Kliniken sind für behinderte Menschen oft ein Albtraum
Die Versorgung von Menschen mit Behinderung im ambulanten wie im stationären Bereich trifft oft nicht die Bedürfnisse der Patienten.
Veröffentlicht:BERLIN. Ein ungutes Gefühl beschleicht Menschen mit Behinderung und deren Angehörige, wenn sie in die Klinik müssen: Laut einer Studie von Professor Wilfried Schnepp von der Universität Witten/Herdecke fühlen sich viele Behinderte im Krankenhaus verloren. Zudem sei der Zugang für Angehörige oder Betreuer in der Klinik deutlich erschwert. "Es gibt für behinderte Menschen keine Auskünfte darüber, in welchen Häusern sie bedarfsgerecht versorgt werden können", so Schnepp auf einem gemeinsamen Kongress der Fachverbände der Behindertenhilfe in Berlin.
"Menschen mit Behinderung überfordern das Krankenhaus", stellt Professor Michael Seidel, Leitender Arzt der von Bodelschwinghschen Stiftung Bethel, fest. Patienten mit geistiger oder mehrfacher Behinderung verstehen die neue Situation in der Klinik nicht, können sich nicht an die Abläufe anpassen und sind in ihrer Kommunikation mit dem Personal eingeschränkt. Dazu kommt das Problem der bedarfsgerechten Pflege: "Oft verlangen Kliniken, dass die Pflege von einer dritten Person übernommen wird", so Seidel. Wird kein Betreuer mitgebracht, verweigern Kliniken laut Berichten von Angehörigen oft die Aufnahme.
Bei solchen Fällen müsse die Öffentlichkeit aufmerksam gemacht werden. "Wenn es passiert, dass Menschen drei Tage ohne Essen, Pflege und Versorgung in den Kliniken sich selbst überlassen werden, dann erwarte ich, dass es zu einer Anzeige kommt", sagte der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU). Auch die Versorgung der behinderten Menschen in Kliniken müsse verbessert werden, das DRG-System sei dafür nicht ausgelegt, so Hüppe.
"Nur das Stichwort ,verminderte Intelligenz‘ zu codieren, löst das Problem kaum", sagte Dr. Bernd Metzinger von der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Die Defizite in der Versorgung der Menschen mit Behinderung sind laut Metzinger noch nicht in der Selbstverwaltung angekommen. Er plädiert für mehr Aus- und Weiterbildung der Pflegekräfte und Ärzte im Umgang mit Behinderten. Voraussetzung dafür sei aber eine Veränderung der Einstellung. "Auch wir Ärzte müssen uns bei der Versorgung von Menschen mit Behinderung stärker engagieren", sagte Professor Christoph Fuchs von der Bundesärztekammer.
Um auch die ambulante Versorgung für Behinderte zu verbessern, stellte Wolfgang Zöller, Patientenbeauftragter der Bundesregierung, ein neues Register in Aussicht: "Wir müssen ein Register schaffen, das zeigt, wo bedarfsgerechte Versorgung im ambulanten Bereich geboten wird", so der CSU-Politiker.