USA: Zahnprophylaxe für viele zu teuer
Vorbeugung in der Zahnversorgung ist in den USA eine Frage des Geldes. Hunderttausende sind unterversichert oder müssen Zahnarzttermine mangels Geld absagen. Erst bei Schmerzen gehen viele Menschen in die Notaufnahme. Das ist unproduktiv und teuer.
Veröffentlicht:WASHINGTON. Um Zahngesundheit vieler US-Amerikaner steht es nicht zum Besten. Insbesondere bei Menschen mit geringen Einkommen wird Prävention kleingeschrieben - oft, weil der Zugang zur zahnärztlichen Behandlung fehlt.
Der US-amerikanische Steuerzahler zahlt die Rechnung: Hunderttausende Menschen suchen jährlich die Notaufnahmen der Krankenhäuser auf, wenn Zahnschmerzen unerträglich werden.
Das Dilemma: Die Notfallstationen müssen zwar jeden annehmen, sind aber in den seltensten Fällen in der Lage, das Zahnproblem wirksam zu behandeln.
Meistens erhalten die Patienten Schmerzmittel und infektionshemmende Medikamente. Weil das eigentliche Problem damit nicht gelöst ist, erscheinen die vom Zahnschmerz Gepeinigten bald wieder - ein unproduktiver und vor allem teurer Kreislauf.
Zahnschmerzbehandlung in der Notaufnahme immer häufiger
Die traurige Bilanz in Zahlen: 830.590 US-Amerikaner suchten im Jahr 2009 eine Notaufnahme wegen Zahnschmerzen auf, die präventiv vermeidbar gewesen wären - 16 Prozent mehr als im Jahr 2006, hat das Pew Center on the States in der Studie "A Costly Dental Destination" ermittelt.
Das Problem hat frühe Wurzeln: Pew berichtet, dass im gleichen Jahr 56 Prozent der Kinder, die über das Armenprogramm Medicaid versichert waren, keine Zahnbehandlung oder -prävention erhielten.
Zahlen aus den Bundesstaaten bestätigen, dass sich das Problem verschärft hat:
In Florida war die Zahl der Medicaid-Versicherten, die wegen Zahnschmerzen zur Notaufnahme gingen, im Jahr 2010 um 40 Prozent höher als noch zwei Jahre zuvor.
In Oregon stieg ihre Zahl im gleichen Zeitraum um 31 Prozent.
In New York hat sich die Zahl von Kindern, die wegen Karies in eine Notaufnahme gebracht wurden, von 2004 bis 2008 um 32 Prozent erhöht.
"Es kommt sehr selten vor, dass ich in einer zwölfstündigen Schicht niemanden zu Gesicht bekomme, der wegen Zahnbeschwerden zu uns kommt", zitiert der Pew-Report den Notaufnahmearzt Dr. Alan Sorkey, der in Louisiana arbeitet.
Zugang zu Zahnbehandlung ungenügend
Laut Pew liegen die Ursachen für die Misere auf der Hand. Die Bundesstaaten, in deren Hand die Verwaltung der Armenversicherung Medicaid liegt, haben nur ungenügenden Zugang zur vorsorgenden Zahnbehandlung geschaffen.
Das Problem ist schlimmer geworden, seit die Rezession die Bundesstaaten zu strikten Sparmaßnahmen gezwungen hat.
Im Rahmen solcher Haushaltskürzungen hat der Bundesstaat Washington die Bezahlung von Zahnbehandlungen für erwachsene Medicaid-Patienten ganz eingestellt.
Verschärft wird das Problem dadurch, dass es zu wenige Zahnärzte gibt. Das macht sich vor allem auf dem Land bemerkbar.
Laut Pew leben 47 Millionen Amerikaner in Gebieten, die die Regierung offiziell als "Zahnarztmangel-Zonen" bezeichnet. Dieser Umstand trägt dazu bei, dass es viele Zahnärzte nicht einsehen, Medicaid-Patienten zu behandeln, für die sie vergleichsweise schlecht bezahlt werden.
Pew berichtet, dass weniger als die Hälfte der Zahnärzte in 25 Bundesstaaten im Jahr 2008 Medicaid-Patienten angenommen haben.
Zahnarzttermine auf finanziellen Gründen abgesagt
Vergleichbare Zugangsprobleme existieren für diejenigen, die nicht oder unterversichert sind. Nach einer neuen US-weiten Studie haben beispielsweise 45 Prozent der Amerikaner hispanischer Herkunft keine Zahnversicherung.
Eine Studie im Bundesstaat Maine ergab, dass fast jeder dritte Einwohner im vergangenen Jahr aus finanziellen Gründen einen Zahnarzttermin absagen musste.
Der Versuch, in der zahnärztlichen Versorgung zu sparen, erweist sich als Bumerang. 330.000 durch Zahnfäule verursachte Notaufnahmen kosteten im Jahr 2006 fast 110 Millionen US-Dollar.
Der Notaufnahmebesuch eines Medicaid-Patienten kostet durchschnittlich zehnmal so viel wie die Prophylaxe beim Zahnarzt. Die Kosten dafür trägt der Steuerzahler.
Prävention könnte viele Probleme lösen
Die Autoren der Pew-Studie stellen fest, dass ein Großteil des Problems durch Prävention gelöst werden könnte.
Die Autoren empfehlen vor allem eine flächendeckende Zahnversiegelung bei Minderjährigen und kritisieren, dass in über 20 Bundesstaaten unnötige Hürden für diese Prophylaxe bestehen.
Die Autoren empfehlen außerdem die Entwicklung eines neuen Berufsbilds: Der "Dental Therapist", den es bisher nur im Bundesstaat Minnesota, gibt, könnte - ähnlich wie Physician Assistants in Hausarztpraxen - weitgehend unabhängig Routinebehandlungen übernehmen.