Hochsicherheitstrakt für die E-Card
Von der Programmierung bis zum Versand - die Produktion der elektronischen Gesundheitskarte ist ein hoch technischer Vorgang. Eine Reise in den Hochsicherheitstrakt.
Veröffentlicht:FILDERSTADT. Ein unauffälliges, weißes Gebäude am Rande von Filderstadt, am Stuttgarter Flughafen. Hier bei der Firma Gemalto wird die viel diskutierte elektronische Gesundheitskarte hergestellt.
Das niederländische Unternehmen gleicht jedoch beim Näherkommen einem Hochsicherheitstrakt.
Wer in die Produktionshalle gelangen möchte, der muss erst einmal an einer Reihe von Sicherheitsmaßnahmen und Personenkontrollen vorbei kommen - Sicherheit scheint hier ein allgegenwärtiges Thema zu sein.
Wie in einem Lebensmittel- oder Chemieunternehmen müssen Mitarbeiter und Gäste, die die Produktionsstätte betreten, einen Kittel überziehen und Mobiltelefon und Geldbörse abgeben.
Denn hier werden nicht nur sensible Kundendaten verarbeitet, sondern auch einsatzbereite Kredit- und EC-Karten hergestellt. Daher wird penibel darauf geachtet, dass keine Bankkarte verloren geht.
Versichertendaten werden verschlüsselt übermittelt
Sollte am Ende des Tages eine Karte fehlen, stehen alle Maschinen still, und die Halle wird auf den Kopf gestellt, bis die Karte gefunden ist.
Gemalto
Branche: Informationstechnik
Hauptsitz: Amsterdam (Niederlande)
Geschäftszahlen 2011: Umsatz: 2 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 10.000 in 43 Ländern, 18 Produktionsstätten weltweit
"Meist ist nur eine Karte in einer der Maschinen verloren gegangen. Das passiert aber glücklicherweise höchst selten", sagt Andreas Lösch, Vice President Central Europe bei Gemalto.
Die hell beleuchtete Produktionshalle wirkt auch eher nüchtern. Hier stehen mehrere längliche Maschinen, in denen die verschiedenen Karten, von Kredit- über Gesundheits- bis hin zu Handykarten, gefertigt werden. "Die Produktion läuft Tag und Nacht", erklärt Lösch.
Wie am Fließband wird der Gesundheitskarte hier ihre Identität verliehen: Die Maschine zieht den Rohling ein, programmiert auf den Chip die elektronischen Daten, bringt das Bild des Versicherten auf, stanzt Name und Versichertennummer ein und schon ist die Karte fertig.
Das dauert nicht einmal eine Minute, die Kosten liegen pro Karte im einstelligen Eurobereich. "Die Kosten variieren natürlich von Karte zu Karte", sagt Lösch.
So können Banken zum Beispiel personalisierte Karten in Auftrag geben, etwa mit einem Familien- oder Urlaubsfoto ihres Kunden drauf, "das ist dann natürlich deutlich teurer", so Lösch.
Auch beim Thema Versichertendaten wird Sicherheit groß geschrieben. Die Daten der Versicherten werden verschlüsselt an Gemalto übermittelt und ebenfalls verschlüsselt auf dem Chip gespeichert.
Erst wenn die Daten auf der Karte sind, können sie, etwa von einem Arzt, ausgelesen werden. Die Software, um die Karte mit Daten zu bespielen, wurde von Gemalto entwickelt und ist von der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) zugelassen. "Vorher dürfen die Karten nicht produziert werden", erklärt Lösch.
100.000 Karten kommen täglich aus der Produktion
Gemalto stellt nicht nur die Karte her, sondern sorgt gleichzeitig auch dafür, dass sie bei dem Versicherten ankommt. Ein industrieller Drucker erstellt die Briefe an die Versicherten auf Endlospapier.
An einer weiteren Maschine werden Brief und Karte zusammengeführt. Ein Scanner überwacht das Verfahren. Stimmen Brief und Karte überein, wird die Karte auf den Brief geklebt, der Brief versandfertig gemacht und geht per Post an den Versicherten.
An jeder Maschine stehen Mitarbeiter und überwachen den Vorgang. Insgesamt arbeiten in Filderstadt 115 Personen aus 15 verschiedenen Ländern.
Um Fehler am Ende der Produktion zu vermeiden, wird zusätzlich das Gewicht eines jeden Briefs auf Abweichungen hin überprüft, bevor er an den Versicherten verschickt wird. Etwa 100.000 Karten verlassen auf diesem Weg jeden Tag die Produktionshalle von Gemalto.
In diesem Jahr werden in Filderstadt 15 Millionen Gesundheitskarten der AOK hergestellt und an Versicherte verschickt. "Dafür gab es natürlich am Anfang, wie bei allen großen Projekten, eine Ausschreibung", berichtet Thomas Schneider, stellvertretender Geschäftsführer bei der AOK Neckar-Fils.
"Für uns war natürlich die Sicherheit, die Qualität, die Kosten und die Erfahrung des Unternehmens wichtig", sagt Schneider, "und auch, dass die Produktionsstätte in Deutschland liegt und nicht irgendwo in Indien."
Vorerst kann die neue Karte nicht mehr als die alte. Das soll sich aber in Zukunft ändern, hofft Schneider, dann sollen auch das elektronische Rezept oder Notfalldaten gespeichert werden.
Dass es immer wieder zu Verzögerungen bei der Gesundheitskarte kam, hat Gemalto wenig gestört. Lösch: "Bei solchen großen Projekten sind zeitliche Verzögerungen von ein paar Jahren mit eingeplant."
Schließlich habe das international agierende Unternehmen schon viel Erfahrung im Gesundheitsbereich und mit Behörden, zum Beispiel bei Ausweisen, gesammelt.