Infektionsschutz
Gesetzesziele unerreichbar, weil Ärzte fehlen
Bis 2016 benötigen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes mehr als 500 Kliniken eigene Hygieniker. Das ist kaum zu schaffen, warnen Fachleute.
Veröffentlicht:BERLIN. Das Infektionsschutzgesetz der Bundesregierung verfehlt wesentliche Ziele. Davon zeigten sich Fachleute beim 2. Berliner Hygienesymposium der Initiative Infektionsschutz am Donnerstag überzeugt.
Weder werde das zur Umsetzung des Gesetzes und der Länderhygieneverordnungen benötigte Personal zur Verfügung stehen, noch werde das Ziel einheitlicher Bedingungen in Deutschland erreicht. Ihr Fazit: Ab 2016 produzierten die Krankenhäuser in Deutschland eine nicht gesetzeskonforme Dienstleistung.
Noch vor den Wahlen will die Bundesregierung den Krankenhäusern mit einer Finanzspritze von 160 Millionen Euro die Umsetzung des 2011 novellierten Gesetzes erleichtern.
Krankenhaushygieniker sind knapp
Eines der in Frage stehenden Ziele ist, dass bis 2016 in allen Kliniken mit mehr als 400 Betten mindestens ein Arzt als Krankenhaushygieniker arbeiten muss. "Es wird knapp," kommentierte Professor Axel Kramer vom Universitätsklinikum Greifswald diese Vorgabe.
Mehr als 500 Kliniken in Deutschland müssten darauf reagieren. Derzeit gebe es aber lediglich etwa 90 anerkannte Krankenhaushygieniker, die aber nicht alle in diesem Bereich arbeiteten. Um den fehlenden Bedarf noch rechtzeitig zu decken, müsste in jedem Bundesland spätestens 2014 damit begonnen werden, 30 bis 40 Ärzte entsprechend weiterzubilden. Die Weiterbildung dauert derzeit zwei Jahre.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die unterschiedliche Regelungstiefe in den Länder-Hygieneverordnungen. Aufgrund von Kann-Bestimmungen in den Vorgaben des Bundes werde kein einheitliches Anspruchsniveau der Krankenhaushygiene gewährleistet, sagte Kramer.
Die Initiative Infektionsschutz schlägt daher eine Reihe von Punkten vor, die in allen Ländern gleich gehandhabt werden sollten. So sollten Arztpraxen, Rettungsdienste, Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflegedienste generell unter das Gesetz fallen. Eine Screeningstrategie soll Patienten mit MRSA-Risiko früh identifizieren helfen.
Keime kosten 2,5 Milliarden Euro
Die Angaben zur Zahl der von Krankenhausinfektionen betroffenen Patienten und der Folgen schwanken.
Das Bundesgesundheitsministerium gibt zwischen 400.000 und 600.000 an. Das Nationale Referenzzentrum für nosokomiale Infektionen an der Berliner Charité nennt in einer Hochrechnung für das Jahr 2009 rund 620.000 Infektionen im Jahr bei etwa 560.000 Patienten. Etwa ein Drittel der Infektionen gilt als vermeidbar. Neuere Zahlen liegen nicht vor.
Professor Claus Bartels, Geschäftsführer der MedAdvisors GmbH in Hamburg, bezifferte die Kosten der nosokomialen Infektionen für das Gesundheitswesen in Deutschland auf jährlich 2,5 Milliarden Euro, das Einsparpotenzial aus der Vermeidung auf 400 bis 900 Millionen Euro.
Er warnte vor neuen resistenten Erregern, für die es derzeit noch keine Antiinfektiva gebe.