Organspende

Gespanntes Warten auf BGH-Urteil

In München und Leipzig stehen Ärzte unter Anklage, denen Manipulationen im Zusammenhang mit Organtransplantationen vorgeworfen werden. Nicht nur dort wird mit Spannung erwartet, wie der BGH im Fall des vom Landgericht Göttingen freigesprochenen Transplantationschirurgen entscheidet.

Von Heidi Niemann Veröffentlicht:
Die Göttinger Transplantationsmedizin: Ausgangspunkt eines Medizin-Skandals mit dramatischen Folgen.

Die Göttinger Transplantationsmedizin: Ausgangspunkt eines Medizin-Skandals mit dramatischen Folgen.

© Stratenschulte / dpa

GÖTTINGEN. Drei Jahre nach Bekanntwerden des Transplantationsskandals dauert die juristische Aufarbeitung weiter an.

Der erste Prozess ist inzwischen abgeschlossen. Im Mai dieses Jahres hat das Landgericht Göttingen nach einem 20 Monate dauernden Mammutprozess den früheren Leiter der Transplantationschirurgie am Göttinger Uni-Klinikum frei gesprochen.

Ob dieses Urteil Bestand hat, muss sich noch zeigen. Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil Revision eingelegt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) muss nun entscheiden, ob er die Rechtsauffassung der Göttinger Kammer teilt oder ob das Verfahren neu aufgerollt werden muss.

Staatsanwälte in München und Leipzig aktiv

Die BGH-Entscheidung wird auch andernorts mit großer Spannung erwartet, weil es bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu derartigen Fällen gibt.

Dementsprechend sind auch die weiteren Anklagen, die inzwischen gegen Transplantationsmediziner anderer Kliniken anhängig sind, sehr unterschiedlich ausgefallen.

Die Staatsanwaltschaft München hat im März einen ehemaligen Oberarzt des Klinikums Rechts der Isar wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen angeklagt.

Er soll Blutwerte von drei Patienten manipuliert haben, um ihnen eine vorzeitige Lebertransplantation zu ermöglichen. Der Mediziner bestreitet dies.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig stuft die Manipulation von Patientendaten dagegen als gravierender ein. Sie hat im Juli zwei ehemalige Oberärzte der Uni-Klinik Leipzig wegen versuchten Totschlags in 31 Fällen angeklagt.

Die Mediziner hätten durch Falschangaben von Patientendaten an die Organvergabestelle Eurotransplant billigend in Kauf genommen, dass andere todkranke Patienten bei der Organvergabe übergangen wurden. Dies sei grundsätzlich als versuchtes oder vollendetes Tötungsdelikt zu bewerten.

Freispruch vor Landgericht Göttingen

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte dies ähnlich gesehen und in dem ersten Verfahren gegen den Göttinger Chirurgen solche Manipulationsfälle als versuchten Totschlag bewertet.

Nach ihrer Ansicht hat der Mediziner durch Falschangaben zugunsten seiner eigenen Patienten billigend in Kauf genommen, dass andere Patienten auf der Warteliste nach hinten rutschen und sterben könnten.

Die Staatsanwaltschaft hatte für den 47-Jährigen deshalb acht Jahre Haft und ein lebenslanges Berufsverbot als Transplantationschirurg gefordert.

Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Das Landgericht Göttingen war nach der Beweisaufnahme überzeugt, dass der Chirurg die Manipulation von Patientendaten veranlasst oder darum gewusst hatte.

Trotzdem sprach es ihn frei. Die Manipulationen seien zwar nach moralischen Wertvorstellungen zu missbilligen, sie seien aber zum damaligen Zeitpunkt nicht strafbar gewesen.

Nach Überzeugung der Richter hat der 47-Jährige auch gegen Richtlinien der Bundesärztekammer (BÄK) verstoßen. Dies sei jedoch strafrechtlich nicht relevant, weil diese verfassungswidrig seien.

Die Richtlinien schreiben vor, dass alkoholkranke Patienten nur dann eine Spenderleber erhalten dürfen, wenn sie zuvor sechs Monate lang trocken waren. Außerdem sind Patienten ausgeschlossen, die sich in einem fortgeschrittenen Stadium einer Krebserkrankung befinden.

Nach Ansicht des Gerichts verstoßen diese Richtlinien gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, weil sie keine Ausnahmen und keine standardisierten Kontrollen vorsehen. Alkoholikern dürfe nicht generell der Zugang zu einer medizinischen Behandlung versperrt werden.

Außerdem bezweifelten die Richter, dass die BÄK legitimiert sei, derartig weitreichende Fragen von Leben und Tod zu regeln. Dies obliege vielmehr dem Gesetzgeber.

BGH-Urteil erst in ein paar Monaten erwartet

Vom Ausgang der Revision wird abhängen, ob die Staatsanwaltschaft Braunschweig Anklage gegen den Ex-Leiter der Gastroenterologie und Endokrinologie am Göttinger-Uniklinikum erhebt. Dieser steht ebenfalls in Verdacht, an den Manipulationen beteiligt gewesen zu sein.

Gegen den Göttinger Transplantationschirurgen ist außerdem noch ein weiteres Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Regensburg anhängig. Schon bei seiner früheren Tätigkeit an der Regensburger Uniklinik soll es dort zu Manipulationen gekommen sein. Bis zur BGH-Entscheidung dürften noch Monate vergehen.

Bislang liegt das Urteil des Landgerichts Göttingen nicht in schriftlicher Form vor, die Frist dafür endet Mitte September. Danach hat die Staatsanwaltschaft einen Monat Zeit, die Revision zu begründen. Erst dann wandert der Fall zum BGH.

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