Deutschland

Gleichzeitig Ärzte-Boom und Ärztemangel

In Deutschland gibt es immer mehr Ärzte - doch es sind immer noch zu wenige. Die neue Ärztestatistik der Bundesärztekammer zeigt Licht und Schatten.

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Noch immer gibt es zu wenige Ärzte in Deutschland, beklagt die Bundesärztekammer.

Noch immer gibt es zu wenige Ärzte in Deutschland, beklagt die Bundesärztekammer.

© Kurhan / fotolia.com

BERLIN. In Deutschland waren 2014 insgesamt 365.247 berufstätige Ärzte gemeldet - und somit so viele wie noch nie. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl um 2,2 Prozent.

Das zeigen die Ergebnisse der neuen Ärztestatistik, die die Bundesärztekammer (BÄK) am Dienstag präsentiert hat.

"Dieses leichte Plus reicht bei Weitem nicht aus, um die Lücken in der medizinischen Versorgung zu schließen, die sich aus der Reihe von gesellschaftlichen Entwicklungen ergeben", kommentierte BÄK-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery die neuen Zahlen.

Ursächlich dafür seien einerseits die alternde Bevölkerung, mehr Morbidität und steigende Behandlungsmöglichkeiten. Andererseits verschöben sich die Prioritäten jüngerer Ärzte: zu mehr Teilzeitarbeit und einer Tätigkeit als angestellter Mediziner.

So hat sich die Zahl der angestellten Ärzte in der ambulanten Medizin weiter auf 26.307 erhöht und erreicht einen Anteil von 17,8 Prozent der ambulant tätigen Ärzte. Ärztinnen arbeiten sogar zu 26,3 Prozent im Angestelltenstatus.

In diesem Zusammenhang weist die Bundesärztekammer auf einen anhaltenden Trend zur Teilzeitarbeit hin - möglicherweise auch eine Folge des steigenden Frauenanteils, der sich binnen Jahresfrist um 0,5 Punkte auf aktuell 45,5 Prozent erhöht hat.

Ausländische Kollegen entlasten deutsche Ärzte

Entlastung erfahren die deutschen Ärzte durch immer mehr ausländische Kollegen: Ihre Zahl stieg im vergangenen Jahr um 11,1 Prozent auf 34.706. Rund zwei Drittel davon stammen aus der EU, überwiegend aus armen Ländern.

Allein im vergangenen Jahr sind 3768 Ärzte aus dem Ausland zugewandert. Hingegen haben 2364 Ärzte Deutschland den Rücken gekehrt. Das ist ein positiver Migrationssaldo von 1404 Ärzten.

Nach Auffassung der BÄK reicht dieser Saldo nicht aus, die Lücken zu schließen. Notwendig sei ein Ausbau der Studienkapazitäten um mindestens zehn Prozent auf dann 11.000 Studienplätze. Besonders dringend benötigt würden Hausärzte.

32 Prozent der verbliebenen 43.206 Allgemeinärzte sind derzeit 60 Jahre und älter. Im Durchschnitt aller Ärzte sind dies nur 15,4 Prozent. Im vergangenen Jahr wurden 1134 Facharztanerkennung für Allgemeinmedizin ausgesprochen - zu wenig, um den Ersatzbedarf zu decken. Der Sachverständigenrat geht von bis zu 3000 jungen Hausärzten aus, die jedes Jahr benötigt werden. (HL/ths)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Eine Statistik mit Licht und Schatten

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Kommentare
Dr. Klaus Günterberg 17.04.201511:47 Uhr

Alter Wein in neuen Schläuchen

Ärztemangel in Deutschland? Altbekannt - ein alter Wein in neuen Schläuchen. Dazu gäbe es viel zu sagen, bspw. zur Demographie der Bevölkerung, zur Demographie und zur Zahl der Ärzte, zur Zahl der nachrückenden Studenten, zur Zu- und Abwanderung von Ärzten, zu neuen ärztlichen Aufgaben, zur Arbeitszeit der Ärzte, zur kürzeren Liegezeit in den Krankenhäusern, zum Einfluss der Informatik auf die ärztliche Arbeit, zur sog. Bedarfsplanung und zu vielen anderen Einflussfaktoren. Das alles würde den Rahmen dieses Forums sprengen, ist aber schon publiziert und mit zugehörigen Zahlen auch nachzulesen: http://www.dr-guenterberg.de/content/publikationen/2011/Landaerzte-120.pdf.

Von besonderer Bedeutung sind mir da einige Aspekte: 1. Die Abwanderung. Gegenwärtig verlassen von zehn in Deutschland ausgebildeten Ärzten drei unser Land. Wir werden es uns wohl dauerhaft nicht leisten können, Fachleute, denen man die längste Ausbildung und das teuerste Studium finanziert hat, in dieser Größenordnung durch Abwanderung zu verlieren.
2. Leistungsbegrenzende Maßnahmen. Man hat vor Jahren auf Drängen der Krankenkassen für die Vertragsärzte sog. „leistungsbegrenzende Maßnahmen“ eingeführt, d.h. von einem bestimmten Umfang an wird Ärzten die Arbeit nicht mehr bezahlt. Vertragsärzte könnten mehr arbeiten, die Maßnahmen erlauben es aber nicht. Da soll man sich heute über einen Ärztemangel nicht beklagen.

Letztlich besteht der einzige sich kurzfristig auswirkende Lösungsansatz gegen den haus- und fachärztlichen Ärztemangel darin, Ärzte von fachfremden und bürokratischen Tätigkeiten zu entlasten, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, leistungsbegrenzende Maßnahmen wieder abzuschaffen und durch bessere Entlohnung den Arztberuf in Deutschland wieder so zu gestalten, dass auch die Abwanderung der Absolventen nachlässt.


Dr. Thomas Georg Schätzler 15.04.201519:34 Uhr

Ärzte-Statistiken für Anfänger und Fortgeschrittene?

Im April letzten Jahres hatte Florian Lanz als Sprecher des Spitzenverbandes Bund (SpiBu) der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Kassen) noch ziemlich unintelligent getwittert: "Selbst wenn hinter jedem Versicherten ein Arzt stünde, würden KBV und BÄK die Legende vom Ärztemangel erzählen": Als Antwort auf die damals gerade publizierte Ärztestatistik der Bundesärztekammer (BÄK) völlig deplatziert und demagogisch. Es sei heuer nicht nur dem SpiBu dringend angeraten, das diesjährig veröffentlichte Zahlenwerk der BÄK erstmal genau zu lesen, um dann zu versuchen, es zu verstehen. Erst danach sollte man evtl. jemanden fragen, der sich damit auskennt.

Zum Ende 2014 gab die Bundesärztekammer (BÄK) 365.200 berufstätige Ärztinnen und Ärzte mit den unterschiedlichsten, auch völlig berufsfremden oder nicht-ärztlichen Tätigkeitsmerkmalen an. Zum Ende des Jahres 2013 waren dies 357.200. Im Ruhestand bzw. o h n e Tätigkeit waren laut aktuellen Zahlen 115.900 (113.000) - Vorjahreszahlen immer in Klammern. Im gesamten a m b u l a n t e n Bereich waren 147.900 (145.900) tätig. Der stationäre, klinische Bereich hatte sich wegen zunehmender Arbeitsteilung, Spezialisierung und Teilzeittätigkeit auf 186.300 (181.000) Kolleginnen und Kollegen besonders erhöht. In Behörden oder Körperschaften arbeiteten 9.800 (9.600), in anderen Bereichen 21.200 (20.000).

Doch als niedergelassene (Vertrags)-Ärzte arbeiteten im Jahr 2014 aber nur noch 121.600 statt 123.600 Kolleginnen und Kollegen in 2013 für die 81 Millionen Einwohner in Deutschland: Dieser deutliche R ü c k g a n g belegt die gesunkene Niederlassungs- und Risikobereitschaft. Dabei handelt es sich n i c h t nur und ausschließlich um die Versorgerpraxen für GKV-Patienten, sondern auch um alle rein privat-ärztlich Niedergelassenen. Zeitgleich hat die Zahl der angestellten Ärzte-/-innen in diesem Bereich zum Ende 2014 auf 26.300 zugelegt, ohne zwischen Voll- und Teilzeit differenzieren zu können.

Berücksichtigt werden muss bei Arzt-Statistiken der BÄK, dass a l l e Ärztinnen und Ärzte, die jemals eine Approbation in Deutschland erhalten haben und noch nicht verstorben sind, mitgezählt werden. Auch diejenigen, die dauerhaft im Ausland leben oder arbeiten.

Den Medien, der Politik, der Öffentlichkeit und den GKV-Vertragspartnern ins Stammbuch geschrieben: In Deutschland kamen zum Ende 2013 auf einen niedergelassenen GKV-Vertragsarzt/-ärztin 690 Einwohner. Zum Ende 2014 hat sich diese Verhältniszahl nicht verbessert, sondern v e r s c h l e c h t e r t !
Jetzt kommt auf über 700 Einwohner ein einziger niedergelassener GKV-Vertragsarzt (unter Berücksichtigung, dass maximal 5 Prozent der Niedergelassenen rein privatärztlich tätig sind).

Im hausärztlich-allgemeinmedizinisch-internistischen Versorgungsbereich sieht es absolut düster aus: Selbst im Dortmunder Zentrum wurden in den letzten Jahren vier allgemeinmedizinische Praxen, davon eine rein privatärztliche, ohne Nachfolge ersatzlos aufgegeben. Mehrarbeit und Versorgungsauftrag ließen sich gerade noch auf viele niedergelassene Vertragsärzte verteilen. Aber dass niemand mehr die Mühen und Risiken bzw. Chancen und professionelle Erfüllung auf sich nehmen möchte, primärversorgend umfassend hausärztlich tätig zu werden, stimmt mehr als bedenklich für die Zukunft des Arztberufs.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Quelle: http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Stat14AbbTab.pdf


Dr. Claus Kühnert 14.04.201520:01 Uhr

"Ärzte, Verstand, Anstand, Umstände, Unverständnis..."

Beim Blick auf das obige Bild zweifle ich am Verstand oder besser Anstand der Damen und Herren Kollegen, falls es solche sind, und dem der Fotografen, die so etwas ablichten! Hat es unsere heutige (moderne) Ärzteschaft nötig, sich permanent durch das "Umhängen des Stethoskops" zum Affen zu machen oder gemacht zu werden?
Das gleich niedrige Niveau zeichnet sich seit Jahren mehr oder minder häufig im Anzeigenteil des "Deutschen Ärzteblatt". Wieviele Traumtänzer leben denn immernoch in irgendwelchen amerikanischen "Arztserien o.Ä." von anno dunnemal?
Unsere Probleme liegen doch (s. Text) auf einem anderen Level. Wie wäre es mal darüber nachzudenken, warum so viele Kollegen unser "gelobtes Land" verlassen und wo die eigentlichen Defizite liegen:
Studien- und Ausbildungsbedingungen; Auswahl der Studienanwärter bzw. -bewerber nach medizinischer Vorbildung, persönlichem Engagement, Eignung (Berufseinstellung) etc. und nicht (nur) nach dem "numerus clausus". Wir brauchen keine Pauker, sondern praxisorientierte, hochmotivierte künftige ÄRZTE + WISSENSCHAFTLER mit Liebe zum Beruf, hohem Engagement und Einsatzbereitschaft auch einmal über das geforderte Maß, d.h. nicht nur immer an Freizeit und Spaß denkend.
Wir brauchen Ärzte, die Grundlagenwissen der Medizin miteinander verknüpfen können, um zur Diagnose zu gelangen und keine Vorbeter von gebüffeltem Wissen.

MfG dokuet




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