Therapiesicherheit

Verwechslungen – tödliche Fehlerquelle in Praxis und Klinik

Ohne eindeutige Nomenklatur bei Abkürzungen ist die Patientensicherheit im Versorgungsalltag nicht gewährleistet, warnen CIRS-Experten. Die Liste vermeidbarer Fehler ist lang, sie muss aber konsequent angegangen werden.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Ist auch die richtige Infusion angeschlossen? Wenn nicht, kann das fatale Folgen für den Patienten haben.

Ist auch die richtige Infusion angeschlossen? Wenn nicht, kann das fatale Folgen für den Patienten haben.

© satyrenko/fotolia.com

BERLIN. Abkürzungen können im Versorgungsalltag in Praxis und Klinik zu fatalen Folgen für Patienten führen – wenn sie missverständlich sind. Wie die KBV mitteilt, haben jüngst Experten des "Netzwerks CIRSmedical.de" zwei Fälle analysiert, in denen die Patienten nur knapp einem Schaden entgangen sind. CIRS steht für Critical Incident Reporting System und soll helfen, aus Fehlern zu lernen.

400 Praxen

nehmen teil an dem vom Innovationsfonds geförderten Projekt zur Fortentwicklung von Fehlerberichts- und Lernsystemen für die ambulante Versorgung zu einem implementierungsreifen System (CIRSForte), das das (Beinahe-)Fehlermanagement optimieren soll.

Im ersten Fall aus dem Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland sei im OP ein Medikament verwechselt worden. Die Schwester sollte "Suggi" (Sugammadex) beschaffen, habe aber "Succi" (Succinylcholin) verstanden. Der Irrtum sei aufgefallen, da sich die Oberärztin darüber gewundert habe, dass die Ampulle eine andere Größe als erwartet hatte – nur 100 statt 200 Milligramm. Sie habe nachgeschaut und den Irrtum noch rechtzeitig entdeckt.

Rat zum Verzicht auf Abkürzungen

In einem anderen Fall wurde laut KBV in einer Patientenakte die Abkürzung "HWI" zunächst statt als Hinterwandinfarkt als Harnwegsinfekt verstanden. Erst als eine Mitarbeiterin in der Akte näher nachschaute, fand sie die richtige Diagnose.

Die Steuergruppe des Krankenhaus-CIRS-Netzes Deutschland als Teil des Netzwerks CIRSmedical.de empfehle, auf Abkürzungen generell zu verzichten. Bei der mündlichen Kommunikation sollten alle beteiligten Personen die Anordnung noch einmal wiederholen, bevor das entsprechende Medikament oder die Substanz geordert wird, so das Plädoyer der Experten.

Auch in Patientenakten sollte auf Abkürzungen möglichst verzichtet werden, heißt es weiter. Für unbedingt notwendige Abkürzungen sei es ratsam, eine einheitliche, allen Mitarbeitern bekannte und verbindliche Liste zu erstellen.

Offener Umgang mit Fehlern nötig

Ein entscheidender Punkt beim Risiko- und Fehlermanagement sei der Umgang mit Fehlern. Sowohl im Krankenhaus als auch in der Praxis sollte es eine Möglichkeit geben, über Fehler zu sprechen. So können dieselben Fehler vermieden werden. Es gehe nicht darum, wer etwas falsch gemacht habe, sondern was die Ursache gewesen sei.

Eine Möglichkeit, Fehler auch außerhalb der eigenen Praxis zu kommunizieren, seien die Berichts- und Lernsysteme im Internet. Ziel sei, dass möglichst viele Beteiligte aus den anonym gemeldeten Fehlern anderer lernen.

Auch auf Industrieseite haben sich Hersteller von Medizinprodukten mit der Erhöhung der Patientensicherheit durch die Verringerung der Verwechslungsgefahr befasst. Verhindert werden soll zum Beispiel, dass bei Patienten ein Ernährungssystem an einen Trachealtubus angeschlossen wird. Denn dies kann zu Verletzungen oder gar zu dessen Tode führen.

Nachdem es immer wieder zu falschen Verabreichungsmethoden und damit zu kritischen Behandlungsfehlern infolge von Fehlanschlüssen kleinlumiger Konnektoren, sogenannter Luer-Konnektoren, im enteral-parenteralen Anwendungsumfeld kam, die die Patientensicherheit massiv gefährden können, steht nun mit neuen Lösungen gemäß der DIN-Reihe ISO 80369 "Verbindungsstücke mit kleinem Durchmesser für Flüssigkeiten und Gase in medizinischen Anwendungen" eine aus Sicht der Medizinproduktehersteller verwechslungssicheres Equipment zur Verfügung.

Mit Mitteln des Innovationsfonds soll im Zuge des auf drei Jahre angesetzten Projekts zur Fortentwicklung von Fehlerberichts- und Lernsystemen für die ambulante Versorgung zu einem implementierungsreifen System (CIRSForte) das (Beinahe-)Fehlermanagement weiter optimiert werden. Eingebunden sind 400 Praxen.

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