Antibiotika-Resistenzen

Wenn Medizin und Politik machtlos sind

Die EU will den Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen verschärfen – mit intensivierter Forschung und Einsatz an gleich mehreren Fronten.

Von Detlef Drewes Veröffentlicht:
Nur unter dem Elektronenmikroskop schön: Eine Kolonie von Staphylococcus aureus. Gegen den Keim treten häufiger Resistenzen auf.

Nur unter dem Elektronenmikroskop schön: Eine Kolonie von Staphylococcus aureus. Gegen den Keim treten häufiger Resistenzen auf.

© nobeastsofierce / stock.adobe.com

BRÜSSEL. Der Kampf hat begonnen. Es ist ein Kampf gegen den Tod und die Machtlosigkeit der Medizin. 33.000 Menschen sterben derzeit jedes Jahr in der EU, weil ihre Erkrankungen nicht wirkungsvoll behandelt werden können. Denn sie sind immun geworden gegen Antibiotika.

„Eine wachsende Bedrohung“ nennt die EU-Kommission diese Situation in ihrem Aktionsplan zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen. In einem Bericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, der Europäischen Arzneimittelagentur sowie des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten aus dem Vorjahr wird ebenfalls gewarnt. Was EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis zu dem Satz brachte: „Um Antibiotika-Resistenzen einzudämmen, müssen wir an drei Fronten gleichzeitig kämpfen: Mensch, Tier und Umwelt.“

Doch bisher bleibt der Mensch außen vor, kritisieren Ärzte. Was auf dem Tisch liegt, sei zwar wichtig, aber nur begrenzt hilfreich: Ab 2021 dürfen bestimmte Antibiotika nur noch beim Menschen angewendet werden, um dort als Reserve zur Verfügung zu stehen. Die prophylaktische Verabreichung von Antibiotika bei Tieren wird verboten, Landwirte müssen strikte Auflagen beachten, wenn sie ihren Tieren die Präparate geben wollen.

Doch in der nächsten Legislaturperiode des EU-Parlamentes muss noch mehr passieren. Vor allem die Forschung müsse intensiviert werden, heißt es in einer Entschließung der Abgeordneten von November 2018.

Pharma-Unternehmen sollen durch Anreize gelockt werden, um neue Entwicklungen zu beschleunigen. Dafür könne man ihnen „den Schutz geschäftlicher Interessen an innovativen Wirkstoffen“ und anderes gewähren. Dieses Prinzip, den Patentschutz auf neue Medikamente zu verlängern, um den hohen Forschungsaufwand zu refinanzieren, hat schon einmal funktioniert.

Damals ging es um Arzneimittel für die kleine und deshalb wenig lukrative Gruppe von Kindern mit seltenen Krankheiten. Auch im Etat des deutlich erhöhten Forschungsrahmenprogramms (ab 2020 heißt es „Horizon Europe“) sind höhere Mittel in Aussicht gestellt – mehr ist noch nicht möglich. Zunächst müssen die Staats- und Regierungschefs der Union den Mittelfristigen Finanzrahmen (MFR) für die nächste Haushaltsperiode von 2021 bis 2027 verabschieden.

Bis dahin wollen europäische und nationale Behörden versuchen, das Einbringen der Antibiotika in den Tier-Umwelt-Mensch-Kreislauf zu begrenzen. Wie wichtig das ist, belegt eine Untersuchung der Europäischen Seuchenschutzbehörde (ECDC) vom November 2018.

Auch Deutschland glänzt nicht bei der Antibiotikaverordnung

Demnach bestehen beim Einsatz der Präparate große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Bei einer Punktprävalenzanalyse variierte der Anteil von Breitspektrum-Antibiotika an den verordneten Anti-Infektiva je nach Land zwischen 16 und 62 Prozent.

Am häufigsten werden diese Wirkstoffe, deren Anwendung oft nicht erforderlich sei, weil auch ein Antibiotikum mit schmalem Spektrum wirksam wäre, in Bulgarien, Italien, Rumänien, Zypern, Spanien, dem Nicht-EU-Land Serbien, Griechenland und Portugal eingesetzt. An neunter Stelle folgt Deutschland – deutlich schlechter als der EU-Durchschnitt.

Außerdem würden häufig nicht nur die falschen Antibiotika verordnet, sondern diese auch noch zu lange angewendet. Das gilt vor allem nach Operationen. Das ECDC kommt zu dem Schluss, dass die goldene Regel weiter gelte: Wer gesund bleiben wolle, müsse sich von Kliniken fernhalten. Denn an jedem Tag zögen sich 15 Patienten in irgendeinem europäischen Krankenhaus eine Infektion zu.

Lesen Sie dazu auch: Ärzte fordern: EU muss den Patienten dienen!

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Gastbeitrag

Österreich bleibt für deutsche Medizinstudierende attraktiv

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Porträt

Felix Michl: Unternehmer, Jurist und Medizinstudent

Lesetipps
Arzt injiziert einem älteren männlichen Patienten in der Klinik eine Influenza-Impfung.

© InsideCreativeHouse / stock.adobe.com

Verbesserter Herzschutz

Influenza-Impfraten erhöhen: So geht’s!