Telematikinfrastruktur
AOK-Chef geißelt gematik
Die Betreibergesellschaft für die Telematikinfrastruktur musste sich beim 2. Deutschen Interoperabilitätstag harsche Kritik gefallen lassen.
Veröffentlicht:DORTMUND. Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands fordert eine Entmachtung der gematik, der Betreibergesellschaft für die Telematikinfrastruktur. Die Entscheidungen über die im Gesundheitswesen dringend notwendige Vernetzung dürften nicht länger der Selbstverwaltung überlassen bleiben, sagte Martin Litsch auf dem "2. Deutschen Interoperabilitätstag" am Mittwoch in Dortmund. Litsch: "Die Verantwortung für die Rahmenbedingungen darf nicht bei den Interessenvertretern liegen". Ziele und Vorstellungen von Kassen und Leistungserbringern seien zu unterschiedlich und kaum unter einen Hut zu bringen. Deshalb passiere nur wenig, wichtige Anwendungen blieben auf der Strecke. "Die Vorteile der Vernetzung im Gesundheitswesen werden in der gematik konterkariert."
Die Selbstverwaltung muss nach Ansicht des AOK-Chefs durch unabhängige Strukturen ersetzt werden. "Wir brauchen so etwas wie eine Bundesnetzagentur." Eine solche Einrichtung könnte auch für die Einhaltung der Spielregeln sorgen – bei der Interoperabilität, der Datensicherheit und den definierten Mindeststandards. Um sinnvolle Anwendungen voranzubringen, seien keine Detailbeschreibungen notwendig, sondern Leitplanken. Von kollektiven Lösungen erwartet Litsch keine Fortschritte. Bei ihnen müsse man immer den Langsamsten mitnehmen, wie die Kollektivverträge auf Kassenseite gezeigt hätten. Litsch fordert stattdessen "mehr Kreativität".
Die Kassen werden bei der Digitalisierung sehr aktiv sein, erwartet Litsch. "Wir haben Sorge, dass wir unsere Versicherten sonst an Dr. Google verlieren." Die AOK-Gemeinschaft will in zwei digitalen Gesundheitsnetzwerken E-Gesundheitsakten erproben. Dabei handele es sich nicht um Insellösungen, stellte er klar. "Wir nutzen die etablierten Standards." Litsch geht davon aus, dass die Zukunft in der Koexistenz vieler Akten liegen wird. "Wir brauchen Ökosysteme, keine Monokulturen." (iss)