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Zweifel am Dopingverbot

Mit der Olympiade ist auch das Thema Doping wieder im Gespräch. Doch die gegenwärtige Doping-Definition im Leistungssport ist ethisch äußerst fragwürdig, kritisieren Ethiker. Sie fordern eine wertfreie Definition des Human-Enhancements.

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Im Londoner Dopinglabor: Wo beginnt die Grauzone des Enhancements?

Im Londoner Dopinglabor: Wo beginnt die Grauzone des Enhancements?

© Justin Setterfield / LOCOG / dpa

NEU-ISENBURG (ner). Doping im Sport ist das, was verboten ist. Doping wird mit "künstlicher Leistungssteigerung" gleichgesetzt. Und dies, so die offizielle Auffassung von Sportfunktionären, sei unfair und gefährde im Übrigen die Gesundheit der Athleten.

Wird Doping im Sport stets negativ konnotiert, ist es im Alltag zum Teil umgekehrt, etwa wenn es um die Verwendung von Koffein oder Begriffe wie "Hirndoping" geht.

Privatdozentin Dr. Claudia Pawlenka, Philosophin an der Universität Düsseldorf und Verfasserin verschiedener Schriften zu ethischen Fragen des Sports, kritisiert das.

Doping werde moralisierend als Seuche des Leistungssports bezeichnet, überführte Sportler würden als "Sünder" dargestellt. Ob jedoch ein Dopingverbot tatsächlich legitim und hinreichend solide begründet sei, bezweifeln sie und andere.

Intransparent erstellte Verbotslisten

Denn auf eine inhaltliche Definition dessen, was Doping tatsächlich ist, wird verzichtet. Stattdessen praktiziere man willkürlich und intransparent erstellte Verbotslisten unter rein justiziablen Gesichtspunkten, so Pawlenka in einem Beitrag für die Zeitschrift "Sportwissenschaft" (Sportwiss 2012, 42: 6-16). Letztlich symbolisiere das Dopingverbot im Sport die globale Debatte um das Bemühen, den Menschen mit Hilfe von Biotechniken zu perfektionieren.

Im Mittelpunkt der Kritik steht die Frage, was eigentlich "natürlich" ist und was "künstlich". Menschliche Individuen sind per se biologisch verschieden - eine Annahme der Gleichheit erscheint als Fiktion.

Zwar lassen sich typische Merkmale der Gattung Mensch bestimmen. Doch zugleich gibt es "statistisch unübliche Exemplare und Abweichungen von normalen Angehörigen der menschlichen Gattung", so Pawlenka.

Ein Extrembeispiel: Die angeborene Hemmung des Myostatin-Gens führt zur übermäßigen Entwicklung der Arm- und Beinmuskulatur. Im genetischen Sinne ist dies natürlich, im qualitativen Sinne nicht unbedingt, denn offensichtlich unterscheidet sich ein solches Kind erheblich vom Durchschnittssäugling (NEJM 2004, 350: 2682-88).

Vom finnischen Skilangläufer Eero Mäntyranta, mehrfacher Medaillengewinner bei vier Olympischen Winterspielen 1960 bis 1972, ist bekannt, dass bei ihm eine Punktmutation im Gen für den Erythropoetin-Rezeptor besteht.

Er bildet daher vermehrt rote Blutkörperchen, was ihm, wie sich erst 1993 herausgestellt hat, einen "natürlichen" Vorteil als Leistungssportler verschafft hat.

Debatte um "natürlich" versus "künstlich"

Wenn als "natürlich" das technisch Einfache, Normale, Ungeplante gilt, wird dem das technisch Außergewöhnliche oder Geplante als "künstlich" gegenübergestellt.

Nun wird jedoch sportliches Hochleistungstraining systematisch geplant und ist zum Teil hoch technisiert. "Ist ein austrainierter Athlet also eher gewachsen oder gemacht?", fragt Pawlenka.

Denn das systematische Training erscheine nur als eine Anthropotechnik zur Leistungssteigerung unter vielen. Warum ist ein Höhentraining okay, das Spritzen von Epo dagegen nicht?

Wenn man als "natürlich" all das bezeichnet, was physiologische Prozesse anstößt und zu physiologischen Wirkungen führt, erhält man ein Individuum, das in seinem Wachstum autonom ist, also im genetischen Sinne natürlich, von der aktuellen Erscheinungsform her allerdings ein Kunstprodukt.

Der kultivierte Sportler, so ein Vergleich Pawlenkas, könne wie eine Hecke wieder zum Busch renaturieren. Kritiker argumentieren freilich, dass jenseits des sportlichen Trainings biologische Unterschiede fortbestehen, die man theoretisch gezielt mit Doping ausgleichen könnte.

Nun ist das Gewinnen von Wettkämpfen nur ein Ziel im Leistungssport. Letztlich gibt es immer das Bestreben, noch nie da gewesene Leistungen zu erreichen.

Dieses Streben nach einem "natürlichen Unmaß" macht es nach Meinung der Düsseldorfer Sportethikerin besonders schwer, im Sport ein "natürliches Maß" zu bestimmen: "Im Sport der Superlative ist in qualitativer Hinsicht fast alles abnorm."

Extreme Körperbefunde sind insofern geradezu kennzeichnend für Eliteathleten. Entscheidend für eine Dopingdefinition sei daher die auf das Individuum rückbezogene genetische Natürlichkeit, nicht die auf dem Vergleich der Mitglieder der Gattung Mensch beruhende qualitative Natürlichkeit.

Wissen um gemeinsamen biologischen Nenner

Dies macht ja auch die Faszination des Sports aus: das Wissen (oder die Illusion) um einen gemeinsamen biologischen Nenner ist die Voraussetzung für die Bewunderung außergewöhnlicher Leistungen.

Pawlenka: "Der herausragende Hochspringer, der statt der körpereigenen Sprungkraft einen Katapultschuh benutzte, müsste sich die Frage gefallen lassen, warum er sich überhaupt die Mühe machte, die Latte zu überqueren."

Die sportliche Leistung ohne Bezug zur Conditio humana verlöre ihren Wert. Es braucht die Relation zur menschlichen Natur als natürlicher Leistungsobergrenze. Wird diese natürliche Grenze beseitigt, ist ein Streben nach Vollkommenheit nicht mehr möglich.

Bleibt die Frage, wie sich vor dem Hintergrund solcher Überlegungen, eine pragmatische Dopingdefinition erarbeiten lässt, die juristischen und medizinischen Sachzwängen gerecht wird.

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