Prävention

Geschmäckle beim weltbewegenden WHO-Google-Deal

Die Weltgesundheitsorganisation und Google kooperieren im Kampf gegen nicht-übertragbare Erkrankungen. Die App Google-Fit soll die Menschen rund um den Globus zu mehr Bewegung animieren. Das stößt bei Ärzten durchaus auf Skepsis.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Zügig zu Fuß zur Arbeit? Das könnte ganz im Sinne der Prävention nicht-übertragbarer Krankheiten sein – vor allem wenn ein Aktivitätsmesser mit dabei ist.

Zügig zu Fuß zur Arbeit? Das könnte ganz im Sinne der Prävention nicht-übertragbarer Krankheiten sein – vor allem wenn ein Aktivitätsmesser mit dabei ist.

© Xavier Arnau / Getty Images /

GENF. Wöchentlich 150 Minuten moderate oder 75 Minuten zügige Bewegung – zum Beispiel zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit zu gehen – ist in den Augen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Zielgruppe der 18- bis 64-Jährigen ein wirksames und probates Mittel, um nicht-übertragbare Erkrankungen (noncommunicable diseases/NCD) wie Bluthochdruck, Übergewicht und Adipositas zu vermeiden – und zwar weltweit.

Außerdem lasse sich so, so die WHO, die mentale Gesundheit stärken sowie die Lebensqualität steigern. Zu großen Teilen der Weltbevölkerung scheint diese Erkenntnis noch nicht durchgedrungen zu sein – oder es ist ihnen schlicht egal. W

ie es in dem dieses Jahr verabschiedeten "Global Action Plan on Physical Activity 2018-2030" der WHO heißt, erfülle jeder vierte Erwachsene rund um den Globus nicht den empfohlenen Aktivitätsgrad.

Noch viel schlimmer: Unter den Elf- bis 17-Jährigen seien es sogar drei von vieren – in puncto NCD kein gutes Omen für eine junge Generation.

Um wahrscheinlich gerade letztere Zielgruppe zu erreichen und zu mehr körperlicher Aktivität zu animieren, setzt die WHO nun auf eine Kooperation mit Google – genauer gesagt auf die App-Lösung Google-Fit.

Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben?

Die App zählt laut Google Aktivitätsminuten und vergibt bei entsprechend erhöhtem Puls Kardiowerte. Die Kooperation spiegelt auch den Geist der diesjährigen Weltgesundheitsversammlung im Mai wider, die eine Resolution verabschiedet hatte, die die Mitgliedstaaten auffordert, das Potenzial der Digital Health auszuschöpfen.

Das soll dabei helfen, die im September 2015 in New York im Rahmen der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete "2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung" zu erreichen, die unter anderem eine verbesserte Gesundheitsversorgung vorsieht.

Die WHO erntet für ihren Ansatz, via Google-App die Welt zu bewegen, indes nicht nur Applaus. Auf Unverständnis trifft die strategische Entscheidung zum Beispiel bei dem in Dortmund niedergelassenen Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Thomas Schätzler.

In einem Leserbrief an die "Ärzte Zeitung" verweist er darauf, dass Google rund um den Globus im EDV-, Internet-, App-, Programm-, Computer-, Online- sowie Mediengeschäft mit internationalen Soft- und Hardware-Aktivitäten tätig sei.

"Allen Geschäftsbereichen ist gemeinsam, dass sie weltweit körperliche Inaktivität, Belastungs- und Bewegungsmangel, Adipositas, metabolisches Syndrom, gebeugte Fehlhaltungen bis zu krummem Gehen, Sitzen oder Stehen mit orthopädischen Folgekrankheiten extrem fördern und für ein hohes Maß an Zivilisationskrankheiten ursächlich mit verantwortlich gemacht werden könnten", echauffiert sich Schätzler.

Und ergänzt: "Dass nun ausgerechnet die WHO mit Google kooperieren will, das als Musterbeispiel für die international zunehmende, bio-psycho-soziale Immobilität und mangelhafte Fitness vieler ‚User‘ gilt, ist nun wirklich ein ‚Witz in Tüten‘!".

Google-Daten zur Weltgesundheit?

Das WHO-seitige Hofieren der Google-App hat durchaus auch noch aus einem anderen Blickwinkel ein Geschmäckle. Denn als US-amerikanisches Unternehmen genießt Google viele Freiheiten beim Verwerten der gesammelten – und von den Nutzern freiwillig via App gegebenen, persönlichen – Gesundheits-Daten.

Träte das eher unwahrscheinliche Szenario ein, dass die gesamte Weltbevölkerung Google-Fit für die Gesundheitsförderung nutzen würde, würde das Unternehmen zum Inhaber der größten Weltgesundheitsdatenbank werden.

Solange Google die Daten nur nutzt, um individuell zugeschnittene Werbepakete zu verkaufen, ist die Sache zwar ärgerlich und lästig, aber im Prinzip noch ungefährlich.

Sollte Googles Gesundheitsdatenschatz aber eines Tages von Cyberkriminellen gehackt werden, so könnte großes Ungemach drohen. Ähnliche Gefahren für persönliche Gesundheitsdaten drohen natürlich auch bei anderen Anbietern von Fitness-Apps und Wearables, wenn die gesammelten Daten in der Cloud gespeichert werden.

Noch ist die WHO nicht unter öffentlichen Beschuss für die Kooperation mit Google geraten. Förderlich für das im Zuge des Missmanagements der Ebola-Krise in Westafrika eh schon ramponierte Image ist es aber bestimmt nicht.

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