Sterbehilfe

Bosbach fordert mehr Palliativmedizin

In der Debatte um ein Sterbehilfe-Gesetz formieren sich die Lager. Innenpolitiker Bosbach will mehr Palliativmedizin statt Suizidhilfe.

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DÜSSELDORF. Der CDU-Politiker und Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach, hat eine bessere palliativmedizinische Versorgung gefordert und sich indirekt für ein Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe ausgesprochen.

"Eine gute, flächendeckende palliativmedizinische Versorgung und ein dichtes Netz ambulanter und stationärer Hospizarbeit würden sicherlich den Wunsch der betroffenen Personen nach Suizid deutlich verringern", sagte Bosbach am Freitag der Nachrichtenagentur dpa in Düsseldorf. Der Innenpolitiker geht davon aus, dass in Deutschland jedes Jahr rund 100.000 Menschen einen Suizidversuch überleben.

Bosbach kritisierte die Arbeit sogenannte Sterbehilfevereine. Diese erweckten nicht selten den Eindruck, in Deutschland sei menschenwürdiges Sterben ohne sie kaum möglich. Zugleich wiesen sie Kritik damit zurück, dass sie Suizidbeihilfe nur nach bestimmten, selbst aufgestellten Kriterien ausübten.

"Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sie sich vorbehalten, souverän darüber zu entscheiden, ob sich jemand mit ihrer Hilfe selbst töten kann oder nicht", sagte Bosbach. "Damit treffen diese Organisationen zumindest mittelbar eine Entscheidung über Leben oder Tod."

Indirekt lässt sich aus diesen Worten ablesen, dass Bosbach die geschäftsmäßige Sterbehilfe verbieten will - ähnlich wie Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und andere führende Unions-Politiker in Berlin.

In ärztliches Handeln sollte nach seinen Worten aber nicht eingegriffen werden. "Der Begriff Geschäftsmäßigkeit bringt (...) klar zum Ausdruck, dass zulässige ärztliche Handlungsweisen selbstverständlich ebenso straflos bleiben wie die sogenannte passive Sterbehilfe oder rein humanitär motivierte Sterbebegleitung", sagte Bosbach.

Er bezeichnete es als "eigentlich eine Selbstverständlichkeit", dass der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery, "darauf hinweist, dass es Aufgabe der Ärzte ist, Leben zu erhalten und Leiden zu lindern, nicht aber den Todeswunsch von Patienten zu erfüllen".

Der Rheinländer Bosbach hatte im Jahr 2010 öffentlich gemacht, dass er an einem Prostatakarzinom leidet. Im Sommer 2012 sagte er, die Erkrankung sei wegen Metastasen unheilbar. (eb)

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Kommentare
Lutz Barth 26.01.201407:32 Uhr

Moralische Prävalenz des Einzelnen!

„Wenn feststehe, dass Schmerzen und Qualen den Betroffenen peinigen, eine Besserung und Linderung nicht möglich und nur noch der Zeitpunkt abzuwarten ist, in dem die Last so unerträglich geworden ist, dass der vollständige körperliche Zusammenbruch folgt, kann es im Einzelfall ethisch vertretbar und legitimierbar sein, wenn die Ärzte bei einer solchen Notlage die Selbsttötung auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten ermöglichen oder unterstützen. Normativ könne für die Ärzte nicht etwas anderes gelten als für Personen, deren Hilfe beim Suizid straflos ist. Zur Vermeidung von Missverständnissen betonen die Mitglieder der Kommission, dass die Ärzte zur Beihilfe nicht verpflichtet seien und auch Einzelne keinen Anspruch darauf hätten, dass ihnen bei der Selbsttötung geholfen werde. Diejenigen, die Ärzte wegen Hilfe beim Suizid auch dann standesrechtlich sanktionieren wollten, wenn sie in einem Fall, in dem weder die passive noch die indirekte Sterbehilfe weiterhelfen konnten, gehandelt haben, müssten sich darüber im Klaren sein und es verantworten, dass sie verzweifelte Menschen allein ließen und diese das von ihnen selbst gewünschte Lebensende gar nicht oder nur unter qualvollen Bedingungen herbeiführen könnten. Solange im Bewusstsein der Menschen verankert bleibe, dass Ärzte niemals, in keinerlei Notlage beim Suizid helfen dürfen, ohne deswegen mit erheblichen Sanktionen rechnen zu müssen, hätten Länder wie die Niederlande, Belgien und die Schweiz Zulauf und würde der weitergehende Ruf nach Zulassung der aktiven Sterbehilfe nicht verstummen. Man schütze mit der strengen Auffassung der Minderheit letztlich ausschließlich das ärztliche Selbstverständnis, jedoch zu Lasten von Patienten, die man sich selbst überlässt. Die Bewahrung des generellen Vertrauens in ärztliches Handeln könne, so gewichtig sie sei, keine Rechtfertigung dafür sein, dem Einzelnen objektiv nicht linderbares Leiden zuzumuten. Solches Leiden dürfe einem Einzelnen nur zugemutet werden, wenn Lebensinteressen eines anderen zu verteidigen seien. Demgegenüber habe im Konflikt zwischen dem selbstbestimmten, vom Leiden motivierten Wunsch des Einzelnen und gesellschaftlichen oder standesrechtlichen Interessen unter bestimmten Umständen der Einzelne moralische Prävalenz.“ (Zitiert aus: Bericht der Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz (2004), S. 107).


Warum, so fragt sich, kann man/frau sich gegenwärtig auf diesen richtigen Ansatz verständigen? Die derzeitigen Stellungnahmen der Gegner der ärztlichen Suizidbeihilfe lassen keinen Erkenntnisfortschritt nach Jahrzehnten der Debatten erkennen.

Auch Bosbach lanciert mit seinem Statement die Behauptung, zwischen der Palliativmedizin und der ärztlichen Suizidbeihilfe bestehe letztlich ein Widerspruch. Dem ist mitnichten so. Seine Feststellung, dass der Präsident der BÄK, Montgomery, "darauf hinweist, dass es Aufgabe der Ärzte ist, Leben zu erhalten und Leiden zu lindern, nicht aber den Todeswunsch von Patienten zu erfüllen", greift wesentlich zu kurz, zumal in der medizinethischen Diskussion von nicht wenigen die überzeugende Auffassung vertreten wird, dass sich durch die Liberalisierung der berufsrechtlichen Sterbehilferegeln das „Bild des Arztes“ und das entsprechende Vertrauen in die fachliche, aber auch persönliche Integrität, nicht ändern wird! Eher das Gegenteil könnte angenommen.

Die intraprofessionelle Debatte über die Inhalt, Funktion und Reichweite des „Arztethos“ kann m.E. nur dadurch entschärft werden, wenn der parlamentarische Gesetzgeber zugleich auch die ärztliche Suizidbeihilfe regelt, die im Übrigen nach derzeitiger Rechtslage ebenfalls straffrei ist.

Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass „der Gesetzgeber sich seiner Rechtsetzungsbefugnis nicht völlig entäußern und seinen Einfluss auf den Inhalt der von den körperschaftlichen Organen zu erlassenden Normen nicht gänzlich preisgeben darf“ (BVerfGE 33, 125 – Facharzt, zit. nach DFR (Abs. 118); onl

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