Niedersachsen

AOK-Vertrag zur Versorgung von Burn-out-Patienten stockt

Immer mehr Menschen sind wegen seelischer Leiden krank geschrieben. Damit die Wartezeiten für die psychotherapeutische Versorgung der Betroffenen nicht zu lang werden, zahlt die AOK in Niedersachsen mehr Geld an Hausärzte und Psychotherapeuten. Doch noch wird der Vertrag kaum angenommen.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:

HANNOVER. Niedersachsens Psychotherapeuten und Hausärzte sollen Depressions- und Burn-out-Patienten zukünftig eher und schneller behandeln. So will es ein Vertrag zwischen der AOK Niedersachsen und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN).

Ob der Vertrag Erfolg haben wird, ist ungewiss. Zwar wird den Therapeuten mehr Geld angeboten, wenn sie zusätzliche Patienten rasch versorgen. Zusätzlich zahlt die AOK eine Prämie, wenn die Therapeuten besonders kurz behandeln.

Trotz allem ziehen die Ärzte und Psychotherapeuten im Land bisher nicht mit bei dem AOK-KVN-Vertrag. Bisher haben sich nach Auskunft der AOK Niedersachsen 505 Hausärzte und 92 Fachärzte und Psychotherapeuten eingeschrieben.

"Wahrscheinlich ist auch die Urlaubszeit an der verhaltenen Nachfrage schuld", vermutet Carsten Sievers, Sprecher der AOK. "Nach den Sommerferien wird es einen Schub geben."

Das Versorgungsproblem indessen liegt auf der Hand: 2012 war jeder zehnte Arbeitnehmer mit AU-Tagen im Nordwesten wegen seelischer Leiden krank geschrieben.

Die AOK Niedersachsen zählt jährlich rund 40.000 Behandlungen von Depressionen. Derzeit dauert es in Niedersachsen aber zwölf Wochen bis zum Erstgespräch und 17 Wochen bis zum Therapiebeginn.

Zwei Wochen bis zum Behandlungsbeginn

Laut Vertrag sollen Depressionspatienten bei den eingeschriebenen Ärzten und Psychotherapeuten im Laufe von zwei Wochen mit einer Behandlung beginnen können.

Leicht Erkrankte können von Hausärzten mit der entsprechenden Zusatzausbildung behandelt, schwerer Erkrankte sollen an Fachärzte und Psychotherapeuten überwiesen werden.

Für die behandelnden Ärzte sind zusätzliche Erlöse pro Patient von 115 Euro bei Hausärzten, 175 Euro bei Fachärzten und 250 Euro bei Psychotherapeuten möglich.

Allerdings sind für die Hausärzte die Behandlungsschritte vorgeschrieben. 50 Euro "Stabilisierungspauschale" erhalten die Behandler, wenn die Behandlung nach zehn Terminen beendet ist und der Patient im Laufe eines halben Jahres nicht wieder wegen der gleichen Erkrankung der Arbeit fern bleiben und versorgt werden muss.

"Wir rechnen mit jährlich rund zehn Millionen Euro für das Programm, die wir aus unseren Überschüssen zahlen werden", sagt AOK-Sprecher Sievers.

Der Vertrag sei also nicht dazu gedacht, bei den Krankschreibungen Geld zu sparen, versichert Sievers: "Was wir investieren, könnte niemals durch weniger Arbeitsunfähigkeitstage wir herein geholt werden."

Genügen zehn Behandlungseinheiten?

Die Niedersächsische Psychotherapeutenkammer (PKNDS) lobte und kritisierte das Projekt. "Es ist gut, wenn die Wartezeiten auf einen Therapieplatz verkürzt werden", sagt die Geschäftsführerin der Kammer, Susanne Passow, der "Ärzte Zeitung".

"Allerdings glauben wir nicht, dass zehn Behandlungseinheiten je genügen werden, um eine Heilung herbei zu führen." Tatsächlich dauern Psychotherapien nach Angaben der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) erheblich länger, mehrere Studien haben etwa 25 bis 50 Behandlungsstunden pro Patient ermittelt.

Zusätzlich zum Pilotprojekt von AOK Niedersachsen und KVN sollen im Land im Zuge der neuen Bedarfsplanung 75 weitere Kassensitze für Psychotherapeuten entstehen, um die Versorgung zu verbessern. Derzeit sind 1586 Psychotherapeuten in Niedersachsen zugelassen.

Die Psychotherapeutenkammer dagegen fordert mindestens 300 neue Sitze. Diesem Vorschlag dürfte die KVN kaum nachgeben. Denn von den Niedersächsischen Psychotherapeuten mit ganzem Kassensitz sind füllen keineswegs alle ihren Sitz auch aus.

Viele arbeiten auch Teilzeit - was den Mangel an Therapiestunden verschärft. Die KV Niedersachsen bestätigt das Problem, kann aber noch keine Zahlen nennen. "Derzeit läuft eine Systemabfrage", erklärt KVN-Sprecher Köster.

"Inzwischen haben viele Psychotherapeuten einen haben Sitz abgegeben und wir schreiben zudem vermehrt halbe Versorgungsaufträge aus", so Köster.

Läuft das Projekt mit der AOK gut, soll auch mit anderen Kassen über andere Indikationen verhandelt werden.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 09.08.201321:22 Uhr

AOK: "Come in and burn out"?

Das Burn-Out-Syndrom ist wie der Name schon sagt, k e i n e idiopathische Krankheit, sondern ein Befundkomplex. Die Behandlung dessen, was diesem Krankheitsbild zu Grunde liegt, lässt sich nicht nach AOK-Manier ausschließlich als "Major Depression", passagere Depression, depressiver Verstimmungszustand oder psychoreaktive Depression definieren. Da fehlt den Versicherungsfachangestellten leider die Fachkunde und die Übersicht. Schon gar nicht kann in Express-Manier in 10 Sitzungen abschließend therapiert werden, dass der/die Patient/in mit 100 Prozent Sicherheit die nächsten 6 Monate unbeeinträchtigt wieder durcharbeiten kann.

Beim Lockvogel-Honorar (davon verstehen die AOK-Ökonomen wirklich etwas) sorge ich mich doch um die Verhältnismäßigkeit der Mittel: Nach den neuen EBM-Vereinbarungen zwischen KBV und GKV-Spitzenverband sollen ab 1. 1. 2013 für die hausärztliche Rundum-Betreuung in einem ganzen Quartal bei den 19 bis 54-jährigen Patienten 12,20 Euro für die Arzt-spezifische medizinische Tätigkeit gezahlt werden. Das sind ganze 13,5 Cent Umsatz pro Quartalstag. Und nun sollen für einen einzigen Patienten, für eine einzige Diagnose und die Therapie bei den behandelnden Ärzten zusätzlich Erlöse pro Patient von 115 Euro bei Hausärzten, 175 Euro bei Fachärzten und 250 Euro bei Psychotherapeuten möglich werden? Da kann man als rechtschaffener Vertragsarzt nur sagen: "Come in and find out"! Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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