Medizin der Zukunft
Technikverständnis höchste Hürde für intelligente Versorgung
Künstliche Intelligenz in der Medizin? Nicht allen Gesundheitsfachkräften gefällt dieser Gedanke. Der Future Health Index 2017 gibt im internationalen Vergleich Antworten auf kritische Befindlichkeiten.
Veröffentlicht:HAMBURG. Big Data, Künstliche Intelligenz (KI), Präzisionsmedizin – diese Treiber für die Zukunft der Medizin und der Versorgung in Deutschland hält die Bundesregierung für essenziell. Doch die Menschen – auch medizinische Fachkräfte – sehen die Themenkomplexe nicht so euphorisch, wie der Future Health Index 2017 nahelegt. Für diesen wurden im Auftrag von Philips mehr als 33.000 medizinische Fachkräfte, Versicherer und Bürger in 19 Ländern zu ihrem Gesundheitssystem befragt.
Wie es in dem Report heißt, sei es in puncto KI-Einsatz im Gesundheitswesen zunächst einmal wichtig "zu verstehen, dass die Menschen zwar das Potenzial der Technologie im Gesundheitswesen und für das Management ihrer eigenen Gesundheit durchaus erkennen, aber nicht unbedingt möchten, dass die Technologie die Kontrolle übernimmt."
KI auch als Konkurrenz empfunden
Die Gesundheit könne eine heikle Angelegenheit sein und unabhängig davon, wie weit die Technologie noch ausgefeilt werde, könne KI die persönliche Zuwendung, die medizinische Fachkräfte bieten, nicht ersetzen. Dies sei ein Punkt, den medizinisches Fachpersonal, das technologiebedingten Arbeitsplatzverlust oder eine Veralterung fürchte, wahrscheinlich gerne im Auge behalten werde, so die Autoren.
Eine weitere Hürde für den flächendeckenden KI-Einsatz in der medizinischen Versorgung sei das technische Verständnis. So nähmen immerhin 24 Prozent der befragten Allgemeinbevölkerung für sich in Anspruch, sich mit technologiegestützter vernetzter Versorgung auszukennen.
Dieser Anteil sei in der Regel in Industrieländern und insbesondere in Europa sogar noch niedriger – er sinke auf neun Prozent in Italien und auf acht Prozent in Deutschland. Selbst in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in denen die vernetzte Versorgung weitverbreitet Akzeptanz finde, fühlten sich demnach nur 48 Prozent der Allgemeinbevölkerung diesbezüglich sachkundig.
"81 Prozent der befragten Allgemeinbevölkerung, die in den letzten 12 Monaten technologiegestützte vernetzte Versorgung in irgendeiner Form genutzt hat, sind der Meinung, dass sie einigermaßen oder vollständig verstehen, wie die Technologie korrekt genutzt wird, und 77 Prozent meinen zu verstehen, wie die von der Technologie bereitgestellten Ergebnisse zu interpretieren sind", heißt es in der Studie.
Interessanterweise glaubten laut Bericht 76 Prozent der medizinischen Fachkräfte, deren Patienten in den letzten 12 Monaten Informationen, die mithilfe technologiegestützter vernetzter Versorgung erfasst worden sei, mit ihnen geteilt hätten, dass ihre Patienten verstünden, wie die Technologie richtig zu nutzen sei. Zudem sagten laut Bericht 67 Prozent der medizinischen Fachkräfte, dass ihre Patienten verstünden, wie die von der technologiegestützten vernetzten Versorgung bereitgestellten Ergebnisse zu interpretieren seien.
Plädoyer für Simplizität
"Diese unterschiedliche Einschätzung zeigt zumindest, dass mehr getan werden muss, um technologiegestützte vernetzte Versorgung einzuführen und ihre korrekte Anwendung zu veranschaulichen", folgern die Autoren.
31 Prozent der befragten Allgemeinbevölkerung seien der Meinung, eine Schulung zur technologiegestützten vernetzten Versorgung würde sie ermutigen, die Technologie einzusetzen. "Dies unterstreicht, wie wichtig es ist, die Technologie möglichst unkompliziert und benutzerfreundlich zu konzipieren", mahnen die Verfasser.
Sara Riggare vom Health Informatics Center des Stockholmer Karolinska Instituts greift noch den Aspekt der Krankenversicherung auf. "Wenn wir möchten, dass die Menschen in der Lage sind, sich selbst um ihre Gesundheit zu kümmern, werden sie Technologie benötigen, die für sie als Hauptnutzer konzipiert ist, und außerdem benötigen wir Erstattungssysteme, die dies unterstützen".