Entbindung
Klinik haftet für laxe Herzkontrolle
250.000 Euro Schmerzensgeld erhielt ein Neugeborenes, weil Entbindungsärzte eine Sectio zu spät eingeleitet hatten.
Veröffentlicht:KÖLN. Wenn ein Kind wegen der Unterlassung einer dauernden CTG-Überwachung und eines zu spät vorgenommenen Kaiserschnitts mit schweren hypotoxischen Hirnschäden geboren wird, hat es Anspruch auf Schmerzensgeld. Im konkrekten Fall sprach das Oberlandesgericht (OLG) Hamm 250.000 Euro zu.
Eine schwangere Frau war im Oktober 2007 ins Krankenhaus gegangen, weil sich die Kindsbewegungen reduziert hatten. Nach der Aufnahme wurden mehrere Kardiotokografien geschrieben, nach fünf Stunden entschlossen sich die Ärzte zur Sectio. Das Kind wurde mit einer Nabelschnurumschlingung entbunden. Es leidet heute unter Entwicklungsstörungen und Epilepsie.
Das Kind verklagte über seine Eltern die Klinik und die behandelnden Ärzte. Das Landgericht sprach ihm 175.000 Euro Schmerzensgeld zu, das OLG erhöhte in der Berufung auf 250.000 Euro. Nach Ansicht des OLG handelte es sich um einen groben Behandlungsfehler, dass die Ärzte das Geburtsgeschehen nicht mittels eines Dauer-CTG überwachen ließen, obwohl schon nach der Aufnahme eine relative Indikation zur Sectio bestanden habe. Den Verzicht auf das Dauer-CTG bezeichnete der Sachverständige als "negative Abweichung vom gynäkologischen Standard".
Zudem warfen die Richter den Ärzten vor, dass sie nach dem zweiten pathologischen CTG nicht für eine ständige ärztliche Präsenz nebst ärztlicher Kontrolle alle 30 Minuten gesorgt hatten. Sonst wäre "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" die Indikation für eine Sectio gestellt worden. Im Verzicht auf eine Not-Sectio mit einer Entscheidungs-Entbindungs-Zeit von 20 Minuten sah das OLG eine gravierende Abweichung vom medizinischen Standard. Eine Revision ließ es nicht zu. (iss)
Oberlandesgericht Hamm; Az.: 26 U 88/16