Terminservicestellen

Ein Klotz am Bein der KVen

Neue Bürokratie produziert die große Koalition mit den Terminservicestellen. Das Wartezeiten-Management dürfte viele Kapazitäten bei den KVen binden.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Bis Patienten zum Arzt gelangen, ist meist warten angesagt. Die Regierung will durch Termineservicestellen die Wartezeit auf einen Termin verkürzen.

Bis Patienten zum Arzt gelangen, ist meist warten angesagt. Die Regierung will durch Termineservicestellen die Wartezeit auf einen Termin verkürzen.

© Robert Kneschke / Fotolia

BERLIN. Der Sicherstellungsauftrag der KVen wird teurer: Das wird insbesondere an den umstrittenen Terminservicestellen deutlich, die von den Körperschaften eingerichtet werden müssen.

Sie sind gleichsam der Preis dafür, dass die SPD sich in den Koalitionsverhandlungen nicht mit dem Konzept der Bürgerversicherung durchsetzen konnte.

Als Antidot gegen die unterschiedlichen Wartezeiten bei GKV- und PKV-Versicherten blieb die Terminvermittlungsstelle als kleinster gemeinsamer Kompromiss übrig.

Noch viel Kopfzerbrechen

Doch dieser wird der Koalition und der Selbstverwaltung noch Kopfzerbrechen machen. Denn der Regierungsentwurf gibt nur einen Rahmen vor. Die verbleibenden Leerstellen auszufüllen wird Job der Selbstverwaltung sein.

Was fordert der Gesetzgeber? Bringt ein Versicherter eine Überweisung mit, muss die Servicestelle ihm binnen einer Woche einen Behandlungstermin verschaffen.

Die Wartezeit darf vier Wochen nicht überschreiten. Gelingt das nicht, muss die Servicestelle dem Versicherten einen ambulanten Behandlungstermin in einem Krankenhaus anbieten. Der bloße Hinweis auf die Behandlung im stationären Sektor reicht nicht.

Hier beginnen die Fragen: Wie erfährt eine Terminvermittlungsstelle von freien Kapazitäten in einer Klinik? Muss für die Behandlung Facharztstandard gewährleistet sein?

Gelten soll die Vermittlungspflicht ins Krankenhaus nicht bei "verschiebbaren Routineuntersuchungen und in Fällen von Bagatellerkrankungen".

Was ist eine "Bagatelle"?

Im Bundesmantelvertrag, der zwischen KBV und GKV-Spitzenverband geschlossen wird, soll geklärt werden, was eine "Bagatelle" ist. Das Vorhaben gilt als brisant und könnte den Einstieg in eine Priorisierung nach sich ziehen.

Unklar ist auch die Vorgabe, die Entfernung zwischen dem Wohnort des Patienten und dem vermittelten Facharzt müsse "zumutbar" sein.

Dabei, heißt es in den Gesetzeserläuterungen, muss nach der Facharztgruppe, nach der typischen Patientenklientel, die eine Leistung in Anspruch nimmt, differenziert werden - also beispielsweise gebrechliche Patienten.

Schließlich gilt auch die Art der Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln als Faktor, der über die "Zumutbarkeit" im Einzelfall entscheidet.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Etablierung der Servicestellen einmalig zwischen 13 bis 20 Millionen Euro kostet.

Bei "mittlerer Inanspruchnahme" der Vermittlungsstellen entstehen nach Regierungsmeinung bundesweit laufende Kosten in Höhe von 16 bis 20 Millionen Euro .

Doch wie viele Patienten werden kommen? Die KV Baden-Württemberg etwa geht von jährlich 15.000 bis 150.000 Patienten aus. Wie soll eine KV auf dieser Basis Personal vorhalten?

Kein Wunder, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt hat, die Servicestellen in Kooperation mit den Kassen zu betreiben. Erst ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des VSG müssen die neuen Einrichtungen etabliert sein.

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Kommentare
Carsten Windt 09.01.201507:40 Uhr

nützlicher Einstieg in eine Zukunft der Reglementierung

Die Neuregelung kann Wartezeiten nicht abschaffen, dass würde nämlich bedeuten, dass das Gro der Ärzte nicht arbeitet und lieber auf dem Golfplatz rumläuft als Patienten zu behandeln.

Wartezeiten entstehen auch nicht weil es Privatpatienten gibt, zumal im Akutfall jeder eine Behandlung ohne Wartezeiten bekommt. Die Resource Arzt ist nunmal begrenzt und für Ihn hat der Tag auch nur 24 Stunden.

Nein die Terminvergabestellen werden scheitern, viel Geld kosten und letztlich das Problem in keiner weise lösen... Wäre da nicht die Chance in der Krise. Wenn man dem Problem nicht Herr wird, dann muss das System geändert werden.
Also Weg mit freier Arztwahl und auf keinem Fall darf es noch eine Zweitmeinung geben. Wir haben schliesslich die E-Card, da steht schon alles drauf und mehr braucht Arzt auch nicht.....

Dr. Rüdiger Storm 08.01.201513:54 Uhr

Eine schöne Lösung

Die hübsche Kopfgeburt der Politik nimmt Fahrt auf, wie dort die Abläufe so sind, wird selbst bei offensichtlichen Unfug und viel Bürokratie das Ding nicht mehr gestoppt.

Versprochen ist versprochen.

Da sollten sich die Gesundheitspolitiker zu eine Pflichtpraxiswoche auf der Rettungsstelle anmelden, damit sie mitbekommen mit was für "schweren" Fällen diese jetzt schon überschwemmt werden.

So sollen also nun weitere in die Klinik zur ambulanten Versorgung geschickt werden. Wie diese auch immer geschehen soll.

Dr. Edmund Farrenkopf 08.01.201513:24 Uhr

Terminservicestellen

Politischer Krampf ohne Ende. Die schwindende Zahl der Praxen, besonders auf dem Land, wird sich damit nicht ändern, somit auch die Kapazität der Praxen nicht. Inkompetente Politiker!

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