland verboten, weil sich diese Zellen zu Embryonen entwickeln könnten. Gianaroli wies auf das steigende Interesse der Fortpflanzungsmediziner hin, die Zellen erst am fünften Tag zu entnehmen, also aus der Blastozyste. Dies habe unter anderem den Vorteil, dass Zellen entnommen werden könnten, die nur zum Aufbau der Plazenta dienten.

Die Zulassung zur PID ist auch in den Nachbarländern nicht völlig frei gegeben. Aus Belgien berichtete der Arzt Paul Devroey von einer Art Rundem Tisch aus Fortpflanzungsmedizinern, Psychologen, Genetikern und einem Ethikkomitee, das über die Genehmigung in jedem Fall vorab diskutiere. Eine Liste zugelassener Indikationen gebe es nicht.

In Großbritannien entscheidet der Staat darüber, welchen Indikationen bei der PID nachgespürt werden dürfe, sagte Emily Jackson von der britischen Human Fertilisation and Embryology AUTHORity. Dies hänge von der Situation des Paares ab. Sobald ein Test einmal anerkannt sei, könne jedes Zentrum ihn einsetzen, ohne im Einzelfall eine neue Genehmigung zu beantragen.

In Frankreich haben nur Familien, die von schweren und unheilbaren Krankheiten betroffen sind, nach einer Einzelfallprüfung Zugang zur PID.

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