Ethikrat
Kinder, Alte und Behinderte kommen zu kurz
Der Deutsche Ethikrat sieht die Kliniken einem enormen ökonomischen Druck ausgesetzt und mahnt die Beteiligten, sich auf das Patientenwohl als ethisches Leitprinzip zu besinnen.
Veröffentlicht:BERLIN. Der Deutsche Ethikrat fürchtet um eine gute stationäre Versorgung von "Patientengruppen mit besonderen Bedarfen". Gefährdet seien insbesondere Kinder und Jugendliche, Behinderte, Ältere sowie Patienten mit geriatrischen Erkrankungen oder mit Migrationshintergrund.
Es sei zunehmend problematisch, für diese Gruppen "den gleichen Zugang zu den Krankenhausleistungen und eine gerechte Verteilung der Ressourcen sicherzustellen", heißt in einer aktuellen Stellungnahme. "Es ist eine ethische Verantwortung, die bereitstehenden Ressourcen angemessen einzusetzen", betonte Professor Christiane Woopen, Vorsitzende des Ethikrates, am Dienstag in Berlin.
Kaum Planungssicherheit
Die Kliniken seien, so Woopen weiter, einem hohen ökonomischen Druck ausgesetzt und hätten zudem kaum Planungssicherheiten. Dennoch sei es nötig, nach dem "leitenden normativen Maßstab" in der Krankenhausversorgung zu fragen.
Dieser sollte aus Sicht des Ethikrates ausschließlich am Patientenwohl ausgerichtet sein. Ob dies eingelöst werde, zeige sich nicht nur am gleichen Zugang und einer gerechten Verteilung der Ressourcen, sondern auch am Maß der Selbstbestimmung des Patienten sowie an den medizinischen Parametern, mit denen sich die Qualität der Behandlung messen lassen.
Die aktuelle Gesundheitspolitik kommt in der Stellungnahme gut weg: Das Versorgungsstärkungsgesetz und die Krankenhausstrukturreform nehmen, so heißt es darin, das Wohl des Patienten wieder verstärkt in den Blick und binden die "zukünftige Ressourcenbemessung an diesem übergeordneten Maßstab". Dies genauer zu definieren, bleibe jedoch eine Herausforderung.
Das Gremium hat insgesamt 29 Empfehlungen erarbeitet und einstimmig verabschiedet. Eine zentrale Forderung ist, die kommunikativen und interkulturellen Kompetenzen "aller im Krankenhaus Tätigen" sicherzustellen.
"Das DRG-System ist durchaus lernfähig"
Dazu seien Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote nötig. Zudem müsse auch dafür gesorgt werden, dass die bessere Kommunikation innerhalb des DRG-Systems berücksichtigt und vergütet werde, forderte Dr. Michael Wunder, ebenfalls Mitglied im Deutschen Ethikrat.
So könnte beispielsweise die Länge der Gespräche, deren Inhalte oder auch der interdisziplinäre Austausch dokumentiert und bemessen werden. "Das DRG-System ist durchaus lernfähig und gestaltbar", sagte Wunder.
Weiter spricht sich der Ethikrat dafür aus, bei multimorbiden Patienten die Abrechnung von zwei und mehr DRGs für einen Klinikaufenthalt zu ermöglichen. Auch sollten Zusatzentgelte für Patienten im hohen Lebensalter oder mit seltenen Erkrankungen vereinbart werden können.
Ebenso müssten für die Kinder- und Jugendmedizin spezifische Vergütungslösungen - etwa kinderspezifische DRGs - geschaffen werden. Dringend notwendig sei es, Kliniken barrierefrei zu gestalten und Menschen mit Behinderung den Zugang zur zusätzlichen Assistenzpflege zu ermöglichen.