TK-Studie

Depression lässt sich auch online mildern

Psychotherapie wirkt auch via Internet. Das belegt eine aktuelle Studie der TK. Demnach sind die Effekte des Online-Depressions-Coach ähnlich stark wie bei einer konventionellen Sprechzimmertherapie.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
TK-Studie zur Online-Psychotherapie: Bei Depressionen nehmen viele Betroffene einen digitalen Rettungsring an.

TK-Studie zur Online-Psychotherapie: Bei Depressionen nehmen viele Betroffene einen digitalen Rettungsring an.

© alphaspirit / stock.adobe.com

BERLIN. Beratung und Training via Internet können Depressionen lindern. Das zeigt sich in einer aktuellen TK-Studie. Im Auftrag der Krankenkasse hatte die Freie Universität (FU) Berlin einen Online-Depressions-Coach entwickelt und in einer Stichprobe den Krankheitsverlauf von rund 1100 Teilnehmern ausgewertet.

Demnach hat sich der Leidensdruck der Patienten durch den Depressions-Coach deutlich reduziert. Die Symptome gingen von einem mittleren Schweregrad auf einen klinisch nicht mehr bedeutsamen Wert zurück.

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"Für leicht- bis mittelschwere Depressionen zeigt der Online-Coach vergleichbare Effekte wie die konventionelle Sprechzimmertherapie", sagte Christine Knaevelsrud, Psychologie-Professorin und Studienleiterin an der FU Berlin. Die erzielten Fortschritte seien auch drei, sechs und zwölf Monate nach dem Programm stabil geblieben. Zudem berichteten die Teilnehmer im Programmverlauf deutlich seltener von Dauergrübeln oder Angstzuständen.

Die TK hatte für die Teilnahme Versicherte mit entsprechenden Diagnosen in Beratungsgesprächen auf das Online-Angebot verwiesen. Auch konnten Versicherte, die von dem Angebot über die Medien erfahren hatten, sich selbst einschreiben.

Von vornherein ausgeschlossen waren Patienten mit schweren psychischen Störungen wie etwa Schizophrenie, mit akuten Psychosen oder mit Abhängigkeitserkrankungen.

1100 Teilnehmer

Von den rund 8600 Versicherten, die im Vorfeld angesprochen worden waren, lehnten rund 3200 Personen eine Teilnahme ab. Etwa die Hälfte von ihnen wurde bereits psychotherapeutisch versorgt, 15 Prozent hatten kein Interesse und 12 Prozent äußerten Vorbehalte gegenüber online-basierten Interventionen.

In einem anschließenden Online-Screening wurden weitere Patienten ausgeschlossen – 45 Prozent davon aufgrund einer zu schweren Symptomatik sowie 18 Prozent aufgrund einer bereits bestehenden psychotherapeutischen Behandlung.

An der Studie nahmen schließlich rund 1100 Versicherte der Techniker Krankenkasse teil, 66 Prozent davon Frauen. Nahezu die Hälfte aller Teilnehmer (46,7 Prozent) verfügt über einen Hochschulabschluss und 22,5 Prozent haben Abitur. 75,4 Prozent arbeiten zum Zeitpunkt der Teilnahme angestellt, 5,5 Prozent als Selbstständige und 7,1 Prozent sind arbeitslos.

Für das Programm waren gängige psychotherapeutische Methoden in Online-Modulen aufbereitet worden. Neben Informationen zum Krankheitsbild gab es Hinweise, wie ein Tag zu strukturieren ist, wie sich negative Denkmuster auflösen lassen und wie Warnsignale rechtzeitig erkannt werden können.

Großteil ist zufrieden

Die Studienteilnehmer waren in zwei Gruppen unterteilt: Eine davon erhielt wöchentliche Feedbacks durch eine Psychologin, die andere standardisierte Feedbacks in allgemeiner Form nach jedem Modul.

84 Prozent der Teilnehmer waren mit dem Programm zufrieden und berichteten über ein gesteigertes Wohlbefinden. Laut Knaevelsrud lag die Abbrecherquote bei 21,5 Prozent, somit deutlich unter den 30 Prozent einer konventionellen Therapie.

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Kommentare
Udo Porsch 16.06.201715:34 Uhr

nicht statistisch belegte und fragwürdige Schlussfolgerungen aus der Studie

Aus dem Abschlussbericht der Studie geht hervor, dass 69,2 % der Teilnehmer*innen als höchsten Bildungsabschluss mindestens Abitur haben. Die Psychotherapieforschung kennt seit langem den Grundsatz: "the rich get richer". Allein von daher sind die hier vorgelegten Ergebnisse in keinster Weise repräsentativ. Denn dass die besser ausgebildeten Pat. per se immer am meisten profitieren ist eine Binsenweisheit.
Darüberhinaus behauptet Frau Prof. Knaevelsrud, dass "für leicht- bis mittelgradige Depressionen (..) der psychotherapeutisch-gestützte DepressionsCoach vergleichbare Effekte wie die konventionelle Sprechzimmertherapie (zeigt)" und bezieht sich hier auf eine Metastudie von Pim Cuijpers 2014. Diese Metastudie zeigt, dass zwar 62% der Pat. nach psychotherapeutischer Intervention nicht mehr die Kriterien einer Major Depression erfüllen, aber eben auch 43% der Kontrollgruppe. Und es ist definitiv nicht davon auszugehen, dass in denen der Metaanalyse zugrundeliegenden Studien fast 70% der Teilnehmer*innen mindestens Abitur hatten. Kurzum, würde man diesen soziodemographischen Effekt herausrechnen, würde man vermutlich bei einer Effektstärke landen, die der unbehandelten Kontrollgruppe von Cuijpers entspricht.
Und was sagen uns damit die Ergebnisse?
Außer, dass die Krankenkassen in Allianz mit einer drittmittelabhängigen Wissenschaft zusammen mit dem Digitalgipfel ein Thema in den Markt der GesundheitsWIRTSCHAFT bringen möchten.

Jürgen Schmidt 15.06.201708:35 Uhr

Für die Kassenchefs mag die online-Therapie ja ausreichen

In meiner Assistentenzeit war ich einige Zeit in der Psychiatrie tätig.
Wir hatten einen Oberarzt, der an Depressionen litt, aber seit einiger Zeit gebesert wieder im Dienst. Jeder Asistent und alle Oberärzte wussten von der Erkrankung und wachten stillschweigend über den Verlauf. Der Behandler und zugleich einer der besten Freunde war ein Oberartztkollege.
Während einer Klinikkonferenz verleiß der - nach aller Urteil - von seiner depression Genesende die Sitzung und kam nicht wieder. Er wurde dann in der Toilette erhängt aufgefunden.
Man hatte damals noch keine scores und keine Möglichkeit Arzneimittelspiegel zu bestimmen und war auf die klinische Beurteilung angewiesen.
So weit zu den Schwierigkeiten und Diagnose und Prognosen von Depressionen.

Thomas Georg Schätzler 14.06.201711:08 Uhr

Populistische Sparzwänge bei der Versorgung psychisch Kranker?

"Demnach hat sich der Leidensdruck der Patienten durch den Depressions-Coach deutlich reduziert. Die Symptome gingen von einem mittleren Schweregrad auf einen klinisch nicht mehr bedeutsamen Wert zurück. ''Für leicht- bis mittelschwere Depressionen zeigt der Online-Coach vergleichbare Effekte wie die konventionelle Sprechzimmertherapie'', sagte Christine Knaevelsrud, Psychologie-Professorin und Studienleiterin an der FU Berlin. Die erzielten Fortschritte seien auch drei, sechs und zwölf Monate nach dem Programm stabil geblieben" (Zitat Ende).

Für die vergleichsweise bei kardiologischen/pulmologischen Studien geforderten harten Endpunktdaten wie z. B. Akutereignisse, stationäre/ambulante Komplikationen, morbiditätsabhängige Mortalität bzw. Suizidalität ist eine Nachbeobachtungdauer von nur 12 Monaten für relevante Ergebnisformulierungen bei Online- vs. konventioneller ambulanter Anti-Depressions-Therapie natürlich viel zu kurz.

Deshalb sind die Kernbotschaften der aktuellen TK-Studie: "Beratung und Training via Internet können Depressionen lindern" eher von populistischen Sparzwängen bei der GKV-Versorgung psychisch Kranker geprägt, als wirklich tragbare, innovative Therapie- und Erkenntnisfortschritte anbieten zu können.

Die Bundes Psychotherapeuten Kammer (BPtK) schreibt zu Depressionen unter: http://www.bptk.de/patienten/psychische-krankheiten/depression.html

"Therapie - Die Empfehlungen für die Behandlung richten sich danach, ob eine Depression erstmals oder wiederholt auftritt und wie schwer der Patient erkrankt ist. Die Behandlung sollte sich an den Empfehlungen orientieren, die in der Nationalen Versorgungsleitlinie „Unipolare Depression“ stehen.
Nicht jede Depression muss sofort psychotherapeutisch oder mit Medikamenten behandelt werden:
Bei leichten depressiven Störungen kann sich der Patient zunächst beraten und anleiten lassen, wie er selbst besser mit gedrückten Gefühlslagen umgehen kann. Voraussetzung dafür ist jedoch eine differenzial-diagnostische Untersuchung, die einen schweren Verlauf der Krankheit ausschließt. Kommt es innerhalb von zwei Wochen zu keiner Besserung, sollte mit dem Patienten eine spezifische Behandlung verabredet werden. Hierbei ist Psychotherapie einer Pharmakobehandlung vorzuziehen.
Bei mittelschweren depressiven Störungen sollte dem Patienten eine Psychotherapie oder eine Behandlung mit Medikamenten als gleichwertige Behandlungsalternativen angeboten werden.
Bei schweren und chronisch-depressiven Störungen ist eine Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten notwendig.
Bei Depression sind folgende Psychotherapieverfahren hinsichtlich ihrer Wirksamkeit belegt: Verhaltenstherapie, psychodynamische Psychotherapie, Interpersonelle Psychotherapie, Gesprächspsychotherapie und Systemische Therapie. Zur medikamentösen Therapie depressiver Störungen sind insbesondere verschiedene Klassen von Antidepressiva zugelassen" (Zitat Ende).

Indikationen für eine wie auch immer geartete Online-Therapie sieht die BPtK nicht. Nach meinen vereinzelten Erfahrungen mit Patientinnen und Patienten machen die Online-Therapieangebote der GKV-Kassen auch viel zu viel Druck, um über angepassteres Sozialverhalten schnelles Funktionieren und Arbeitsfähigkeit zu erreichen. Bei ernsten oder komplexen bio-psycho-sozialen Problemen streikt das eindimensionale Internet-Angebot! Die online Ratsuchenden werden dann sehr schnell in die überlasteten ambulanten Dienste abgeschoben.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Gerhard Leinz 14.06.201709:27 Uhr

Milderung statt Heilung. Prima für die Krankenkassen.

Die "innovative Bearbeitung" des Themas Zunahme der Depressionen durch Internet Angebote ist modern..Die TK gibt das Erreichbare zu: Milderung der Depression. Milderung nicht Heilung,das ist gut für die Krankenkassen. Die Diagnose Depression bleibt erhalten und damit die Zuwendungen aus dem Gesundheitsfond. Verglichen wird mit der Sprechstundentherapie, nicht mit der Psychotherapie. Die Psychotherapie ist ja teuer und hat das Ziel Heilung der Depression mit Verschwinden der Diagnose bei den Versicherten und damit Versiegen der Zuflüsse aus dem Gesundheitsfond für die Krankenkassen...

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