Trisomie 21-Test

Abgeordnete bohren bei Regierung nach

Wird der ethisch umstrittene Praena-Test in einem formalisierten Prüfverfahren des GBA zur Kassenleistung? Diese Befürchtung veranlasst Parlamentarier aller Bundestagsfraktionen zu einer ungewöhnlichen Aktion.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Der PraenaTest® ist seit Sommer 2012 in Deutschland verfügbar.

Der PraenaTest® ist seit Sommer 2012 in Deutschland verfügbar.

© Tobias Kleinschmidt / dpa

BERLIN. Mit einer bislang einmaligen parlamentarischen Anfrage, die von Abgeordneten aller Fraktionen im Bundestag getragen wird, fordern sie die Bundesregierung auf, zu pränatalen molekulargenetischen Tests Stellung zu nehmen, die ein Screening auf Trisomie 21 beim Ungeborenen ermöglichen. Auch Union und SPD tragen die Anfrage mit, die eigentlich zum klassischen Handwerkszeug einer Oppositionsfraktion gehört.

"Uns alle eint die Befürchtung, dass die Möglichkeit, früh und risikoarm zu testen, eine gesellschaftliche Erwartung erzeugen könnte, diese Angebote zu nutzen. Eltern, die sich gegen den Test oder wissentlich für ein behindertes Kind entscheiden, könnten künftig immer mehr in Erklärungsnöte geraten", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Corinna Rüffer (Grüne), Hubert Hüppe (CDU), Dagmar Schmidt (SPD) und Kathrin Vogler (Linke).

Der Praena-Test ist seit Sommer 2012 in Deutschland verfügbar. Gegenwärtig zahlten rund 20 gesetzliche Krankenkassen auf Antrag im Einzelfall die Kosten. Anderenfalls müssen Frauen für den Bluttest zwischen 400 bis 800 Euro zahlen.

Nach Angaben des Herstellers LifeCodexx ist auch ein Test auf die Trisomien 18 und 13, das Klinefelter- und das Turner-Syndrom sowie das Triple-X- und das XYY-Syndrom möglich.

GBA berät über Erprobung

Im April vergangenen Jahres hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) mit der Beratung eines Erprobungsverfahrens begonnen. Grundlage dafür ist Paragraf 137e SGB V.

Danach kann der Bundesausschuss für Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, deren Nutzen noch nicht hinreichend belegt ist, die aber das Potenzial einer Behandlungsalternative bieten, eine Erprobung beschließen. Nach Abschluss einer klinischen Studie, in der der Nutzen des Tests ermittelt wird, könnte der nichtinvasive Bluttest in den Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen aufgenommen werden.

Im Oktober vergangenen Jahres ließ eine Vorlage von BMG-Staatssekretärin Ingrid Fischbach im Gesundheitsausschuss erkennen, dass die Bundesregierung jenseits der formalisierten Beratung im GBA keinen Handlungsbedarf sieht.

"Insgesamt sind die Beratungen des GBA (über den Praena-Test, d. Red.) abzuwarten", hieß es in dem BMG-Bericht. Schon damals reagierten die Gesundheitspolitiker im Ausschuss vergrätzt und fragten kritisch nach.

Mit 18 Fragen an die Regierung wollen die Abgeordneten nun eine Diskussion anregen, die sie im GBA nicht adäquat aufgehoben sehen. "Das Erprobungsverfahren lässt bislang keinen Raum für die notwendige gesellschaftliche Diskussion", heißt es zur Begründung.

Die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), warnt vor dem Einsatz des Tests als Reihenuntersuchung.

Der Test vermittele den Eindruck, "es sei ein perfektes Kind möglich. Damit gefährdet er die Akzeptanz von Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit", sagt Schmidt.

Ein Test, mit dem "gezielt nach Kindern mit Down-Syndrom gesucht" werde, stehe zudem im Widerspruch zur Behindertenkonvention der Vereinten Nationen, warnt Schmidt.

Erfahrungen in anderen Ländern

Die Abgeordneten verweisen in ihrer Anfrage auf Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern. Dort sei es bei Babys, die laut Test mit Down-Syndrom auf die Welt kommen würden, zunehmend zu Schwangerschaftsabbrüchen gekommen.

Der Deutsche Ethikrat wies in seiner Empfehlung zur "Zukunft der genetischen Diagnostik" vom April 2013 darauf hin, dass bei dem Test auch die "zu erwartenden Fehldiagnosen" berücksichtigt werden müssten, "insbesondere falsch positive Testergebnisse, die eine invasive Folgeuntersuchung oder einen Schwangerschaftsabbruch nach sich ziehen".

Nach Meinung von Verbänden, die die Entwicklung der Pränataldiagnostik kritisch beobachten, geht mit dem nichtinvasiven Test und dessen möglicher Übernahme als Kassenleistung ein Trend zum Reihenscreening einher: "Die Erfahrungen zeigen: Altersindikation, Ultraschalluntersuchungen und das privat zu zahlende Ersttrimester-Screening werden in der Alltagspraxis ausufernd interpretiert. 76,3 Prozent der jährlich rund 500.000 betreuten Frauen galten 2013 als ‘Risikoschwangere'. Immer mehr Frauen werden in den Bann des ‘Risikos' gezogen, und aus ökonomischen und haftungsrechtlichen Gründen auch ihre betreuenden Ärzte", heißt es in einer Stellungnahme vom August 2014, die unter anderem vom "Gen-ethischen Netzwerk" in Berlin mitgetragen wurde.

Vereinbar mit Gendiagnostik-Gesetz

Die Parlamentarier erkundigen sich auch nach dem medizinischen Zweck des Bluttests. Denn Paragraf 15 Gendiagnostikgesetz gestattet eine vorgeburtliche genetische Untersuchung nur dann, so weit diese "auf bestimmte genetische Eigenschaften des Embryos oder Fötus abzielt, die nach dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik seine Gesundheit während der Schwangerschaft oder nach der Geburt beeinträchtigen." Gefragt wird zudem, welche "Therapieoption" das Ergebnis des Bluttests eröffne.

Die Bundesregierung hat nun drei Wochen Zeit, um auf die Anfrage zu antworten.

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