Demenzpatienten
Perspektiven für pflegende Angehörige
Eine unendliche Geschichte: Pflegende Angehörige von Demenzpatienten müssen effizient unterstützt werden. Die Kammern Westfalen-Lippe und Nordrhein analysieren Defizite und was Ärzte konkret tun können, um sie abzubauen.
Veröffentlicht:DÜSSELDORF. Bei der Versorgung von Demenzpatienten müssen die pflegenden Angehörigen viel stärker in den Blick genommen werden als bisher. Sie brauchen gezielte Beratung und Unterstützung.
Das hat nicht nur positive Folgen für die Pflegenden selbst. "Wenn man etwas für die Angehörigen tut, geht es auch den Patienten besser", sagte Professor Hans Georg Nehen, Direktor des Geriatrie-Zentrums Haus-Berge in Essen.
"Wenn wir nicht aufpassen, sind die Pflegenden von heute die Patienten von morgen", warnte Nehen bei der Abschlussveranstaltung zum Aktionsjahr "Demenz im Blick" der Ärztekammern Nordrhein (ÄKNo) und Westfalen-Lippe (ÄKWL) in Düsseldorf.
Häufig seien es die Schwächsten in einer Familie, die die Pflege übernehmen. Sie wüssten in der Regel nicht, was auf sie zukommt. Nehen verwies auf eine Untersuchung, nach der rund ein Drittel der Angehörigen ihre Lebensqualität schlechter einschätzen als die des Demenzkranken.
Viele pflegende Angehörige leiden unter Depressionen oder einer psychosomatischen Erkrankung und haben einen hohen Arzneimittelverbrauch.
Wichtig sei, dass die Pflegenden die Krankheit und ihre Auswirkungen auf die Patienten verstehen, betonte er. "Wissen über Demenz reduziert Depression und Belastung der pflegenden Angehörigen."
Entscheidungen über die Behandlung der Demenzkranken am Lebensende könnten durch Aufklärung über die Krankheit positiv beeinflusst werden, eine pathologische Trauer der Angehörigen könne verhindert werden. "Die Schulung der Angehörigen ist die conditio sine qua non. Sie gehört genauso zur Demenz wie die saubere Diagnostik und Therapie."
Psychologisches Fingerspitzengefühl erforderlich
Die Gesamtsituation der Demenzkranken und vor allem der Angehörigen ist nach wie vor sehr unbefriedigend, findet Regina Schmidt-Zadel, die 1. Vorsitzende des Landesverbands der Alzheimer-Gesellschaften in Nordrhein-Westfalen. Die Hilfesysteme seien auf die besonderen Beeinträchtigungen nicht ausreichend eingestellt.
Für Ärzte, insbesondere Hausärzte sei die Demenz eine diagnostische und zwischenmenschliche Herausforderung. "Das Einbeziehen der pflegenden Angehörigen ist unumgänglich, jedoch zeitintensiv und aufwändig, und es erfordert psychologisches Fingerspitzengefühl", sagte sie.
Die SPD-Politikerin plädierte dafür, dass sich Ärzte aller Fachrichtrungen in den lokalen Netzwerken zur Unterstützung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen engagieren. "Nicht nur Geriater und die Gerontopsychiatrie sind mit dem Thema Demenz konfrontiert", sagte Schmidt-Zadel.
Ein wesentliches Ziel des Aktionsjahres "Demenz im Blick" sei es gewesen, Verständnis und Sensibilität für Menschen mit Demenz zu erhöhen und einer gesellschaftlichen Ausgrenzung entgegenzuwirken, erläuterte der Vizepräsident der ÄKNo Bernd Zimmer. "Das darf kein Strohfeuer bleiben."
Die Lebensqualität der Menschen mit Demenz hänge entscheidend davon ab, wie sich die Gesellschaft gegenüber den Betroffenen verhält.
Hilfenetze im Bedarfsfall
Die Kammern wollten mit dem Aktionsjahr dazu beitragen, dass sich Ärzte mehr mit den Strukturen vor Ort beschäftigen und im Bedarfsfall Hilfenetze benennen können.
"Mit dieser Lotsenfunktion können sie die Versorgung von Menschen mit Demenz in ihrem häuslichen Umfeld sowie die Unterstützung ihrer Angehörigen deutlich verbessern", betonte der Hausarzt aus Wuppertal.
Während des Aktionsjahres sei es gelungen, unterschiedliche Berufsgruppen an einen Tisch zu bringen, lobte die Demenzbeauftragte der ÄKWL Stefanie Oberfeld. Institutionalisierte Netzwerkstrukturen könnten ein Lösungsansatz für bessere Versorgung sein.
Die Versorgung von Demenzkranken im Krankenhaus sei eine besondere Herausforderung, sagte Oberfeld. Jeder fünfte Krankenhauspatient leide zusätzlich an einer Demenzerkrankung.
"Noch immer wissen wir viel zu wenig über die Bedürfnisse dieser Patienten und das, was wir wissen, findet an zu wenigen Stellen Einzug in den klinischen Alltag."