Großbritannien
Schlamperei mit Patientendaten
Sie verschwinden auf Nimmerwiedersehen, wandern in Mülltonnen, werden im Supermarkt vergessen oder zum völlig falschen Adressaten geschickt: Seit 2011 sind in britischen Kliniken zwei Millionen Patientenakten verloren gegangen.
Veröffentlicht:LONDON. In staatlichen britischen Krankenhäusern gehen täglich rund 2000 Patientenakten verloren. Mit diesen schockierenden Zahlen überraschte kürzlich ein international bekanntes Marktforschungsunternehmen die britische Ärzteschaft, Patienten und Gesundheitspolitiker gleichermaßen. Demnach sind seit Anfang 2011 landesweit rund zwei Millionen Patientenakten verschwunden.
Die Marktforscher von ICM Research untersuchten im Auftrag der BBC die Frage, wie gut oder schlecht im staatlichen britischen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) mit Krankenakten umgegangen wird.
"Verloren gegangen" heißt konkret, die Akten werden entweder zum falschen Adressaten geschickt. Oder sie werden auf andere Art und Weise im NHS-System verlegt und kommen auf unbekannten Wegen abhanden.
Die Marktforscher zitieren haarsträubende Fälle, bei denen Patientenakten vom Klinikpersonal an der Kasse im Supermarkt liegen gelassen werden. Oder die vertraulichen Akten wandern irrtümlich in die Mülltonne. "Tausende elektronische Patientenakten werden jede Woche an den falschen Adressaten geschickt", kritisieren die Gutachter weiter.
Bermudadreieck auf dem Weg von der Klinik und Hausarzt
Die wohl haarsträubendste Anekdote kommt aus der südenglischen Grafschaft Surrey. Dort verkauften lokale Gesundheitsverwaltungen aus Versehen drei Krankenhauscomputer, auf denen die vertraulichen Daten von mehr als 3000 Patienten gespeichert waren. Die Computer landeten bei Ebay.
Ärzteverbände reagierten alarmiert auf die Zahlen. "Derartige Verstöße gegen den Datenschutz sind nicht akzeptabel", sagte ein Sprecher der British Medical Association (BMA) der "Ärzte Zeitung"
"Es bedarf dringender Abhilfe!" Die BMA verlangt vom Gesundheitsministerium eine sofortige Überprüfung und Straffung der NHS-internen Datenschutzbestimmungen sowie eine Verbesserung der Datenübermittlung.
Das Royal College of General Practitioners (RCGP), das speziell die beruflichen Interessen britischer Hausärzte vertritt, äußerte sich ebenfalls alarmiert. Offenbar gehen nämlich bei der Übermittlung von Patientenakten zwischen Krankenhaus und Hausarzt besonders viele Akten verloren.
Eine RCGP-Sprecherin äußerte die Vermutung, dass der schludrige Umgang mit Patientenakten Diagnose und Therapie "ernsthaft verschlechtert". Das Gesundheitsministerium kündigte eine Untersuchung der Vorgänge an.