Die heile Welt der Ärzte in Österreich?
Da staunt der Laie, und auch der Fachmann wundert sich: Patienten, die im Winterurlaub in Österreich einen Unfall haben, müssen die Arztkosten in der Regel vorstrecken. Bei der Rechnung gibt es dann ein echtes Aha-Erlebnis.
Veröffentlicht:
Noch ist der Skifahrer gut auf den Beinen. Bricht er sich aber einmal in Österreich auf der Piste oder beim Après-Ski die Knochen, verdienen die Ärzte vor Ort nicht schlecht mit der Behandlung. © Christophe Schmid / fotolia.com
© Christophe Schmid / fotolia.com
Wir haben in Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme der Welt - allerdings mit Dumpingpreisen und staatlicher Preisgestaltung. Das wird dem Arzt als Leistungserbringer immer wieder dann vor Augen geführt, wenn er einen konkreten Vergleich anstellen kann - wie in diesem hier beschriebenen Fall.
Beim Schneeurlaub in Österreich zieht sich ein schon etwas älterer Patient ein Supinationstrauma im Sprunggelenk zu und muss dort am Sonntag zum Arzt. Per Krankentransportwagen wird er dorthin gebracht und darf sich schon wundern: Es geht zum Arzt für Allgemeinmedizin.
Die Arztrechnung gibt Anlass zum Vergleich
In der Praxis folgt das übliche Prozedere der Erstversorgung: Röntgendiagnostik, Feststellung einer nicht dislozierten bimalleolären Sprunggelenkfraktur. Diese wird achsengerecht mit einem gespaltenen Unterschenkelgipsverband versorgt. Volumensubstitution zur Schockprophylaxe und Gabe von niedermolekularem Heparin zur Thromboseprophylaxe. So weit alles nach medizinischem Standard vom Arzt für Allgemeinmedizin geregelt. Die Rechnung für diese Behandlung in Höhe von fast 740 Euro gibt jedoch Anlass zum Vergleich, nicht nur wegen des Honorars für diese Behandlung, sondern in Bezug auf das Gesundheitswesen als solches.
Unser Deutsches Gesundheitswesen ist geprägt von preußischem Ordnungswahn, Verwaltungsregelungen und von Regelungen zum Qualitätsmanagement, es ist evidenzbasiert, kontrolliert und staatlich reguliert. In dieser Landschaft medizinischer Versorgung werden Sie selbst als umfassend fort- und weitergebildeter Arzt für Allgemeinmedizin wohl kaum noch eine Genehmigung zur Röntgendiagnostik bekommen.
Der Allgemeinarzt als Sozialarbeiter der GKV?
Auch wenn Sie die gesamte Erstversorgung des Patienten übernehmen, sind Sie kaum mehr als der Sozialarbeiter der GKV: Untersuchung, Beratung, Injektion, Infusion, stabilisierender Verband - alles in der Pauschale inklusive. Für Ihren Wochenendeinsatz bekommen Sie in der GKV gerade mal 19,45 Euro, für die Behandlung eines Privatpatienten nach GOÄ 12,82 Euro. Kollegen in Österreich dürfen für den Wochenendeinsatz 70,80 Euro verlangen.
Die Röntgendiagnostik erledigen die Ärzte in Österreich sicherlich so zuverlässig wie in Deutschland. Hier nur eben unter Beachtung der Strahlenschutzbestimmungen, der Raumanforderungen, der Röntgengeräteverordnung, der Qualitätssicherung, einer Bildkontrolle durch die KV etc. Das Ganze ist dann trotz aller staatlichen Vorgaben billiger als im Nachbarland. Und das gilt nicht nur im EBM, sondern selbst in der GOÄ, also bei Privatpatienten. Hier besteht immerhin noch die Möglichkeit, den Gebührenrahmen nach Paragraf 5 GOÄ zu nutzen und den Faktor 3,5 anzuwenden. Doch wie Sie sich auch drehen und wenden, ohne in den Augen der Juristen als Betrüger auffallen zu wollen, Sie kommen nicht im Entferntesten an die Hälfte des Honorars, was Ärzte in Österreich für die Leistung berechnen können.
Und selbst die beim Orientierungswert von 3,5048 Cent über EBM zu erlösenden knapp 93 Euro sind Ihnen ja nur sicher, wenn Ihr Regelleistungsvolumen im laufenden Quartal nicht überschritten ist. Was bei einer EBM-Berechnung in Deutschland gar nicht erst auftaucht, sind die Sachkosten, die in der GOÄ über die Auslagen abgerechnet werden. Sie laufen über Sprechstundenbedarf. Überhaupt ist bei der ganzen Rechnerei zu beachten, dass es sich um ganz unterschiedliche Gebührenordnungen handelt. Die Vergleichbarkeit ist nicht bei jeder Leistung gegeben.
Doch eins ist sicher: Wenn Sie von einem Kassenpatienten wissen, dass er Urlaub im Ausland machen will: Eine Zusatzversicherung für Auslandsreisen ist auf jeden Fall zu empfehlen - sonst kann es teuer werden.
92 Euro oder 740 Euro - der Unterschied ist auf jeden Fall signifikant | ||||||||
Diagnose: Bimalleoläre Sprunggelenksfraktur re. (Patient ist 61 Jahre alt) | ||||||||
Leistung | Österreich | Deutschland: GOÄ | Deutschland: EBM | |||||
GO-Nr. | Euro | GO-Nr. | Euro F.: 2,3 | GO-Nr. | Euro | |||
Wochenendzuschlag | F01 | 71,80 | D | 12,82 | 01100 | 19,45 | ||
Rö-Aufnahme (18x24) | R5C | 60,00 | 5030 | 20,98 | 34232 | 10,51 | ||
Rö-Aufnahme (18x24) | R5C | 60,00 | 5031 | 5,83 | 34232 | 10,51 | ||
Rö-Aufnahme (18x24) | R5C | 60,00 | -- | -- | -- | -- | ||
Versorgung einer Fraktur (US, SG) | V3 | 235,00 | 2331 | 30,43 | 31910 | 5,61 | ||
Unterschenkelspaltgips | USG2 | 179,00 | 231 | 48,26 | 02350 | 10,51 | ||
Injektion s.c. (NMH) | 11SA | 18,90 | 252 | 5,36 | -- | -- | ||
Infusion i.v. | 13B | 40,00 | -- | -- | -- | -- | ||
Zuschlag Dauertropfinf. | 13D | 15,00 | 272 | 24,13 | -- | -- | ||
Beratung | -- | -- | 1 | 10,72 | 03112 | 35,75 | ||
Untersuchung | -- | -- | 7 | 21,45 | -- | -- | ||
Sachkosten/ Auslagen** | -- | -- | -- | 60,94 | -- | -- | ||
Summe | 739,70 | 240,92 | 92,34 | |||||
Transport 1 (ÖRK)* | KT Zone 1 1-15 km |
100,00 | ||||||
Transport 2 (ÖRK)* | KT Zone 3 51-100 km | 140,00 | ||||||
* Transportkosten variieren in Dtld. nach Bundesländern ** Auslagen nach §10 GOÄ: NMH 12,80 Euro; Infusion: 10,31 Euro; Infusionslösung 5,31 Euro; Spaltgips: 32,52 Euro
|