Arzthaftung
Beschwerden bei der Schlichtungsstelle in Niedersachsen ebben leicht ab
Fehler kommen überall vor. Dramatische Veränderungen sind dabei nicht festzustellen, berichtet für ihr Einzugsgebiet die niedersächsische Ärztekammer. 2016 ermittelte die Kammer rund 234 mal einen zu entschädigenden Behandlungsfehler.
Veröffentlicht:HANNOVER. "Kein Ärztepfusch!" Darauf legt die Präsidentin der Niedersächsischen Ärztekammer (ÄKN), Dr. Martina Wenker, anlässlich der jüngsten Zahlen über Behandlungsfehler in Niedersachsen, Wert. "Aber Fehler passieren. Dann geht es darum, aus den Fehlern zu lernen."
Der neueste Bericht der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, der am Mittwoch in Hannover präsentiert wurde, belegt: Die Anzahl der Anträge im Kammerbereich Niedersachsen geht zurück. Im Jahr 2012 wurden noch 1560 Anträge an die Schlichtungsstelle gestellt, im Jahr 2016 waren es nur noch 1353.
Auch in sämtlichen an der norddeutschen Schlichtungsstelle beteiligten Kammern zusammen (Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Thüringen) ging die Anzahl der Anträge zurück: 2015 waren es 4290 Anträge, im vergangenen Jahr nurmehr 4070. Das ist eine Abnahme um 5,1 Prozent.
29 Prozent Fehlerquote
2016 wurden im Kammerbezirk Niedersachsen 813 Verfahren mit einer Sachentscheidung abgeschlossen, erklärt Kerstin Kols, Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle. In knapp 29 Prozent dieser entschiedenen Fälle lag ein Behandlungsfehler vor, der einen Schadenersatzanspruch begründete. Durchschnittlich braucht die Schlichtungsstelle 16 Monate, um eine Antragsbearbeitung abzuschließen. Mit 23,3 Prozent waren zu knapp einem Viertel niedergelassene Ärzte für die überprüften Behandlungsmaßnahmen verantwortlich und zu 76,7 Prozent Krankenhausärzte. Am häufigsten wurden orthopädische oder chirurgische Behandlungen beanstandet. So waren denn auch Orthopäden und Unfallchirurgen die am häufigsten an den geprüften Behandlungsfällen beteiligten Fachärzte – sowohl im niedergelassenen (17,9 Prozent) als auch im stationären Bereich (33,5 Prozent). Im ambulanten Bereich folgen gleich darauf mit 16,5 Prozent die Hausärzte.
Die auffällige Häufung der orthopädischen und chirurgischen Behandlungen führt der Orthopäde und Unfallchirurg Prof. Dr. Winfried Berner schlicht auf technische Gründe zurück: "Die Röntgenbilder der Behandlungsergebnisse nach orthopädischen oder unfallchirurgischen Behandlungen halten alles dokumentierbar fest. Das lässt sich bei den meisten anderen möglichen Behandlungsfehlern nicht machen". Deshalb die vielen Anträge in diesem Bereich.
Röntgenbilder sind harte Belege
Berner ist ehrenamtliches Mitglied der Schlichtungsstelle. Auch die hohen Erwartungen der Patienten etwa an eine Hüft-TEP könnten nicht immer ohne Weiteres erfüllt werden, heißt es. "Man kann aus einem 60-jährigen Patienten eben keinen 20-Jährigen machen." Selbstkritisch verweist Berner aber auch darauf, dass es nach Unfällen häufiger zu Diagnosefehlern komme. "Und zwar nicht durch falsche Diagnosen, sondern durch unterlassene Diagnosen." Werde ein Patient nach einem Unfall nicht ordentlich untersucht, müsse der schließlich irgendwann ein verschlepptes Leiden behandeln lassen, kritisiert Berner.
"Wir nutzen die Daten der Schlichtungsstelle seit Jahren bei unseren Fortbildungsveranstaltungen", berichtet Kammerpräsidentin Wenker. "Denn wir wollen aus den Fehlern lernen". Identifizierte Fehler verbesserten die Patientensicherheit "und ermöglichen uns Fortschritte bei der Fortbildung von Ärztinnen und Ärzten." Die ÄKN biete regelmäßig Seminare für leitende Ärzte an, und die Schlichtungsstelle zusammen mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen auch Fortbildungen für ärztliche Gutachter.