Krasse Versicherungslücke in der PKV
Leben retten und dafür bezahlen: Das droht schlimmstenfalls Lebendorganspendern, wenn der Empfänger privatversichert ist. Denn die PKV muss nicht für die Kosten möglicher Komplikationen zahlen. Experten sprechen von einem Skandal - und rufen nach der Politik.
Veröffentlicht:DORTMUND (iss). Bei der Organspende muss die Übernahme der Kosten für Folgebehandlungen bei Lebendspendern durch private Krankenversicherer (PKV) geregelt werden.
Dass es hier Handlungsbedarf gibt, sieht die Branche selbst ein. "Wir müssen uns zusammensetzen und eine schnelle, unbürokratische Regelung zu finden", sagte der Direktor des PKV-Verbands Dr. Volker Leienbach bei einer Veranstaltung während der Finanzmesse DKM in Dortmund.
Versicherer des Empfängers zahlt
Bei Lebenspenden trägt der Krankenversicherer oder die Krankenkasse des Empfängers die Kosten für die Organentnahme.
Problematisch wird es, wenn beim Spender in Folge der Organentnahme weitere medizinische Behandlungen notwendig werden und er bei der Arbeit ausfällt.
Während die gesetzlichen Krankenkassen diese Kosten ohne Probleme übernehmen, stellen sich PKV-Unternehmen häufig erst einmal quer.
Betroffene sind derzeit auf Kulanz angewiesen
Der Grund: Die Behandlungskosten sind nicht auf eine Krankheit des Versicherten zurückzuführen und deshalb nicht gedeckt.
Zwar regeln viele PKV-Unternehmen die Frage letztendlich auf dem Kulanzweg. Das sei aber unbefriedigend, räumte Leienbach ein.
Die GKV zahlt dagegen ohne Probleme. "Eine Riesen-Versicherungsgemeinschaft steckt das locker weg", betonte der Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland/Hamburg Wilfried Jacobs.
Diskussion bereits seit zehn Jahren
Die Auseinandersetzung über die Kosten stelle die Betroffenen vor ein Problem. Schon aus Imagegründen müssten die Privatversicherer zusehen, das Thema schnell vom Tisch zu bekommen, empfahl er.
Bereits seit zehn Jahren werde über diese Frage ohne Ergebnis diskutiert, kritisierte der Transplantationsmediziner Professor Eckhard Nagel vom Deutschen Ethikrat.
"Die Versicherungsproblematik bei Lebenspenden ist gravierend", sagte er. Angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung der Lebendspende sei es nicht nachvollziehbar, dass Versicherer die Folgekosten nicht übernehmen wollen.
Kostenübernahme gesetzlich regeln
Auch Klaus Dr. Theo Schröder, PKV-Ombudsmann und lange Jahre Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, sieht Handlungsbedarf.
"Das Thema ist in der Vergangenheit nicht mit dem Gewicht behandelt worden, das es verdient hätte".
Schröders Meinung nach könnte die Kostenübernahme in der geplanten Änderung des Organspendegesetzes geregelt werden.
Geschlossene Hilfsmittelkataloge
Leienbach räumte ein, dass die PKV auch in einer anderen Frage im Vergleich mit der GKV schlechter abschneidet: Die meisten Versicherungsverträge sehen einen geschlossenen Hilfsmittelkatalog vor.
Aktuelle technische Entwicklungen werden nicht berücksichtigt.. Es sei schwierig, einseitig die Versicherungsbedingungen anzupassen, die auf einem Vertrag zwischen Versicherer und Kunde beruhten.
Auf die Dauer müsse die PKV aber eine Lösung finden.
Problematische Positivliste für Hilfsmittel in der PKV
"Wir müssen die Versicherten am medizinischen Fortschritt teilnehmen lassen und dürfen nicht schlechter sein als die GKV", sagte der Verbandsdirektor.
Grundsätzlich bräuchten die Unternehmen mehr Gestaltungsspielräume, um Versicherten gute und bezahlbare Qualität bieten zu können, betonte er.
Mehr Gestaltungsspielräume forderte AOK-Chef Jacobs auch für die Krankenkassen. Gesetzlich Versicherte, die zusätzliche Leistungen oder zusätzlichen Service wünschten, müssten diese auch in der GKV hinzukaufen können.
Jacobs hat mit seiner Kasse als erster Zusatzversicherungen angeboten und macht seit einigen Jahren der PKV in diesem Gebiet direkt Konkurrenz.