Finanzierung
Spahn will Pflege-Beitrag für Kinderlose erhöhen
Der Bundestag hat Weichenstellungen in der Pflege vorgenommen und das Pflegepersonalstärkungsgesetz beschlossen. Unterdessen fordert Bundesgesundheitsminister Spahn, dass Kinderlose mehr für die Pflege einzahlen sollen. Der Pflege-Bevollmächtigte der Regierung präsentiert einen ganz neuen Vorschlag.
Veröffentlicht:BERLIN. Ein Milliardenpaket für mehr neue Stellen und bessere Arbeitsbedingungen soll die Personalnot in der Pflege lindern. Der Bundestag beschloss am Freitag das Pflegepersonalstärkungsgesetz.
Es ist ein Vorhaben von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), das unter anderem 13.000 zusätzliche Stellen in der Altenpflege vorsieht.
In der Alten- und Krankenpflege in Deutschland sind bundesweit rund 35.000 Stellen für Fachkräfte und Helfer unbesetzt.
"Größter Schritt in der Pflege seit 20 Jahren"
"Wir halten Wort. Mit der Verabschiedung des Pflege-Sofortprogramms lösen wir das Versprechen an alle Pflegekräfte in Deutschland ein, ihren Berufsalltag konkret zu verbessern", sagte Spahn.
„Das Gesetz ist ein ganz wichtiges Zeichen für die Pflege in Deutschland und der größte Schritt in der Pflege seit 20 Jahren."
Gleichzeitig sei es nur ein Anfang. Er kündigte an, dass weitere Gesetze und Verbesserungen in der Pflege in der Zukunft folgen sollen.
Zum 1. Januar 2019 tritt das Pflegepersonalstärkungsgesetz in Kraft. Jede zusätzliche Pflegestelle in Krankenhäusern soll dann komplett von den Krankenkassen bezahlt werden. Kommen sollen auch Erleichterungen im Arbeitsalltag von Pflegekräften.
Es gibt Jubel und Kritik
Nach dem Bundestagsbeschluss sind die Reaktionen auf das Pflegestärkungsgesetz vielfältig. „Endlich am Ziel“ wähnen sich die kirchlichen Fachverbände für Altenarbeit und Pflege, DEVAP und VKAD.
Kassen seien künftig zur vollständigen Refinanzierung der Tariflöhne in der häuslichen Krankenpflege verpflicht. Bislang litten die ambulanten Pflegedienste der Caritas und Diakonie, welche nach Tarif entlohnen, unter einer nicht auskömmlichen Refinanzierung für ihre Leistungen im Bereich der häuslichen Krankenpflege.
Dagegen warnte der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), die angekündigte Finanzierung von 13.000 zusätzlichen Pflegestellen drohe zu einer „Luftnummer“ zu werden.
Eine bessere Betreuung durch mehr Hilfskräfte dagegen werde „verweigert“. Das Gesetz löse die drohenden Versorgungsengpässe nicht.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft gab zu bedenken, es hänge von vielen Umsetzungsschritten ab, ob es tatsächlich gelingt, die Pflegekosten vollständig zu refinanzieren.
Größter Wermutstropfen im Gesetz seien die verschärften Sanktionen bei Untergrenzen für Personalbesetzungen in pflegesensitiven Abteilungen.
Dass nun über Vergütungsabschläge hinaus Krankenhäusern auch Fallzahlbegrenzungen auferlegt werden, könne aus Personalengpässen „Versorgungsengpässe für die Bevölkerung im Einzugsbereich der betroffenen Klinik machen“, so die DKG.
Reha-Häuser: Wir sind im Nachteil
Der Bundesverband Geriatrie monierte, dass für Pflegekräfte in Rehakliniken kein zusätzliches Geld bereitgestellt werden soll. Dass diese Einrichtungen, in denen 28.000 Pflegekräfte beschäftigt sind, nicht mit Kliniken und Heimen gleichgestellt werden sollen, sei sachlich nicht erklärbar.
Ins gleiche Horn stießen die Grünen im Bundestag, die am Freitag im Bundestag einen Entschließungsantrag einbrachten.
Es laufe auf eine „systematische Schwächung“ von Langzeitpflege und Reha hinaus, wenn sich Krankenhäuser einen „Überbietungswettbewerb um neue Pflegekräfte liefern, der zu Lasten der geringer entlohnten Bereiche geht“, heißt es.
Die FDP kritisierte insbesondere, dass es noch kein Verfahren zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Krankenhäusern gebe und die ambulante Pflege zu kurz käme. Außerdem sei die Besetzung der neuen Stellen noch ungeklärt.
„Personal, das gestärkt werden soll, muss erst einmal vorhanden sein“, sagte die pflegepolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Nicole Westig.
Sie forderte Spahn auf, ein Konzept vorzulegen, um mehr Pflegekräfte zu gewinnen.
Spahn will höheren Pflege-Beitrag für Kinderlose
Dies sei eine Gerechtigkeitsfrage, schreibt Spahn in einem Gastbeitrag für die Zeitungen der „Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft“ (Freitag).
„Im Umlagesystem bekommen die Alten das Geld von den Jungen – auch, wenn es die Kinder nur der Anderen sind.“ Er sage dies ganz bewusst als „selbst Kinderloser, der bereit ist, finanziell mehr zur Zukunftsfähigkeit des Systems beizutragen“.
Derzeit liegt der Beitragssatz zur Pflegeversicherung für Kinderlose bereits um 0,25 Prozentpunkte höher als für Versicherte mit Kindern. Dieses Grundprinzip sei richtig und vorbildlich, sagte der Bewerber um den CDU-Vorsitz.
Doch müssten die Dinge jetzt generationengerecht gestaltet werden, „sonst werden die immer weniger Jungen des übernächsten Jahrzehnts Wege finden, ihre finanzielle Überlastung abzuschütteln oder zu umgehen“.
Heil: Das ist eine schräge Idee
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat Spahns Forderung nach höheren Rentenbeiträgen für Kinderlose kritisiert.
„Es ist mehr als eine schräge Idee, Kinderlose zu bestrafen“, sagte Heil am Freitag laut einer Mitteilung seines Ministeriums. „Zumal die Kinderlosigkeit in vielen Fällen ungewollt ist.“
Es gehe ihm vielmehr darum, Familien zu unterstützen, so Heil. Für mehr Geld in der Rentenversicherung „sollten wir lieber über einen höheren Rentenversicherungsbeitrag für sehr reiche Menschen nachdenken.“
Unterstützung für pflegende Angehörige gefordert
Der Pflege-Bevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, macht sich dafür stark, dass pflegenden Angehörigen mit Fachpersonal unter die Arme gegriffen wird.
„Ich schlage vor, in der sozialen Pflegeversicherung einen Pflege-Co-Piloten in Form wiederholter aufsuchender Begleitung und Beratung zu verankern“, sagte Westerfellhaus der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag).
Vorbild dafür sei „die bekannte und bewährte Beratung und Betreuung frischgebackener Eltern durch Hebammen“. Den Co-Piloten sollen laut Westerfellhaus die Kassen bezahlen.
Viele pflegende Angehörige in Deutschland fühlen sich überlastet und wollen mit der Pflege deshalb gern aufhören.
So stünden 185.000 Menschen, die heute Angehörige zu Hause pflegen, kurz davor, diesen Dienst einzustellen, geht aus dem am Donnerstag in Berlin präsentierten Pflegereport 2018 der Barmer hervor.
„Überforderte Angehörige brauchen wirksame Entlastung, bevor Pflegebedürftige Schaden nehmen“, mahnte Westerfellhaus. (dpa/fst/ths)
Wir haben den Beitrag aktualisiert am 09.11.2018 um 17:26 Uhr.