Brexit
Ausländische Ärzte brechen Zelte ab
Nach dem Brexit-Votum wächst im britischen Gesundheitswesen die Unsicherheit für ausländische Ärzte. Ärzteverbände haben öffentlich vor einem Ausbluten der Versorgung gewarnt. Die Regierung soll rasch Klarheit schaffen.
Veröffentlicht:LONDON. Rund zwei Monate nach dem historischen Brexit-Votum der Briten hat in Großbritannien offenbar der Exodus von Ärzten und anderem hoch qualifiziertem Gesundheitspersonal ins Ausland begonnen.
Mehrere große Kliniken schlagen öffentlich Alarm. Fachärztliche Berufsverbände befürchten, dass die Patientenversorgung als Folge der Rückkehr hunderter Fachärzte in die EU "ernsthaft gefährdet" sei.
Die Briten hatten am 23. Juni mit knapper Mehrheit für einen Austritt aus der EU gestimmt. Bislang weigert sich die Londoner Regierung, ein konkretes Datum für den Beginn der Austrittsverhandlungen mit Brüssel zu nennen.
Ebenso hat Premierministerin Theresa May bisher nicht erklärt, ob Ärzte und anderes Gesundheitspersonal, das derzeit in Großbritannien arbeitet, auch nach dem EU-Austritt im Land bleiben darf. Diese Unsicherheit scheint einer der Hauptgründe zu sein, warum deutsche und Ärzte aus anderen EU-Ländern in Großbritannien die Koffer packen.
Offener Brief an die "Times"
Die Sorge, als Folge des Brexit ausländische Fachärzte zu verlieren, die bisher im staatlichen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) tätig sind, veranlasste die "Federation of Specialist Hospitals" (FSH) jetzt zu dem ungewöhnlichen Schritt, einen Offenen Brief an die Londoner Tageszeitung "Times" zu schreiben.
In dem Brief, der im Königreich für Schlagzeilen sorgt, warnen Krankenhausverwaltungen: "Wir beobachten mit großer Sorge, dass sich immer mehr ausländische hoch qualifizierte Fachärzte vom NHS abwenden, um Großbritannien zu verlassen." Dies sei eine direkte Reaktion auf den Brexit.
In Fachbereichen wie der Kardiologie und der Neurologie klafften als Folge bereits heute "Versorgungslücken". Diese dürften in den kommenden Monaten wachsen und auch auf andere Fachrichtungen übergreifen. Unterschrieben ist der Brief unter anderem von Mitarbeitern des Papworth Hospital (Cambridge), Moorefield Eye Hospital (London) und Royal Brompton Hospital (London).
Klarstellung der Regierung gefordert
Umfragen der "Ärzte Zeitung" bei anderen Kliniken in den Großräumen London und Manchester ergaben, dass auch dort Ärzte und anderes Klinikpersonal aus EU-Ländern offenbar damit begonnen hat, das Land zu verlassen.
Berufsverbände und Patientenorganisationen forderten die Londoner Regierung auf, "unverzüglich" klar zu stellen, dass EU-Ärzte in jedem Fall ein gesichertes Aufenthaltsrecht in Großbritannien erhalten werden, und zwar unabhängig davon, wie die Brexit-Verhandlungen ausgehen.
"Diese lähmende und nervenaufreibende Unsicherheit schadet sowohl der Arbeitsmoral als auch der Patientenversorgung", sagte eine Sprecherin des Ärzteverbandes British Medical Association der "Ärzte Zeitung".