Migranten
Herausforderungen für Reha-Mitarbeiter steigen
In mancher Reha-Klinik liegt der Anteil der Patienten mit Migrationshintergrund bei 30 Prozent. Damit die Behandlung erfolgreich sein kann, müssen Mitarbeiter besser geschult werden.
Veröffentlicht:FRANKFURT/MAIN. Reha-Kliniken sollten sich auf Patienten aus anderen Kulturkreisen einstellen. Das hat der Bielefelder Professor Oliver Razum beim 26. Reha-Kolloquium in Frankfurt empfohlen. "Ein kultursensibles Essensangebot sowie Piktogramme zur Orientierung in der Klinik werden in Zukunft nicht ausreichen, um sich auf Menschen mit Migrationshintergrund angemessen einzustellen", sagte der Arzt und Gesundheitswissenschaftler.
Künftig werde es verstärkt darum gehen, das Klinik-Personal auf den Umgang mit Patienten aus unterschiedlichen Herkunftsländern vorzubereiten. Das jährliche Reha-Kolloquium ist mit rund 1600 Teilnehmern das wichtigste Forum der Rehabilitation in Deutschland. Dieses Jahr stand die Tagung unter dem Titel "Prävention und Rehabilitation in Zeiten der Globalisierung". Die Globalisierung ist längst in der Reha angekommen. In der Klinik "Sonnenblick" der Deutschen Rentenversicherung Hessen zum Beispiel liegt der Anteil an Rehabilitanden mit Migrationshintergrund zuweilen bei 30 Prozent. Sprachliche und kulturelle Hürden sind dann täglich zu meistern.
Unterschiedliches Schmerzempfinden
"Patienten aus Japan und Russland spielen Schmerzen und Beschwerden eher herunter, Menschen aus dem Mittelmeer drücken diese dagegen eher aus", berichtete Chefarzt Dr. Ulf Seifart. Da die Rehabilitation vor allem eine "sprechende Medizin" sei, müssten Ärzte ein "anderes Ohr" entwickeln, um das jeweilige Verständnis der Erkrankung und die verschiedenen Ausdrucksformen der Patienten einschätzen zu lernen. "Die Globalisierung bringt viele ethische und religiöse Fragen mit sich, auf die sich die Kliniken einstellen müssen", sagte Seifart. Hierzu bedarf es auch der Entwicklung von Handlungskompetenzen durch die Klinikträger.
Razum plädiert dafür, den Umgang mit Unterschiedlichkeit systematisch anzugehen. Beschäftigte in Kliniken sollten zunächst gemeinsam reflektieren, was sie an dem Verhalten der ausländischen Rehabilitanden als fremd empfinden und was sie irritiert. Weiterhin seien Aushandlungsprozesse nötig, um den Patienten zu vermitteln, was in einer Reha möglich ist und was nicht. Schnell könne dies auch politische und kulturelle Dimensionen haben.
Differenzen in den einzelnen Gruppen
Menschen, die aus ein- und demselben Herkunftsland stammen, seien selten eine homogene Gruppe. Fortschrittlich Denkende, Traditionsverhaftete finden sich ebenso darunter wie streng Religiöse oder politische Ideologen. "Es geht darum, zu erkennen, dass alle Patienten unterschiedliche Sichtweisen und Bedürfnisse haben. Die kulturelle Prägung ist nur eine davon", betonte Razum.
Auch die Medizin hat von der Globalisierung profitiert. Zum Beispiel bei den Krebserkrankungen. Therapien, die weltweit in Forschungslaboren entwickelt wurden, verbessern heute die Behandlung und steigern die Überlebenschancen der Betroffenen. Während früher eine Krebsdiagnose ein Todesurteil war, so der Onkologe Seifart, überleben derzeit etwa 60 Prozent aller Patienten die Erkrankung, unter den 18- bis 39-Jährigen sogar 80 Prozent.
Dann gehe es in der Rehabilitation darum, die Betroffenen trotz ihrer Beeinträchtigungen auf die Rückkehr ins "normale" Leben und an den Arbeitsplatz vorzubereiten. Die meisten Rehabilitanden strebten dies an, Einzelne haben aber auch andere Erwartungen. "Eine Patientin, die aus Griechenland stammte und 40 Jahre lang in Deutschland gearbeitet hatte, ging davon aus, dass sie nach der onkologischen Reha ihre Rente antreten werde. Dies war aber medizinisch gar nicht indiziert", berichtete Seifart. Rehabilitanden, aus anderen Ländern oder Kulturkreisen, würden sich hingegen in den Beratungen wundern, dass das deutsche Sozialsystem solche Möglichkeiten bereithält.
Mit der Globalisierung hat sich auch die Arbeitswelt verändert. Die Aufgaben sind verdichtet, der Konkurrenzdruck ist hoch. Nötig sei daher auch, so Seifart, die Reha-Konzepte weiter zu entwickeln und vermehrt auf diese Probleme der Patienten einzugehen. Dies könne durch intensivierte ergotherapeutische und psychologische Angebote im Rahmen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) sowie durch die bessere Integration der Sozialberatungen an den Kliniken erfolgen.