Gastbeitrag

Die größte Gefahr von E-Zigaretten

Ist die E-Zigarette weniger gesundheitsschädlich als die Tabak-Zigarette? Oder kann sie Menschen dabei helfen, mit dem Rauchen aufzuhören? Beides möglich, findet unsere Gastautorin vom DKFZ. Sie warnt aber vor einer ganz anderen Gefahr.

Von Dr. Martina Pötschke-Langer Veröffentlicht:
Keineswegs gefahrlos: Auch die E-Zigarette enthält neben Nikotin riskante Stoffe.

Keineswegs gefahrlos: Auch die E-Zigarette enthält neben Nikotin riskante Stoffe.

© Friso Gentsch / dpa

Die E-Zigarette ist derzeit Gegenstand einer sehr kontrovers geführten Debatte auch unter Ärzten. Der Streit um die Deutungshoheit tobt besonders heftig in Großbritannien, wo die Konsumrate bei acht Prozent liegt.

Dort warnt die British Medical Association (BMA) vor E-Zigaretten, während das Royal College of Physicians (RCP) sich für deren Gebrauch ausgesprochen hat. In Deutschland konsumieren nur 0,5 Prozent der Bevölkerung E-Zigaretten.

Zur Person

Dr. Martina Pötschke-Langer leitet die Stabsstelle Krebsprävention des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum, das mehrere Publikationen zur E-Zigarette herausgebracht hat, fasst in einer aktuellen Stellungnahme den Stand des Wissens zusammen.

Demnach sind E-Zigaretten als Verbraucherprodukte gesundheitlich bedenklich, weil sie das abhängig machende Nikotin enthalten, das - neben anderen physiologischen Wirkungen - das Wachstum von Tumoren fördert und im Verdacht steht, Krebs auszulösen.

Für E-Zigaretten-Konsumenten, die zu häufig hintereinander tief inhalieren, besteht zudem die Gefahr einer Nikotinüberdosierung.

Eine Ausstiegshilfe? Das ist umstritten

Auch andere Inhaltsstoffe sind gesundheitlich bedenklich: Das Chemikaliengemisch in E-Zigaretten besteht hauptsächlich aus Propylenglykol und/oder Glyzerin. Bei tiefer Inhalation kann das Aerosol kurzzeitige Atemwegsirritationen auslösen.

Menschen, die in der Unterhaltungsbranche regelmäßig propylenglykolhaltigem Nebel (Theaternebel) ausgesetzt sind, leiden vermehrt an akuten und chronischen Atemwegsreizungen. Manche der beigemischten Aromastoffe können als Kontaktallergene wirken.

Und schließlich enthielten mehrere getestete Liquids und Aerosole in geringen Mengen Kanzerogene, für die kein Schwellenwert für eine Unbedenklichkeit attestiert werden kann. Eine Krebsgefährdung kann insbesondere bei Dauerkonsum also nicht ausgeschlossen werden.

Ferner wird durch die Ähnlichkeit mit Tabakzigaretten - in Form und Gebrauch - das Rauchritual beibehalten, sodass möglicherweise das Suchtverhalten bestehen bleibt und ein Rauchstopp erschwert wird.

Die meisten Konsumenten sind Raucher, die die E-Zigarette als Hilfsmittel zum Rauchstopp nutzen oder die Anzahl gerauchter Tabakzigaretten reduzieren wollen. Doch E-Zigaretten sind bislang kein anerkanntes Hilfsmittel zum Rauchstopp.

Widersprüchliche Studienlage

Die Studienlage zur Effektivität der E-Zigarette als Hilfsmittel zum Rauchstopp besteht aus einigen Populationsstudien und wenigen klinischen Studien mit widersprüchlichen Ergebnissen und teilweise methodologischen Mängeln oder Beschränkungen. Die Evidenz reicht bislang nicht aus, um qualifizierte Aussagen zur Wirksamkeit der E-Zigarette als Hilfsmittel zum Rauchstopp zu treffen.

Der Großteil der E-Zigarettenkonsumenten nutzt gleichzeitig auch die Tabakzigarette ("dual use"). Diese Raucher reduzieren ihren Tabakkonsum lediglich, statt ihn ganz aufzugeben.

Doch die gesundheitlichen Vorteile einer Reduzierung sind gering: Zwar sinkt der Blutdruck, und Kurzatmigkeit und Husten lassen nach. Langfristig jedoch sterben starke Raucher, die ihren Tabakkonsum reduziert haben, ebenso häufig an Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Raucher, die ihren Konsum beibehalten haben.

E-Zigaretten sollten daher nicht zusätzlich zu Tabakzigaretten, sondern - wenn überhaupt - ausschließlich mit dem Ziel eines vollständigen Rauchstopps verwendet werden.

Tatsächlich sind E-Zigaretten lediglich im Vergleich mit Tabakzigaretten weniger schädlich; nur ein vollständiger Umstieg vom Rauchen auf E-Zigaretten kann wahrscheinlich das Gesundheitsrisiko senken.

Für Nichtraucher jedoch, die keinerlei schädliche Substanzen inhalieren, bedeuten E-Zigaretten aus oben genannten Gründen eine Erhöhung des Gesundheitsrisikos.

Macht die E-Zigarette Rauchen wieder salonfähig?

Das Fatale an der Kontroverse besteht in einer Unsicherheit im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen. Selbst wenn E-Zigaretten für Raucher möglicherweise sinnvoll wären, was wir nicht wissen, untergraben sie möglicherweise die Tabakprävention, was noch nicht geschehen ist.

Befürchtet wird, dass die Vermarktung der E-Zigarette als Lifestyle-Produkt das Rauchen normalisiert, insbesondere wenn die E-Zigarette in Nichtraucherbereichen konsumiert und an Jugendliche ungehindert verkauft werden darf.

Immer häufiger findet ein aggressives Marketing gegenüber Kindern und Jugendlichen statt, die mit vermeintlich harmlosen, schmackhaften (auch nikotinfreien) E-Zigaretten und Aromen wie Gummibärchen oder Schokolade, umworben werden.

Zigaretten sind seit über hundert Jahren auf dem Markt, doch heutzutage würde keine Regierung mit dem aktuellen Wissen um die Gesundheitsgefahren, die von Zigaretten ausgehen, deren Neueinführung genehmigen.

Auch wenn die E-Zigarette nicht ein mit der Tabakzigarette vergleichbares Risiko darstellt, sind deren Langzeitwirkungen auf die Gesundheit unbekannt. Daher sollten wir als Ärzte besonders vorsichtig bei Empfehlungen sein.

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