Sterbehilfe

Bahrs Rückendeckung für Leutheusser

Alles richtig gemacht? Lob von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) für seine Kollegin aus dem Justizressort. Ihre Pläne für ein Gesetz machten Ärzte ausdrücklich nicht zu Sterbehelfern, sagte Bahr - und kontert die heftige Kritik.

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Zweimal FDP: Leutheusser-Schnarrenberger und Bahr.

Zweimal FDP: Leutheusser-Schnarrenberger und Bahr.

© Wolfgang Kumm / dpa

BERLIN (af). Das Gesundheitsministerium stellt sich hinter den umstrittenen Gesetzentwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zur Sterbehilfe.

Es sei nicht das Ziel des Entwurfs, Ärzte zu Sterbehelfern zu machen, sagte Bahr der "Passauer Neuen Presse". Der aktuelle Gesetzentwurf liegt der "Ärzte Zeitung" vor.

Bahr reagierte mit seiner Solidaritätsbekundung auch auf die massive Kritik von Bundesärztekammerpräsident Dr. Frank Ulrich Montgomery.

Der hatte gefordert, den Passus aus dem Entwurf wieder zu streichen, mit dem Ärzte und Pflegekräfte womöglich straffrei gestellt werden könnten, wenn sie einem nahestehenden Sterbewilligen beim Suizid hälfen.

Montgomery nannte diese Privilegierung von Ärzten in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung "völlig überflüssig".

Damit werde Ärzten und Pflegern explizit gestattet, Patienten, zu denen sie ein besonderes persönliches Verhältnis haben, beim Suizid zu unterstützen.

Dies sehen Daniel Bahrs Beamte und wohl auch der Minister selbst anders: Angehörige, Ärzte und Pflegekräfte nicht für die Hilfe zur Selbsttötung eines sehr nahe stehenden Menschen belangen zu wollen, sei gerechtfertigt, geht aus einer Stellungnahme hervor, die das Gesundheitsministerium zum Entwurf beim Justizministerium abgegeben hat.

Zöller: Unsicherheit durch Ausnahmen

Zumal sich für Ärzte nichts ändere. Auch ihr Berufsrecht bleibe unangetastet, heißt es im Justizministerium.

Ziel sei ausschließlich die Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung des Suizids wie die des ehemaligen Hamburger CDU-Senators Roger Kusch. Das ärztliche Berufsrecht verbietet Ärzten in Paragrad 16 die Beteiligung an Suiziden.

Der Gesetzentwurf erlaube nicht mehr Sterbehilfe, sondern schaffe mehr Straftatbestände, widerspricht Leutheusser-Schnarrenbergers Staatssekretär Max Stadler.

Neu sei, dass der bestraft werden solle, der mit der Beihilfe zum Suizid fortlaufend sein Geld verdiene.

Dann solle man es auch dabei belassen, meint dazu hingegen der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Wolfgang Zöller (CSU). Zusätzliche Ausnahmeregelungen schüfen Rechtsunsicherheit.

Unterdessen hat auch Bayerns Justizministerin Beate Merk (ebenfalls CSU) den Gesetzentwurf abgelehnt. Straffreiheit für Ärzte dürfe es nicht geben, lautet ihre Position.

Eine kuriose Wende: Denn noch vergangene Woche kursierte eine Stellungnahme aus ihrem Ministerium, in der deutlich mehr Freiheiten bei der Beihilfe zur Selbsttötung verlangt wurde.

Der Gesetzentwurf befindet sich derzeit in der Abstimmungsphase zwischen den Ministerien. Verantwortlich zeichnet das Justizministerium (BMJ). Noch in diesem Jahr solle er dem Kabinett vorgelegt werden, so ein BMJ-Sprecher.

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Kommentare
Lutz Barth 08.08.201208:07 Uhr

Bayerns Justizministerin Beate Merk unterliegt folgenschwerem Rechtsirrtum!

Mit Verlaub: Vielleicht scheint es doch angeraten, dass der parlamentarische Gesetzgeber sich ausreichend Zeit ausbedingt, um einen Gesetzentwurf zur „Sterbehilfe“ auf den Weg zu bringen. Der aktuelle Diskurs zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass überwiegend erhebliche Rechtsirrtümer verkündet werden und erkennbar auch Justizminister hiervon nicht ausgenommen sind.

Die Position von Frau Merk, „Straffreiheit für Ärzte dürfe es nicht geben“, löst ungläubiges Staunen aus.

Die Beihilfe zum Suizid ist auch für Ärzte ist derzeit straffrei und dabei sollte es auch tunlichst bleiben, und zwar gerade in Kenntnis dessen, dass das ärztliche Berufsrecht mit Blick auf das Verbot der ärztlichen Mitwirkung bei einem frei verantwortlichen Suizid eines Schwersterkrankten oder Sterbenden einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhält.

Die Debatte um „Kusch &. Co.“ darf nicht dazu führen, dass der parlamentarische Gesetzgeber den Blick für das Wesentliche verliert, mag auch für den einen oder anderen die „Sterbehilfe-Debatte“ keine „Herzensangelegenheit“ sein.

Es geht um die Wahrnehmung eines grundrechtlichen Schutzauftrags und zwar aus der Perspektive der schwersterkrankten und sterbenden Patienten betrachtet. Dass in diesem Zusammenhang stehend das ärztliche Berufsrecht „vorgeprescht“ ist, zeigt insbesondere, dass der Gesetzgeber sich in den letzten Jahren (Jahrzehnten!) seiner Regelungsaufgabe mit (zweifelhaftem) Erfolg entzogen hat.

Keiner will die „kommerzielle“ Sterbehilfe, sondern es geht im Kern nach wie vor um die Freiheit, selbstbestimmt seinem individuellen Leid im Falle schwerster Erkrankung entfliehen zu können und zwar ungeachtet der palliativmedizinischen Möglichkeiten.

Der schwersterkrankte und sterbende Patient ist nicht verpflichtet, sein durch Krankheit verursachtes Leid anzunehmen und da es auch unter Palliativmedizinern unbestritten ist, dass es Fälle gibt, in denen die Palliativmedizin an ihre Grenzen stößt, sollten wir nach einer Regelung streben, die genau diesen Einzelfällen Rechnung trägt. Hier scheinen mir die Ärztinnen und Ärzte in einem besonderen Maße dazu geeignet, ihre Patienten auf ihrem letzten Weg zu begleiten und dass dies derzeit nicht möglich ist, ist allein dem ärztlichen Berufsrecht geschuldet und nicht dem allgemeinen Strafrecht.

Liegt es da nicht nahe, das ärztliche Berufsrecht einer verfassungskonformen Korrektur zu unterziehen, statt darüber nachzudenken, ggf. eine „Straffreiheit für Ärzte“ auszuschließen?

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