Großbritannien

Schlamperei mit Patientendaten

Sie verschwinden auf Nimmerwiedersehen, wandern in Mülltonnen, werden im Supermarkt vergessen oder zum völlig falschen Adressaten geschickt: Seit 2011 sind in britischen Kliniken zwei Millionen Patientenakten verloren gegangen.

Arndt StrieglerVon Arndt Striegler Veröffentlicht:
Sichere Daten? Von wegen.

Sichere Daten? Von wegen.

© Gina Sander / fotolia.com

LONDON. In staatlichen britischen Krankenhäusern gehen täglich rund 2000 Patientenakten verloren. Mit diesen schockierenden Zahlen überraschte kürzlich ein international bekanntes Marktforschungsunternehmen die britische Ärzteschaft, Patienten und Gesundheitspolitiker gleichermaßen. Demnach sind seit Anfang 2011 landesweit rund zwei Millionen Patientenakten verschwunden.

Die Marktforscher von ICM Research untersuchten im Auftrag der BBC die Frage, wie gut oder schlecht im staatlichen britischen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) mit Krankenakten umgegangen wird.

"Verloren gegangen" heißt konkret, die Akten werden entweder zum falschen Adressaten geschickt. Oder sie werden auf andere Art und Weise im NHS-System verlegt und kommen auf unbekannten Wegen abhanden.

Die Marktforscher zitieren haarsträubende Fälle, bei denen Patientenakten vom Klinikpersonal an der Kasse im Supermarkt liegen gelassen werden. Oder die vertraulichen Akten wandern irrtümlich in die Mülltonne. "Tausende elektronische Patientenakten werden jede Woche an den falschen Adressaten geschickt", kritisieren die Gutachter weiter.

Bermudadreieck auf dem Weg von der Klinik und Hausarzt

Die wohl haarsträubendste Anekdote kommt aus der südenglischen Grafschaft Surrey. Dort verkauften lokale Gesundheitsverwaltungen aus Versehen drei Krankenhauscomputer, auf denen die vertraulichen Daten von mehr als 3000 Patienten gespeichert waren. Die Computer landeten bei Ebay.

Ärzteverbände reagierten alarmiert auf die Zahlen. "Derartige Verstöße gegen den Datenschutz sind nicht akzeptabel", sagte ein Sprecher der British Medical Association (BMA) der "Ärzte Zeitung"

"Es bedarf dringender Abhilfe!" Die BMA verlangt vom Gesundheitsministerium eine sofortige Überprüfung und Straffung der NHS-internen Datenschutzbestimmungen sowie eine Verbesserung der Datenübermittlung.

Das Royal College of General Practitioners (RCGP), das speziell die beruflichen Interessen britischer Hausärzte vertritt, äußerte sich ebenfalls alarmiert. Offenbar gehen nämlich bei der Übermittlung von Patientenakten zwischen Krankenhaus und Hausarzt besonders viele Akten verloren.

Eine RCGP-Sprecherin äußerte die Vermutung, dass der schludrige Umgang mit Patientenakten Diagnose und Therapie "ernsthaft verschlechtert". Das Gesundheitsministerium kündigte eine Untersuchung der Vorgänge an.

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Zentrale EU-Zulassung

EMA-Ausschuss spricht sieben positive Empfehlungen aus

Kommentare
Wolfgang Thoma 04.04.201407:01 Uhr

Verlorene Daten

Vielleicht sollten die europäischen Partner in Grossbritannien
1. das Wort "Datenschutz" in ihren Wortschatz aufnehmen
2. ihren Geheimdienst nach dem Aktenverbleib fragen, der weiss ja sonst auch alles
mfg
W.Thoma

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tipps für die Praxis

So entwickeln Sie Ihre Arztpraxis strategisch weiter

Lesetipps
Bald nicht nur im Test oder in Showpraxen: Auf einem Bildschirm in der E-Health-Showpraxis der KV Berlin ist eine ePA dargestellt (Archivbild). Nun soll sie bald überall zu sehen sein auf den Bildschirmen in Praxen in ganz Deutschland.

© Jens Kalaene / picture alliance / dpa

Leitartikel

Bundesweiter ePA-Roll-out: Reif für die E-Patientenakte für alle

Husten und symbolische Amplitude, die die Lautstärke darstellt.

© Michaela Illian

S2k-Leitlinie

Husten – was tun, wenn er bleibt?

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung