Ärzte-Hopping

Jeder fünfte alte Patient geistert durchs System

Volle Wartezimmer, lange Wartezeiten: Eine Ursache dafür kann ungesteuertes Ärzte-Hopping älterer Patienten sein, die im Jahr auf über 50 Kontakte bei mehr als zehn Ärzten kommen. Das belastet auch das Gesundheitssystem.

Raimund SchmidVon Raimund Schmid Veröffentlicht:
Randvolles Wartezimmer: 19 Prozent der älteren Patienten haben mehr als 50 Arztkontakte im Jahr.

Randvolles Wartezimmer: 19 Prozent der älteren Patienten haben mehr als 50 Arztkontakte im Jahr.

© Klaus Rose

HAMBURG. Trotz fehlender gesicherter Daten ist davon auszugehen, dass die Zahl der Arzt-Patienten-Kontakte in Deutschland weiter ansteigt. Ursache könnte eine Kombination aus demografischen Faktoren, zunehmender Multimorbidität und Wegfall der Praxisgebühr sein.

Darauf hat Professor Hendrik van den Bussche, ehemaliger Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin des UKE Hamburg, beim 48. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) hingewiesen.

Bisher ist man davon ausgegangen, dass die Zahl der Arztkontakte pro Jahr bundesweit bei 18 und bei den über 65-jährigen bei 28 liegt. Dies weisen jedenfalls die letzten verlässlichen Daten der Gmünder Ersatzkasse aus, die nach der Fusion mit der Barmer zur Barmer GEK heute so nicht mehr erhoben werden können.

Van den Bussche wies aber darauf hin, dass bereits vor zehn Jahren 19 Prozent der über 65-jährigen Versicherten mehr als 50 Kontakte bei mehr als zehn Ärzten, darunter drei oder mehr Praxen der gleichen Fachrichtung aufwiesen.

Van den Bussche: "Da muss man sich schon fragen, ob das einer guten Versorgung der älteren Bevölkerung dienlich ist."

Auch Ausdruck von Freiheit

Da dieses extreme Ärztehopping aber auch "Ausdruck von Freiheit und Autonomie" sei, müsse man davon ausgehen, dass angesichts eines immer größeren Anteils der älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung die Zahl der Arztkontakte heute noch höher als vor zehn Jahren ist.

Dies wirkt sich auch in finanzieller Sicht aus. Nach den Vorabergebnissen einer noch nicht veröffentlichten Studie aus Bayern können beim vom Hausarzt gesteuerten Patienten (gP) im Vergleich zum ungesteuerten Patienten (uG) pro Jahr mindestens 9,65 Euro im Jahr eingespart werden.

Dies hat ein Vergleich von 1.229.372 uG-Patienten mit der gleichen Zahl von pG-Patienten im 1. Quartal 2011 in Bayern ergeben, berichtete Professor Antonius Schneider vom Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Uni München.

Je älter die Versicherten sind, desto größer sind die Einsparungen. Bei 60- bis 75-Jährigen lassen sich bei der gP-Gruppe bereits 21,55 Euro einsparen, bei der Altersgruppe der über 75-Jährigen sogar 29,80 Euro. Lediglich bei den 46- bis 60-Jährigen war kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen auszumachen.

Summiert man all dies auf, könnten laut Schneider pro Jahr allein in Bayern 15 Millionen Euro eingespart werden, falls alle Patienten vom Hausarzt gesteuert würden.

Abschließend hob Schneider allerdings hervor, dass es sich bei diesen Einspareffekten bisher noch um Globalwerte handele, die nun noch bereinigt und weiter differenziert werden müssten.

Zudem ließen diese Daten keine Aussagen über Morbidität, Mortalität oder über die Qualität einer Behandlung zu.

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