Organspende

DSO-Reform sorgt für Kritik

Die Skandale wirken weiter. Organe werden immer mehr zur Mangelware. Die DSO hat jetzt Konsequenzen gezogen und sich neu organisiert. Vielen Experten reicht das aber nicht.

Anno FrickeVon Anno Fricke und Helmut LaschetHelmut Laschet Veröffentlicht:
DSO-Zentrale in Frankfurt: Alles neu macht der April.

DSO-Zentrale in Frankfurt: Alles neu macht der April.

© Thomas Goos / DSO

BERLIN. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) hat eine neue Satzung. Künftig sollen je zwei Vertreter des Bundes und der Länder stimmberechtigt im Stiftungsrat sitzen. Dies hat der Interimsvorsitzende der DSO, Dr. Rainer Hess, am Mittwoch in Berlin mitgeteilt.

Eine wirkliche staatliche Rechtsaufsicht können Vertreter der Opposition im Bundestag nicht erkennen. Es handele sich um "Kosmetik", sagten Grünen-Politiker Harald Terpe.

Hess‘ Aufgabe ist es, die Struktur der Stiftung stärker öffentlich-rechtlich auszurichten. Hess betonte bei seiner ersten Pressekonferenz, der privatrechtliche Charakter der DSO bleibe gleichwohl erhalten.

Bundesärztekammer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Transplantationsgesellschaft entsenden ebenfalls je zwei stimmberechtigte Vertreter in den Stiftungsrat. Sitz, aber keine Stimme, hat die Patientenvertretung.

Die Satzung, die seit Ende Februar vorliege, müsse noch vom Regierungspräsidenten in Darmstadt genehmigt werden. Machtkonzentration, wie unter dem ehemaligen DSO-Chef Professor Günter Kirste, soll es nicht mehr geben.

Der Stiftungsrat soll unter anderem die Haushaltsführung des Vorstandes stärker kontrollieren können.

Die Neuaufstellung der DSO, die für die Gewinnung von Organen zuständig ist, ist Folge von internen Querelen im Jahr 2012, als den damaligen Vorständen Führung nach "Gutsherrenart" vorgeworfen wurde.

Getrennte Strukturen stehen in Frage

Diese Meldungen fielen zusammen mit denen über Manipulationen an bislang vier Transplantationszentren. In der Folge sind die ohnehin nicht guten Organspendezahlen in Deutschland weiter zurückgegangen. Im ersten Quartal 2013 spendeten 230 Menschen ihre Organe. Im Vergleichszeitraum 2012 waren es noch 281 gewesen.

Ein neuer, auch mit Intensivmedizinern und Transplantationsbeauftragten besetzter Fachbeirat soll die DSO darin unterstützen, einheitliche medizinische Standards in der Durchführung der Organspende in allen sieben DSO-Regionen herzustellen.

Hintergrund dafür ist die der DSO im Transplantationsgesetz übertragene Aufgabe, Verfahrensanweisungen zur Umsetzung der Organspende in den Krankenhäusern zu erarbeiten.

"Wir müssen definitiv ausschließen, dass es in den Krankenhäusern schon bevor bei einem Patienten der Hirntod festgestellt wird, Aktivitäten Richtung Organspende gibt", sagte Hess.

Dazu bedarf es eines funktionierenden Transplantationsbeauftragten-Systems. Damit sei erst 2014 zu rechnen, sagte Hess. Der Ball liegt im Feld der Länder. Die müssen zunächst ihre Entnahmekrankenhäuser auflisten.

Notwendig sei zudem eine einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung, etwa über den Aufbau eines Transplantationsregisters.

Nicht nur das System der Organspende wird diskutiert. Auch die davon getrennten Strukturen der Organzuteilung und -verpflanzung stehen in Frage. Die Transplantationsmedizin kranke an drei Kardinalfehlern sagte Professor Karl-Walter Jauch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, im Vorfeld des 130. Chirurgenkongresses ab dem 30. April in München.

Zu viele Transplantationszentren stünden in Konkurrenz zueinander, so Jauch, das System bevorzuge Patienten mit geringen Überlebenschancen und das Fach diene dem Nachwuchs vor allem als "temporärer Karrierebeschleuniger" auf dem Weg in Führungspositionen.

Schwere Systemfehler bei Transplantationen

Die Transplantationsmedizin krankt nach Auffassung von Professor Karl-Walter Jauch, dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, an schweren Systemfehlern. Im Vorfeld des vom 30. April bis 3. Mai in München stattfindenden 130. Chirurgen-Kongresses hat die Fachgesellschaft eine Stellungnahme zur Situation in der Transplantationsmedizin erarbeitet, in der drei Fehlentwicklungen aufgezeigt werden.

Erdrückender Konkurrenzdruck unter den Transplantationszentren: Er führe zu einem Verteilungskampf um Organe. Dadurch würden auch Patienten auf die Warteliste gesetzt, die mit einer neuen Leber schlechte Überlebenszeiten hätten.

Jauch fordert als Konsequenz: "Wir müssen die Zahl von 47 Transplantationszentren in Deutschland auf sechs übergeordnete Zentren mit einem Netzwerk assoziierter Organzentren reduzieren."

Organverteilung nach dem MELD-Score: Anhand von drei Laborparametern lassen sich die Überlebenschancen von Patienten nach einer Lebertransplantation bewerten. In Deutschland sei daraus allerdings ein Sickest-first-Prinzip gemacht worden.

Patienten mit einem hohen MELD-Score würden bevorzugt, obwohl die Überlebenschancen dieser schwer kranken Menschen am geringsten sind. Das sei ein Fehler, der dazu führe, dass in Deutschland nur 75 Prozent der Patienten noch ein Jahr nach der Transplantation leben, in den USA, Kanada und Großbritannien jedoch über 90 Prozent. Bei der Organvergabe müssten auch Erfolgsaussichten berücksichtigt werden.

Mangelnde Professionalität: Das Fachgebiet sei heute nur ein Zwischenschritt in der beruflichen Laufbahn und diene als "temporärer Karrierebeschleuniger auf dem Weg zum Professor oder Chefarzt", kritisiert Jauch.

Darunter litten "professionelle Werte wie Redlichkeit, Verlässlichkeit, Transparenz und Menschenfreundlichkeit". Jauch schlägt ein dreijähriges Ausbildungskonzept für Transplantationsmediziner vor, um die Qualität zu sichern.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ungesunder Wettbewerb

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