Marktanalyse

Finanzinvestoren lockt das Geschäft mit der Pflege

Beteiligungsfirmen meist aus den USA oder Großbritannien mischen im großen Stil in der deutschen Gesundheitsbranche mit. Besonders im Fokus stehen Pflegeheime. Gewerkschaften kritisieren, dass aus der Versorgung von Alten ein Geschäft wird.

Von Alexander Sturm Veröffentlicht:
Pflege kostet. Bringt aber auch was ein, wie das wachsende Engagement privater Investoren in Sachen Heimbetreiberschaft zeigt.

Pflege kostet. Bringt aber auch was ein, wie das wachsende Engagement privater Investoren in Sachen Heimbetreiberschaft zeigt.

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FRANKFURT/MAIN. Internationale Finanzinvestoren übernehmen immer mehr deutsche Gesundheitsfirmen. Sowohl Pharmafirmen als auch Pflegeheimbetreiber sind Ziel von Beteiligungsfirmen, die Betriebe übernehmen, um sie oft nach einigen Jahren mit Gewinn wieder zu veräußern.

So investierten Finanzinvestoren 2017 in Europa 12,8 Milliarden US-Dollar (10,9 Milliarden Euro) in die Branche – drei Mal so viel wie im Jahr zuvor. Der Großteil entfällt auf deutsche Firmen.

Das zeigt eine neue Studie der Beratungsgesellschaft Bain & Company. Das Engagement der Investoren alarmiert Gewerkschaften. Sie fürchten zunehmenden Renditedruck.

Begehrte Heime

Laut Bain zählten zwei Deals in der hiesigen Gesundheitsbranche 2017 zu den größten, die weltweit von Private-Equity-Fonds getätigt wurden: Die Finanzinvestoren Bain und Cinven zahlten für die Mehrheit am Arzneihersteller Stada vier Milliarden Dollar, und Nordic Capital übernahm den Pflegeheimbetreiber Alloheim Senioren-Residenzen für 1,3 Milliarden Dollar.

Zudem stieg Oaktree aus Los Angeles bei dem Pflegeheimbetreiber Vitanas ein und Chequers Capital aus Paris bei dem Pflegeheimbetreiber MK-Kliniken.

Die relativ konjunkturunabhängige Gesundheitsbranche sei für Investoren attraktiv, erklärt Studienautor Franz-Robert Klingan. Die Gesellschaft altere, immer mehr Menschen bräuchten Arzneimittel und Pflege. "Deutschland spielt in den Überlegungen der Private-Equity-Fonds eine wichtige Rolle, zumal das Durchschnittsalter mit 45,8 Jahren höher ist als in allen anderen EU-Staaten."

Besonders Alten- und Pflegeheime sind bei Beteiligungsfirmen begehrt. Neben den Engagements bei Alloheim, Vitanas und Marseille-Kliniken engagierten sie sich 2017 unter anderem bei Bayernstift und der schwäbischen Compassio.

"Bettenrekord"

Die Beratungsfirma Terranus verzeichnet ferner einen "Bettenrekord": Investoren übernahmen hierzulande mehr als 40.000 Pflegebetten, "fast doppelt so viele wie im bisherigen Rekordjahr 2015".

"Private Betreiber profitierten davon, dass es im bisher zersplitterten Markt einen Bedarf nach Zusammenschlüssen gibt", sagt Terranus-Geschäftsführer Hermann Josef Thiel.

So sei der größte Pflegeheimbetreiber hierzulande die französische Kette Korian, die durch Übernahmen stark gewachsen sei und nun 28.000 Betten zähle. Beteiligungsfirmen würden meist Kosten senken, indem sie Einkauf, Verpflegung und Reinigung zentralisierten.

Sie zielten auf eine gewisse Größe und möglichst hohe Auslastung der Heime. "Unter 70 Pflegeplätzen ist in der Regel die Rentabilität eingeschränkt", so Thiel.

Bei Verdi sieht man den Trend mit Sorge. 2017 zählte die Gewerkschaft 43 Investoren-Käufe in der Gesundheitsbranche, vor allem in der Pflege. Binnen zehn Jahren hätten sich die Engagements mehr als vervierfacht.

Jährlich würden in Deutschland 23 Milliarden Euro für stationäre und weitere elf Milliarden für ambulante Pflege ausgegeben. "Einen wachsenden Teil des Kuchens schneiden sich private Unternehmen ab."

Kritik bleibt unbeantwortet

Die Gewerkschaft klagt über teils rabiate Methoden der neuen Pflegeheimbetreiber. Manche Beteiligungsfirmen würden Tarifverträge aufweichen sowie hohen Renditedruck ausüben.

"Dabei muss es in der Pflege doch um Menschen und um Würde gehen, nicht um Profitmaximierung", kritisiert Verdi-Bundesvorstand Sylvia Bühler. Schon heute gebe es in Pflegeheimen zu wenig Personal.

Die Investoren halten sich angesichts der Kritik bedeckt. Der Berliner Betreiber Vitanas etwa, hinter dem der Investor Oaktree steht, wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienst (bpa) gab keine Stellungnahme ab.

Den Weg für private Investoren ebnete die Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung 1995: Kommen alte Menschen ins Heim, müssen sie oder ihre Angehörigen die Kosten teils selbst zahlen, den Rest übernimmt die gesetzliche Pflegeversicherung – was Investoren relativ sichere Einnahmen bringt. Pauschale Vorwürfe, Investoren betrieben Lohndumping, sind laut Terranus-Geschäftsführer Thiel aber unangebracht.

Schon jetzt fänden die Heime nur schwer Fachkräfte, da die Arbeitsbedingungen im Vergleich zu anderen Branchen schwierig seien. Lohndrückerei helfe da nicht weiter.

Thiel glaubt, dass sich der rasante Einstieg von Investoren in deutsche Pflegeheime nun eher abschwächt. Und die Mehrheit sei immer noch in kirchlicher oder kommunaler Hand. Thiel: "Die Beteiligungsfirmen müssen die Übernahmen erst einmal verdauen." (dpa)

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