Viele PKV-Tarife mit großen Leistungslücken

BERLIN (sun/eb). Viele Tarife der privaten Krankenversicherung (PKV) haben zum Teil erhebliche Leistungsausschlüsse, die die Versicherten im Krankheitsfall empfindlich treffen können.

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Privatversicherte müssen aufpassen, ob etwa Anschlussheilbehandlungen im Tarif inbegriffen sind.

Privatversicherte müssen aufpassen, ob etwa Anschlussheilbehandlungen im Tarif inbegriffen sind.

© Kzenon / fotolia.com

Das hat eine aktuelle Studie des Kieler Gesundheitsökonomen Thomas Drabinski und der Frankfurter Beratungsfirma PremiumCircle ergeben, über die der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.

"Mehr als 80 Prozent der Tarifsysteme der PKV leisten weniger als die gesetzliche Krankenversicherung", sagte PremiumCircle-Chef Claus-Dieter Gorr dem Bericht zufolge. Dabei gehe es um Angebote, die in der gesetzlichen Krankenversicherung fest verankert seien, wie etwa die häusliche Krankenpflege oder sogenannte Hilfsmitteldeklarationen ohne Einschränkungen.

"Tarife wurden nicht bedarfsgerecht für Endkunden entwickelt, sondern unter der Prämisse", wie sie bei Preisvergleichen "abschneiden würden", so die Studie.

Besonders problematisch finden die Studienautoren, dass viele Versicherungen nur eingeschränkt Anschlussheilbehandlungen, Psychotherapien oder wichtige medizinische Hilfsmittel übernehmen. "Die Branche sollte sich auf einen Mindestversicherungsschutz einigen", sagt Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Union.

In einer Stellungnahme hob PKV-Verbandsdirektor Dr. Volker Leienbach die Wahlfreiheit in der PKV hervor. "Jeder Versicherte sollte dabei darauf achten, dass er keine für ihn persönlich wichtigen Leistungen ausschließt.

Eine notwendige Voraussetzung dafür, dass dies nicht passiert, ist natürlich eine gute Beratung", räumte Leienbach ein. Die Versicherten hätten auf den bei Vertragsabschluss vereinbarten Leistungsumfang einen Rechtsanspruch.

Der Versicherungsschutz könne weder vom Unternehmen gekündigt oder eingeschränkt werden, noch könne wie in der GKV die Politik Einfluss darauf nehmen. Die Studienautoren klagen dagegen über mangelnde Transparenz im Tarifdschungel.

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Kommentare
Carsten Windt 13.06.201221:17 Uhr

Viel Licht viel Schatten

Die genannte Studie zeigt eine Hilflosigkeit der "Tester". Unbestritten gibt es Leistungsunterschiede zwischen GKV und PKV. Total verkannt wird aber, dass die GKV nur ein unbestimmtes Leistungsversprechen kennt.
Je nach Kassenlage werden ganze Bereiche ausgegrenzt und der GKV-Versicherte muss diese Leistungen allein tragen. Die demografische Entwicklung wird in den nächsten Jahr(zehnten) hier verschärfend wirken. Die Frage ob ein Rentner noch ein künstliches Hüftgelenk erstattet bekommt (wie in den vergangen Jahren von einigen Politikern diskutiert wurde) stellt sich dann nicht mehr. Man wird die gesetzliche Versicherung auf eine Basisversicherung zurückführen müssen, sofern nicht grundsätzlich die Finanzierung überdacht wird.
Was bringt also die Studie? Sie zeigt, dass aktuell PKV-Tarife "Lücken" gegenüber dem Sachleistungskatalog der GKV aufweisen, welche aber von vielen Versicherten überhaupt nicht wahrgenommen oder nicht als wichtig eingestuft werden. Dagegen hat aber der privat Versicherte einen garantierten Versicherungsschutz der weder durch Politik noch durch den Versicherer eingeschränkt werden kann.

In einer Hinsicht sind die Aussagen der Studie grundsätzlich richtig. Der richtige Versicherungsschutz hängt von einer guten Beratung und der Bereitschaft die richtige Leistung einzukaufen. In der Praxis muss ich allerdings immer wieder feststellen, dass nur "Geiz ist Geil" für die Interessenten wichtig ist nicht aber ernsthaftes Interesse von Vorsorge. Umso erstaunlicher, dass die gleichen Menschen häufig z.B. Handytarife vergleichen um maximale Leistung herauszuholen und dabei im Vergleich wenig sparen.
In letzter Zeit sind am Markt sogennte Versicherungsberater, die auf Teufel komm raus die Beiträge optimieren und Tarifwechsel forcieren, die regelmäßig zu deutlichen Leistungseinschränkungen führen.

Dr. Thomas Georg Schätzler 10.06.201222:53 Uhr

PKV-Mängelliste !

Die privaten Krankenversicherungen (PKV) bleiben wenig schwingungsfähig. Denn Kooperation statt Konfrontation wäre angesichts der bundes- und landespolitischen bzw. juristischen Konstellationen dringend angeraten.

Sonst gerät die gesamte PKV-Branche bei schwindendem CDU/CSU-Beistand und konkreter Verärgerung des gesundheitspolitischen Sprechers und CDU-MdB Jens Spahn in massive Erklärungsnot. Und FDP-Parteivorsitzender "Fipsi" Rösler, wie er im ZDF bei ''Neues aus der Anstalt'' ironisiert wurde, kann ihnen als glückloser Wirtschaftsminister nur noch schaden.

Im Schaden zufügen hat PKV-Verbandsdirektor Dr. Volker Leienbach noch einiges auf der Pfanne. Seine Betonung der Wahlfreiheit in der PKV, "jeder Versicherte sollte dabei darauf achten, dass er keine für ihn persönlich wichtigen Leistungen ausschließt" bedeutet im Klartext: Der Versicherte muss bereits bei Vertragsabschluss im Voraus wissen, welche schwerwiegenden Erkrankungen ("dread diseases") ihn zukünftig ereilen werden und was ihn dann an Leistungsausschlüssen womöglich niederstreckt. "Voraussetzung ... ist natürlich eine gute Beratung", räumte Leienbach ohne Umschweife ein. Gerade so, als würde die PKV ausgerechnet bei Vertragsabschluss besonders intensiv und umfassend über ihre Taktiken zum geschickten Verstecken von Leistungsausschlüssen informieren.

Es bleibt eine nach oben offene Mängelliste:

• unbeschränkte Risiko- und Morbiditätsselektion
• beliebige Beitragserhöhungen ohne BWA und BaFin-Prüfungen
• kein Kontrahierungszwang
• keine Familientarife oder Rabatte bei kompletter Familienversicherung
• keine Übertragbarkeit von Altersrückstellungen
• keine dynamisierte Ausschüttung der Altersrückstellungen
• keine Bilanzierung der Selbstbeteiligung der Versicherten
• keine amtliche Kontrolle von Lockvogelangeboten
• kein Zwang zur Einhaltung von GKV-Minimalstandards
• kein Wechsel von PKV zu GKV mit den PKV-Altersrückstellungen
• keine uneingeschränkte Kostenübernahme für AHB, REHA, Psychotherapie, besondere medizinische Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege, häusliche Betreuung erkrankter Kinder.

Mf+kG, Dr.med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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