Embryonenschutz

Forscher drängen auf liberaleres Gesetz

Elf Wissenschaftler an der Leopoldina sprechen sich dafür aus, das strenge Embryonenschutzgesetz aufzuweichen. Die Forschung an "verwaisten", kryokonservierten Embryonen sollte erlaubt werden.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Kryokonservierung in einem Zentrum für Reproduktionsmedizin.

Kryokonservierung in einem Zentrum für Reproduktionsmedizin.

© Frisco Gentsch / dpa

BERLIN. Wissenschaftler drängen darauf, die strengen Vorgaben im Embryonenschutzgesetz, das aus dem Jahr 1990 stammt, zu modifizieren. In einem von der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften – herausgegebenen Papier plädieren elf Wissenschaftler dafür, Forschung an sogenannten "verwaisten" Embryonen zu erlauben, die nach einer künstlichen Befruchtung "übrig" geblieben sind. "Solche Embryonen, die keine reale Lebenschance haben, sollten nach Meinung der Autoren für die Forschung verwendet werden dürfen, sofern die ‚Eltern‘ damit einverstanden sind" ("Ethische und rechtliche Beurteilung des genome editing in der Forschung an humanen Zellen").

Zu den Verfassern gehören unter anderem der Biochemiker Prof. Ernst-Ludwig Winnacker, der Jurist Jochen Taupitz und die Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert. Die Autoren stellen sich gegen den bisher im Gesetz geforderten absoluten Schutz der Embryonen. Sie fordern eine "erneute differenzierte Debatte über die Forschung an frühen menschlichen Embryonen".

Vorbildcharakter haben für die Wissenschaftler Regelungen in Großbritannien, Schweden oder Frankreich, wo Forschung an Embryonen bis maximal 14 Tage nach ihrer Erzeugung gestattet ist. Eine "Weiterentwicklung" des hiesigen Rechts würde es Wissenschaftlern in Deutschland ermöglichen, sich an internationalen Forschungsprojekten zu beteiligen, begründen die Autoren ihren Vorstoß.

Gezielte Eingriffe in die Keimbahn beurteilen die Verfasser "beim derzeitigen Stand der Forschung" skeptisch. Hier müsse zunächst "ein vertretbar niedriges Risiko dieser Intervention im Vergleich zur Erbkrankheit, die es zu vermeiden gilt, erreicht werden", heißt es. Zudem lehnen sie genomchirurgische Verfahren mit dem Ziel der genetischen "Verbesserung" des Menschen angesichts "nicht abschätzbarer Risiken ab".

Das Leopoldina-Papier stellt einen Versuch dar, einen seit 2008 politisch befriedeten Konsens aufzubohren. Damals hat der Bundestag letztmalig das Stammzellengesetz geändert. Es verbietet grundsätzlich die Einfuhr und Verwendung humaner embryonaler Stammzellen, gestattet dies aber doch, wenn Wissenschaftler darlegen können, dass sie Stammzelllinien für "hochrangige" wissenschaftliche Ziele benötigen.

Ursprünglich gab das Gesetz vor, dass nur Stammzellen importiert werden dürfen, die bis zum 1. Januar 2002 gewonnen wurden. Mit der letzten Gesetzesänderung verschob der Bundestag 2008 rückwirkend diesen Stichtag auf den 1. Mai 2007.

Seit 2002 hat die zuständige Zentrale Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) 120 Ausnahmegenehmigungen erteilt. Die jüngsten drei Bescheide ergingen Ende Februar, unter anderem an das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin. Anfang vergangenen Jahres haben in Deutschland 75 Arbeitsgruppen in 53 Einrichtungen mit humanen embryonalen Stammzellen geforscht, heißt es im jüngsten Tätigkeitsbericht der ZES.

In der ablaufenden Legislaturperiode hat es von keiner Fraktion im Bundestag Vorstöße gegeben, das Stammzellengesetz zu ändern. Auch das Leopoldina-Papier trifft in den Fraktionen auf Vorbehalte. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe, Berichterstatter für medizinische Ethik in der Arbeitsgruppe Gesundheit seiner Fraktion, erklärte, das Verbot der verbrauchenden Embryonenforschung im deutschen Recht habe sich "bewährt". Eine Legalisierung stehe "nicht zur Debatte".

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