Big Data
Ein ethischer Rahmen für Vernetzung
Über Big-Data-Ansätze sollen Forschungs-, Versorgungs- und Patientenwelt besser vernetzt werden. Doch wie weit dürfen Datenanalysen reichen? Und in welchen Händen sollte die Infrastruktur liegen? Der Ethikrat hat hier konkrete Vorstellungen.
Veröffentlicht:Big Data ist das Schlagwort der modernen Datenverarbeitung. Davon soll auch das Gesundheitswesen profitieren. Doch um die Potenziale von Big Data zu realisieren, sei "eine möglichst reibungsfreie Kooperation" zwischen zahlreichen Akteuren aus der klinischen Praxis, medizinbezogenen Grundlagenforschung, Unternehmen aus dem Gesundheitssektor und individuellen Datengebern nötig, wie der Deutsche Ethikrat richtig erkennt. Der Rat benennt in seiner Stellungnahme "Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung" auch die Knackpunkte dieser Kooperation.
Praxen sollen teilhaben
Denn Big Data ist erst einmal nichts anderes als die Verarbeitung großer, oft komplexer Datenmengen aus ganz unterschiedlichen Quellen. Über bestimmte Algorithmen sollen aus diesen Daten Erkenntnisse für die gesundheitliche Versorgung gezogen werden. Ethisch gesehen heikel – aber eine Chance, Forschung versorgungsnaher und individueller zu gestalten.
Dabei sollen Arztpraxen durchaus an den Datenstrom angeschlossen werden – als Datengeber und als Datenempfänger für eine gezieltere Diagnostik und Therapie. Aber gerade auch Patienten sollen direkt Gesundheitsdaten für die Großauswertung liefern.
Eine wichtige Grundvoraussetzung ist für den Ethikrat, dass die Datensouveränität des Einzelnen erhalten bleibt und es zu keiner Diskriminierung oder Benachteiligung einzelner Individuen kommt. Etwa wenn Krankenversicherer Personen, die keine Daten liefern wollen, von Leistungen ausschließen. Hier müsse das Datenschutzrecht entsprechend weiterentwickelt werden. Es müsse gleichzeitig aber ein innovationsoffenes Regelungskonzept geschaffen werden.
Hilfsmittel EU-Verordnung?
Hier hat die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung, die ab dem 25. Mai 2018 gilt, tatsächlich bereits vorgegriffen: Sie verlangt, dass vor jeglicher Datenverarbeitung eine Einwilligung beim Betroffenen eingeholt wird, die vor allem auch verständlich ist. Für wissenschaftliche Zwecke darf davon mitunter abgewichen werden, sofern die Interessen des Verantwortlichen für die Datenverarbeitung die Interessen der betroffenen Person an seinem Ausschluss "erheblich überwiegen". Allerdings gilt die Regel, dass Daten so weit wie möglich zu anonymisieren oder zumindest pseudonymisieren sind. Der Ethikrat fordert ebenso, dass jedes System, das personenbezogene Daten sammelt, auch in der Lage sein muss, diese wieder zu löschen. Auch dies hat die EU-Datenschutz-Grundverordnung längst aufgenommen. Privatpersonen werden in ihrem Recht auf Löschung von Daten explizit gestärkt.
Dabei ist der Ansatz des Ethikrates, außerdem Dokumentationspflichten zur Nachverfolgbarkeit von Daten einzuführen, nicht verkehrt: Denn gerade bei Forschungsdaten sollte sichergestellt werden, dass die verarbeiteten Daten nicht an irgendeiner Stelle manipuliert wurden.
Entscheidend für die Sicherheit und Qualität der Daten sind aber auch drei andere Punkte:
- Der Ethikrat fordert klar einheitliche Standards für die Datenformate. Etwas worauf gerade Arztpraxen beim Austausch von Daten mit Kollegen nach wie vor warten. Und diese sollten international gelten. Nur so sei eine adäquate Zusammenführung von Daten aus unterschiedlichen Quellen möglich – Stichwort Interoperabilität.
- Es müsse ein kooperatives Datenmanagement geben. Das heißt, der Ethikrat spricht sich indirekt gegen die vielen aufkommenden Insellösungen aus. Die bestehenden Initiativen effizienter Kommunikations- und Kollaborationsstrukturen sollten gebündelt werden, heißt es in der Stellungnahme. Dabei sei auf eine geeignete Schnittstelle zur Telematikinfrastruktur und eine Verzahnung mit der weiteren durch das E-Health-Gesetz geplanten Vernetzung zu achten.
- Die notwendige Infrastruktur für Big Data soll nach dem Wunsch des Ethikrates nicht in privatwirtschaftlicher Hand liegen. Die öffentliche Hand sollte dafür sorgen, dass eine derartige Infrastruktur – insbesondere für die klinische Praxis und medizinische Grundlagenforschung – mit angemessenen Zugangsmöglichkeiten und öffentlicher Kontrolle geschaffen und auch weiterentwickelt werde.
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