Baden-Württemberg

Chroniker profitieren von HzV am stärksten

Die im Vergleich zur Regelversorgung intensivere Betreuung in der hausarztzentrierten Versorgung erreicht vor allem chronisch kranke und ältere Patienten. Das ergab eine wissenschaftliche Auswertung. Ein entscheidendes Element ist die Versorgungsassistentin VERAH.

Von Jürgen Stoschek und Florian StaeckFlorian Staeck Veröffentlicht:
Das Impfmanagement gehört zu den häufig genannten Aufgaben der Versorgungsassistentin VERAH.

Das Impfmanagement gehört zu den häufig genannten Aufgaben der Versorgungsassistentin VERAH.

© Klaus Rose

BERLIN. Vor allem chronisch kranke und ältere Patienten werden in der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) in Baden-Württemberg besser versorgt. Das zeigen Evaluationsergebnisse der Universitäten Frankfurt und Heidelberg, die am Dienstag in Berlin vorgestellt worden sind.

Die bereits bei der ersten wissenschaftlichen Untersuchung für die Jahre 2008 bis 2010 festgestellten positiven Trends haben sich 2011 und 2012 verstetigt, erklärte Professor Ferdinand M. Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Universität Frankfurt/Main.

Dies werde unter anderem deutlich durch einen zielgerichteten Einsatz von Medikamenten, weniger vermeidbare Klinikeinweisungen und eine bessere Versorgung geriatrischer Patienten, erklärte Gerlach.

So habe die intensivere Betreuung in der HzV dazu beigetragen, jährlich mehr als 4500 Krankenhauseinweisungen etwa wegen Harnwegsinfekten, Pneumonie oder Diabetes zu vermeiden.

Weniger überflüssige Behandlungen

Diese Ergebnisse seien kein Zufall, sondern Folge einer intensiveren Arzt-Patienten-Beziehung in der HzV, sagte Professor Joachim Szecsenyi, Ärztlicher Direktor der Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Heidelberg.

So hätten HzV-Patienten durchschnittlich pro Jahr drei Hausarztkontakte mehr als Versicherte in der Regelversorgung. Zugleich sei die Zahl überflüssiger Behandlungen - gemessen an unkoordinierten Facharztkontakten - geringer als im KV-System.

Ältere Patienten seien in der HzV "gut aufgehoben", resümierte Gerlach. So seien HzV-Versicherten "in deutlich geringerem Umfang Neuroleptika außerhalb der zugelassenen Indikationen verschrieben worden als in der Kontrollgruppe". Die Untersuchungen hätten eine "relative Risikoreduktion um über 20 Prozent ergeben".

Zu dem Ergebnis beigetragen haben dürfte auch die Tatsache, dass HzV-Versicherte vor allem ihren persönlichen Hausarzt konsultieren, deutlich seltener dagegen unterschiedliche Hausärzte (HzV: 32 Prozent versus Nicht-HzV: 47,4 Prozent).

Zurückgegangen ist auch die Zahl der Facharztkonsultationen mit Überweisung. In der HzV-Gruppe wurde pro Quartal ein Facharztkontakt weniger registriert als in der Kontrollgruppe.

Generell gilt für die HzV, dass die Teilnahmequoten chronisch kranker Versicherter in einem DMP viel höher sind als in der Regelversorgung. So waren von den älteren HzV-Patienten mit Diabetes 74 Prozent im DMP eingeschrieben, in der Kontrollgruppe 50 Prozent. Und die Versorgungsqualität ist höher - ein Beispiel.

So wurden 59,7 Prozent der Patienten in der HzV beim Augenarzt vorgestellt, in der Kontrollgruppe waren es 53,2 Prozent. Insgesamt war auch der Anteil der Patienten mit Diabetes Typ 2, die ins Krankenhaus eingewiesen werden mussten, geringer als in der Regelversorgung (HzV: 33,5 Prozent versus Nicht-HzV: 36,0 Prozent).

Auch die Arzneimittelverordnung erfolge im Vergleich zur Regelversorgung zielgerichteter, mit dem Ergebnis, dass um ein Drittel weniger Medikamente verschrieben wurden.

"Die Pharmatherapiekosten im ambulanten Bereich waren für die HzV-Versicherten pro Jahr und Patient schon ohne Rabattberücksichtigung über 100 Euro geringer als in der Regelversorgung", so Szecsenyi.

VERAH ein Element der Betreuung

Die Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis (VERAH) erreicht im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung die Patienten, für deren Betreuung sie auch vorgesehen ist. Auch das geht aus der Evaluation der HzV durch die Wissenschaftler aus Frankfurt und Heidelberg hervor.

Dazu wurden Protokolle von VERAH-Tätigkeiten bei 3898 Patienten aus 81 Hausarztpraxen ausgewertet.

Rund 15 Prozent der untersuchten Leistungen wurden im Rahmen von Hausbesuchen durch die Versorgungsassistentin erbracht. "Die von VERAH betreuten Patienten waren älter als Patienten in der Gesamt-HzV, etwa 60 Prozent waren über 65 Jahre, ein Fünftel über 80 Jahre alt", heißt es im Evaluationsbericht.

Die speziell fortgebildeten MFA übernehmen dabei nach Angaben der Wissenschaftler vor allem Tätigkeiten, die im Praxisalltag oft zu kurz kommen. Dies betrifft beispielsweise das Medikamentenmanagement. Dabei geht es unter anderem um den Abgleich des Medikationsplans oder um Einnahmehinweise.

Bei rund einem Drittel der Patienten nahm sich die VERAH dafür mehr als zehn Minuten Zeit. Weitere häufige Tätigkeiten der Assistentinnen betrafen das Wundmanagement (9,7 Prozent) oder das Impfmanagement (9,5 Prozent).

Als weiteren Pluspunkt der Arbeit von VERAHs wird hervorgehoben, dass sie als Ansprechpartner der Patienten auch Absprachen mit anderen Versorgern wie etwa dem Pflegedienst übernehmen. Insofern trügen die Versorgungsassistentinnen dazu bei, "Schnittstellen zu anderen Einrichtungen im Gesundheitswesen zu überbrücken", heißt es.

1,25 Millionen Patienten nehmen am Hausarztvertrag teil

Am seit sechs Jahren laufenden Hausarztvertrag der AOK Baden-Württemberg, des baden-württembergischen Hausärzteverbandes und des Medi-Verbunds Baden-Württemberg nehmen inzwischen 1,25 Millionen AOK-Versicherte sowie 3826 Hausärzte teil.

Allein 2013 habe die Kasse über 300 Millionen Euro in den Vertrag investiert, sagte AOK-Vorstandschef Dr. Christopher Hermann.

Im Zusammenspiel mit mehreren Facharztverträgen zeige sich, "dass bessere Patientenversorgung und Wirtschaftlichkeit - richtig gemacht - zwei Seiten einer Medaille sind", so Hermann.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kommentar zur HzV: Keine Eintagsfliege

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Kommentare
Dr. Dr. Cornelia Bauch 11.09.201410:43 Uhr

Bessere Versorgung im HZV und in der VERAH-Versorgung

Uns erreichte von Dr. Hans-Joachim Nagel folgender Leserbrief:

Der Artikel und der Kommentar verdienen einige kritische Anmerkungen. Zum VERAH Prinzip: es ist schon merkwürdig, wenn hier die Medikamentenüberwachung hochgelobt wird. Sind es doch dieselben Kassen, die uns mit steter Regelmäßigkeit schreiben, dass sie diese oder jenen medikamentöse Verordnung durch die Person des medizinischen Pflegedienstes nicht zwei- oder dreimal täglich genehmigen können.

Ich habe nichts gegen gut ausgebildetes Personal und habe solches auch ohne VERAH in meiner Praxis. Aber grundsätzlich warne ich vor zu viel Kompetenz für selbiges, da die Delegation von medizinischen Leistungen an nichtärztliches Personal zwar vielleicht für den Arzt entlastend sein kann, bezüglich der Haftung aber äußerst problematisch ist.

Zur Lobpreisung der HZV denke ich folgendes: Diese Untersuchung zeigt nur, dass Patienten, die zuerst den Hausarzt aufsuchen besser versorgt sind, was grundsätzlich auch außerhalb des HZV möglich ist. Ich warne meine Patienten aber immer davor, wenn eine Krankenkasse sagt, wie es billiger und besser gehen kann, denn eine Krankenkasse ist per se eine Versicherung, und eine Versicherung lebt nun mal davon, viel an Beiträgen einzunehmen und davon möglichst wenig wieder auszugeben. Jeder, dem einmal eine Reha-Maßnahme abgelehnt wurde, wird mir zustimmen. Ich sehe mich jedenfalls lieber als freier "Anwalt" meiner mir anvertrauten und vertrauenden Patienten als als verlängerter Arm der Krankenkassen.

Zum Schluss noch eine kritische Anmerkung zu den DMP. Sie können natürlich leicht belegen, dass Patienten in den DMP besser versorgt sind. Wenn Sie sich aber kritisch fragen, welche Patienten in den DMP''s drin sind, nämlich die ohnehin motivierten, die anderen brechen ab oder fliegen raus, so wird Ihnen schnell klar, auf welch tönernen Füßen dieser Beweis steht.

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