Soziale Probleme

Roboter therapiert Autismus-Patienten

Patienten mit Autismus oder Schizophrenie sollen in der Reha von einem auf ihre sozialen Pathologien individuell zugeschnittenen Avatar profitieren: Die Idee setzen Forscher derzeit um.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Handschlag mit dem alter ego: Die virtuelle Realität macht es möglich.

Handschlag mit dem alter ego: Die virtuelle Realität macht es möglich.

© Konstantin Hermann/stock.adobe.com

MONTPELLIER/KAISERSLAUTERN/PARIS. Schwierigkeiten im Sozialverhalten und der Interaktion mit anderen Menschen sind charakteristisch für soziale Pathologien wie Schizophrenie, Autismus und manische Ängste. Sowohl bei den Patienten als auch deren Mitmenschen verursacht das zumeist viel Leid.

Für diese Zielgruppe entwickelt das europäische Forschungsprojekt "AlterEgo" eine neuartige Rehabilitationsmethode zur Behandlung solcher Defizite unter der Verwendung virtueller Realität und humanoider Roboter. Koordinator des Projekts ist Benoît Bardy, Professor für Bewegungswissenschaften und Direktor des EuroMov-Zentrums an der Universität Montpellier. Beteiligt ist unter anderem das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern.

Vor Kurzem ist das Projektteam bei der fünften Auflage der "Étoiles de l'Europe" im Rahmen des vierten Forums Horizon 2020 in Paris ausgezeichnet worden. Die Veranstaltung stand unter Schirmherrschaft der französischen Forschungsministerin Frédérique Vidal.

Alain Beretz, Generaldirektor für Forschung und Innovation, und Jean Chambaz, Präsident der zur Sorbonne gehörenden Pierre et Marie Curie Universität in Paris und Vorsitzender der European Stars Jury, übergaben die Trophäe für AlterEgo an Bardy.

Theorie der Gleichartigkeit als Basis

Die Grundidee des Forschungsprojekts, an dem Wissenschaftler aus Frankreich, Deutschland, England und der Schweiz gemeinsam arbeiten, beruht laut DFKI auf einer neuen interdisziplinären Theorie im Bereich der Neuro- und Kognitionswissenschaften, der Theorie der Gleichartigkeit.

Diese besagt, dass es einfacher ist mit jemandem sozial zu interagieren, der einem ähnlich ist. Die Ähnlichkeit kann dabei auf der Form und dem Aussehen, dem Verhalten oder der Kinematik – der Art der Bewegung – des Gegenübers beruhen.

Das Konzept von AlterEgo sieht vor, diese Ähnlichkeitsmerkmale in Echtzeit nachzuahmen. Zu Beginn sollen die Patienten mit einem virtuellen Charakter, so das DFKI, auf einem Bildschirm interagieren, später mit einem menschenähnlichen, humanoiden Roboter. Merkmale und Veränderungen des Verhaltens während der Interaktion sollen dabei beobachtet und nach und nach auf den Avatar übertragen werden.

Die Patienten sollen so spielerisch zur Kommunikation mit ihrem Gegenüber angeregt werden. Anhand von mehr oder weniger sozial neutralen, künstlichen Agenten soll die damit entwickelte neue Rehabilitationsmethode die Defizite betroffener Patienten verbessern und die Interaktion mit realen Personen erleichtern.

Die Auswertung der Feldtests habe zeigte, dass eine schrittweise Anpassung der Mischung aus Ähnlich- und Unähnlichkeit erfolgreich in der Therapie ist. Die Patienten beschäftigten sich zunächst spielerisch mit ihrem digitalen Zwilling. Der Avatar werde mit der Zeit dann schrittweise verfremdet und schließlich durch verschiedene Interaktionsszenarien mit dem "iCub", einem humanoiden Roboter aus dem RobotCub-Projekt, ersetzt.

3D-Ganzkörsperscanner im Einsatz

DKFI-Wissenschaftler haben nach Institutsangaben eigens für AlterEgo einen 3D-Ganzkörperscanner für die Erstellung der individuellen Avatare realisiert. "Der Scanner erfasst mit Hilfe von 44 Spiegelreflexkameras in Sekundenbruchteilen Bilder aus allen Perspektiven.

Im Anschluss wird ein virtuelles deformierbares Abbild der Person erstellt", erläutert Professor Didier Stricker, Leiter des am Projekt beteiligten DFKI-Forschungsbereichs Erweiterte Realität.

Das neue Scanning-System ermögliche die Erstellung eines individuell animierbaren Modells einer Person innerhalb kürzester Zeit. Die Scanning-Methoden böten über die Reha-Anwendung hinaus großes Potenzial in weiteren auch nicht-medizinischen Bereichen.

"Die automatisierte Erstellung eines digitalen, dreidimensionalen und beweglichen Avatars lässt sich beispielsweise für Filmproduktionen oder interaktive Computerspiele einsetzen", so Stricker.

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