Sterbehilfe

Front gegen Verbot der Beihilfe zum Suizid

Die Regelungen zur Sterbehilfe wollen Unionspolitiker schärfer fassen: So soll gewerbsmäßige Sterbehilfe verboten werden. Sieben humanistische Organisationen wehren sich gegen den Vorstoß und haben ein Zehn-Punkte-Papier vorgelegt.

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BERLIN. Sieben Verbände gehen gegen die Pläne der Regierung zur Sterbehilfe auf die Barrikaden. Hierzu haben sie am Mittwoch in Berlin zehn Leitsätze gegen ein strafgesetzliches Verbot der Beihilfe zum Suizid vorgestellt.

Darin fordern sie, dass Beihilfe zur Selbsttötung straffrei sein soll, wenn der Entschluss freiverantwortlich erfolgt. Ergibt sich die Entscheidung hingegen aus einer "krankhaften Störung", soll Suizidbeihilfe als Tötung bestraft werden, heißt es.

"Menschen müssen darauf vertrauen dürfen, dass legale passive und indirekte Sterbehilfe nach ihrem Willen überall praktiziert wird", schreiben die Verbände.

Voraussetzung sei aber, dass ausschließlich die betroffenen Menschen selbst entscheiden und sie alternative Angebote, wie Palliativmedizin oder hospizliche Betreuung, kennen.

Hinter den Leitsätzen stehen der Humanistische Verband Deutschlands, die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben, die Giordano-Bruno-Stiftung, die Humanistische Union, der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften, der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten sowie der Bund für Geistesfreiheit Bayern.

Furchtbare Suizide könnten die Folge sein

Ihre Forderungen richten sich gegen Vorschläge von Unionspolitikern, wie er beispielsweise von Hubert Hüppe im Februar ins Spiel gebracht wurde.

Demnach soll nicht nur die gewerbsmäßige Suizidbegleitung, sondern jede Form der "selbstsüchtig motivierten Anstiftung oder Beihilfe sowie die Werbung für Selbsttötungen" mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden.

Ein Strafbarkeitsparagraf führe nur zu Tabuisierung, fürchtet Gita Neumann vom Humanistischen Verband. "Suizidgefährdete oder sterbewillige Patienten werden sich noch weniger trauen, sich mit existenziellen Nöten an einen Arzt zu wenden."

Furchtbare Suizide könnten die Folge sein, so Neumann weiter. Denn oft mache es erst ein respektvoller Umgang möglich, den betroffenen Alternativen anzubieten.

Viele würden die Möglichkeiten der Palliativmedizin, von Patientenverfügungen und der hospizlichen Betreuung nicht kennen. Die Verbände fordern daher auch, diese Angebote auszubauen. (jvb)

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Kommentare
Lutz Barth 13.03.201416:55 Uhr

Zehn-Punkte-Papier verschiedener humanistischer Verbände gegen neues Suizid-Strafgesetz – ein „zahnloser Tiger“?

Dass einige Verbände im Begriff sind, eine Allianz gegen ein verschärftes Sterbehilfeverbot zu schmieden, ist begrüßenswert, wenngleich doch Mathias Kamann in seinem Artikel (in Die WELT v. 13.03.14, Zehn-Punkte-Papier gegen neues Suizid-Strafgesetz) es auf den Punkt gebracht hat: Allein das Votum gegen eine strikte Verbotsregelung des organisierten Suizids bei einem gleichzeitigen Verzicht eines Regelungsvorschlags dürfte die politisch Verantwortlichen letztlich unbeeindruckt lassen.

Mit dem „Zehn-Punkte-Papier“ haben sich m.E. die Verbände keine besonderen Meriten verdient, entsteht doch der Eindruck, als handele es sich hierbei zunächst auch „nur“ um Botschaften, die noch einer entsprechenden Fundierung bedürfen und so insgesamt dazu beitragen, dass der Sterbehilfediskurs nach wie vor wissenschaftlich „unterbelichtet“ bleibt.

Es reicht nach einer jahrzehntelangen Debatte nicht zu, wenn die Befürworter oder Gegner einer liberalen Sterbehilferegelung sich „schlicht“ auf zentrale Grundrechte berufen, ohne hierzu eine dezidierte rechtsdogmatische Auffassung darzulegen.

Es ist ein fataler Irrtum zu glauben, als sei es mit der Erwähnung der „Würde des Menschen“ und der „Gewissensfreiheit“ getan, um im Diskurs die politischen Verantwortlichen von einer liberalen Regelung überzeugen zu können.

Angesichts des Umstandes, dass allen voran die humanistischen Verbände seit Jahren im Begriff sind, eine liberale Position einzunehmen, hätte man/frau mehr Substanz für die kommende Debatte erwarten dürfen und es bleibt zu hoffen, dass es den Verbänden in naher Zukunft gelingt, mit dogmatischer Schärfe in einem verfassungsrechtlich bedeutsamen Diskurs über das frei verantwortliche Sterben eines schwersterkrankten oder sterbenden Menschen Position zu beziehen, die gleichsam als Orientierung für die Parlamentarier sachdienlich ist.

Die gegenwärtig brennenden Fragen im Diskurs bleiben auch nach dem „Zehn-Punkte-Papier“ unbeantwortet, als da wäre das demokratiepolitische Argument etwa der BÄK, wonach die Mehrheit eine entsprechende Verbotsnorm der ärztlichen Suizidassistenz verabschiedet hat. In diesem Sinne wäre es zugleich sinnvoll gewesen, die Frage zu beantworten, ob das ärztliche Berufsrecht etwas verbieten darf, was strafrechtlich nicht verboten ist.

Der pauschale Hinweis auf die „Gewissensfreiheit“ (auch der Ärzteschaft) darf nicht darüber hinweg täuschen, dass es durchaus dogmatische Hürden gibt, die auch von den Befürwortern einer Liberalisierung der Sterbehilfe zu nehmen sind.

Die humanistischen Verbände sollten nicht der schlechten Manier so mancher Ärztefunktionäre, Politiker, Ethiker oder Theologen folgen, „Sonntagsreden“ zu schwingen, sondern vielmehr „Butter bei die Fische zu bringen“, wie wir Norddeutsche zu sagen pflegen.

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