Hintergrund
Auf die Chefarztbehandlung kann die Mehrheit der GKV-Versicherten verzichten
Der Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung soll ab dem kommenden Jahr einfacher werden. Doch die Angst vor zu hohen Beiträgen hält viele Kassenmitglieder von einem Umstieg ab.
Veröffentlicht:Von den gesetzlich Versicherten würde ein Drittel in die PKV wechseln, wenn man sie ließe. Für zwei Drittel ist ein solcher Schritt dagegen keine Option. Bei den Wechselwilligen stehen als Gründe vor allem die besseren Leistungen, die Teilhabe am medizinischen Fortschritt sowie die Flexibilität und Individualität der PKV im Vordergrund.
Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Infratest im Auftrag der Continentale Krankenversicherung. Befragt hat das Unternehmen 1130 GKV- und 177 PKV-Versicherte ab 25 Jahren.
Während von den gesetzlich Versicherten bei freier Wahlmöglichkeit insgesamt 32 Prozent bestimmt oder wahrscheinlich in die PKV gehen würden, sind es bei den 25- bis 39-Jährigen 48 Prozent.
Die Kosten sprechen aus Sicht vieler Kassenmitglieder gegen das private System. Jeweils 74 Prozent halten die PKV für zu teuer oder haben Angst, im Alter die Beiträge nicht bezahlen zu können. 42 Prozent führen an, dass die PKV unsolidarisch ist, 39 Prozent halten sie für unsicher.
In der Gegenüberstellung von PKV und GKV schneiden die Privaten in den Augen vieler Versicherter gut ab. 73 Prozent halten den Leistungsumfang der PKV für größer, 51 Prozent das Preis-/Leistungsverhältnis für besser und 67 Prozent die PKV für transparenter.
73 Prozent der Umfrageteilnehmer gehen davon aus, dass die PKV dauerhaft eine gute medizinische Versorgung sichert, von der GKV erwarten das nur 45 Prozent. Allerdings glauben nur 40 Prozent, dass die Privatversicherer dauerhaft bezahlbare Preise sichern, von den gesetzlichen Krankenkassen nehmen das immerhin 56 Prozent an.
"Der PKV ist es in der Vergangenheit zwar gelungen, ihre Leistungsstärke deutlich zu machen. Leider konnte sie die Bevölkerung nicht mehrheitlich von ihrem risikoäquivalenten Kapitaldeckungsverfahren überzeugen", sagte Continentale-Vorstandschef Rolf Bauer.
Davon abgesehen könne man in der Tat davon ausgehen, dass die GKV-Beiträge immer bezahlbar bleiben. "Die Frage ist nur, welche Leistungen es dann noch für diese Beiträge gibt und wie hoch der Steuerzuschuss ist", sagte Bauer.
TNS Infratest hatte die Versicherten auch danach gefragt, auf welche PKV-Leistungen sie am ehesten verzichten würden. Danach halten 56 Prozent die Chefarztbehandlung für verzichtbar, 54 Prozent die Gesundheitsvorsorge, 53 Prozent die Unterbringung im Zwei-Bett-Zimmer im Krankenhaus und 53 Prozent Leistungen der Naturheilkunde.
Von denen, die privat versichert sind, könnten sogar 60 Prozent auf die Chefarztbehandlung verzichten und 63 Prozent auf die Prävention. Genau die Hälfte würden die kürzeren Wartezeiten für Privatpatienten zur Disposition stellen, 49 Prozent die Unterstützung bei der Arztsuche.
Den höchsten Stellenwert räumen die Befragten der Versorgung mit Zahnersatz ein: Ihn halten nur 28 Prozent für verzichtbar. Wichtig seien auch Hilfsmittel (35 Prozent), Heilmittel (38 Prozent) und die Absicherung im Ausland (44 Prozent).
In einer weiteren repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag der Allianz Deutschland befürchten 77 Prozent der GKV-Versicherten, dass die Krankenkassen nach und nach Leistungen streichen werden. 88 Prozent glauben, dass Patienten mehr Zuzahlungen werden leisten müssen. Dennoch haben nur 19 Prozent eine private Zusatzversicherung abgeschlossen. Von denen, die es noch nicht getan haben, planen neun Prozent einen Abschluss.
69 Prozent der Befragten wären bereit, für eine Zusatzversicherung Geld auszugeben. Die Obergrenze liegt für die meisten bei 50 Euro im Monat. Die Kosten sind also nicht der Grund für die Zurückhaltung bei Zusatzversicherungen, sagt Christian Molt, Vorstand der Allianz Private Krankenversicherung.
"Zusätzlich zur Verdrängung des Themas ist vielen Menschen nicht klar, welche Summen eine Versicherung im Ernstfall auffangen kann, die sonst die Betroffenen selbst tragen müssen", sagt Molt.
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