Ärztetag beschließt: E-Card ist gescheitert

Was ein schöner Ärztetag: Da können schon mal Dinge fern ab der Realität beschlossen werden. So ist es am Freitag der E-Card ergangen. "Sie ist gescheitert", wurde kurzerhand entschieden.

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So viele Gesundheitskarten: für die Delegierten des Ärztetags sind sie alle gescheitert.

So viele Gesundheitskarten: für die Delegierten des Ärztetags sind sie alle gescheitert.

© dpa

NÜRNBERG (HL). Nach heftiger Auseinandersetzung unter den Delegierten hat der Ärztetag entschieden: Die elektronische Gesundheitskarte ist gescheitert.

Mehrfache Versuche eines Neustarts zögen sich seit sechs Jahren hin, hätten Milliarden Euro verschlungen und verdienten keine weiteren Wiederholungen.

Die Beschlüsse

Die beschlossene Anträge werden in Kürze dokumentiert und www.baek.de. Allerdings kann sich die Veröffentlichung noch verzögern, da es beim Zentralserver der BÄK in Berlin heute einen Brand gegeben haben soll.

"Der gigantomanische Anspruch, durch eine flächendeckende Elektronifizierung der Patientenversorgung unter Führung der Krankenkassen sowohl transparente Patienten wie auch transparente Ärzte herzustellen, widerspricht elementaren ärztlichen Grundwerten", heißt es in einer Entschließung des am Freitag zu Ende gegangenen Ärztetages.

Grundsätzlich wird jede Form der Sammlung medizinischer Daten einer großen Zahl von Menschen in zentralen Serverstrukturen abgelehnt.

Dies diene nur der Kontrollfähigkeit medizinischer Prozesse im Sinne einer möglichst renditebringenden Krankenbehandlung im Interesse von Gesundheitskonzernen.

Dieser Beschluss bringt den Vorstand der Bundesärztekammer, die an der Betreibergesellschaft gematik und ihrer Arbeit beteiligt ist, in eine schwierige Position. Sie müsste eigentlich nach einem solchen Beschluss ihre Mitarbeit dort einstellen.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery, sagte zum Abschluss des Ärztetages, der Beschluss der Fundamentalisten gegen die E-Karten-Lösung erschwere die Arbeit der Bundesärztekammer.

Versuche von Teilen des Vorstandes unter der Federführung des für die E-Card zuständigen Vorstandsmitglieds Dr. Franz-Joseph Bartmann, einen konstruktiven Beschluss zu erwirken, scheiterten.

Bartmann hatte darauf hingewiesen, dass bei der Neuentwicklung des Konzepts die eingeforderten ärztlichen Belange berücksichtigt worden seien. Die Bildung von Patienten- und Arztprofilen sei ausgeschlossen.

Weder bei Notfalldaten noch bei der elektronischen Patientenakte gebe es eine verpflichtende Speicherung medizinischer Daten in der Telematikinfrastruktur. Notfalldaten werden dezentrale auf der Karte des Patienten abgelegt.

Dezentrale Speichermedien würden fester Bestandteil der Telematikinfrastruktur. Keine Arztpraxis könne gezwungen werden, mit ihrem Datensystem online zu gehen. Ein ärztlicher Beirat sei mitentscheidend bei der Entwicklung und Testung der Anwendung.

Weitere Beschlüsse: Tabakentwöhnung ist ärztliche Aufgabe

Der Ärztetag wertet Tabaksucht als eine Krankheit. Die Tabakentwöhnung müsse daher eine ärztliche Aufgabe sein. Aus diesem Grund fordert der Ärztetag eine Intensivierung der Bemühungen zur Tabakentwöhnung.

Auch der Einsatz von Nikotinersatzprodukten und Medikamenten sei wirksam. Erst jüngst hatte das Bundsgesundheitsministerium einen Beschluss des GBA zum Einsatz von Medikamenten als Leistungspflicht der GKV zur Tabakentwöhnung beanstandet.

Kliniken besser finanzieren!

Der Ärzetag fordert eine ausreichende Finanzierung der Krankenhäuser durch ein sachgerechtes Verhütungssystem ihrer Leistungen und eine ausreichende Investitionsfinanzierung.

Jedes zweite Krankenhaus schreibe 2011 rote Zahlen, darunter überdurchschnittlich viele Kliniken unter 2500 Betten, die in ländlichen Regionen die Versorgung sicherstellen.

Das zwinge die Kliniken zu einem ruinösen Wettbewerb zu Lasten ihrer Mitarbeiter mit teils eklatanten Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz. Die Folge könnten auch Behandlungsfehler sein.

Keine Abwerbung ausländischer Ärzte!

Der Ärztetag lehnt gezielte Abwerbeprogramme für ausländische Ärzte zur Deckung des Ärztemangels in Deutschland ab.

Damit werde die Versorgung in den Heimatländern verschlechtert. Die Tätigkeit kommerzieller Vermittlungsunternehmen müsse unterbunden werden.

Substitutionstherapie verbessern!

Der Ärztetag fordert eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für Ärzte, die Substitutionstherapie für Drogenabhängige anbieten.

Notwendig seien gesetzliche Änderungen: Eine Revision der Strafandrohung nach dem Betäubungsmittelgesetz für die Überlassung eines Betäubungsmittels in der palliativmedizinischen Versorgung und der substitutionsgestützten Therapie Opiatabhängiger; die Aufgabe des Abstinenzparadigmas der BtMVV, das nicht mehr der aktuellen medizinischen Evidenz entspricht.

Die Vergütungsmodalitäten für die Substitutionstherapie seien nicht mehr zeitgemäß. Außerdem müsse die Versorgung am Wochenende und in ländlichen Regionen sichergestellt werden.

Gegen Arznei-Rabattverträge

Der Ärztetag hält die Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern für ein untaugliches Steuerungsinstrument.

Die Ausdehnung der Vertraulichkeit des Inhalts der Rabattverträge auch Arzneimittel auszudehnen, die die Nutzenbewertung durchlaufen haben, bewertet der Ärztetag als "Irrsinn".

Zum fünften Mal abgelehnt: Kostenerstattung

Zum fünften Mal in Folge haben gleichlautende oder ähnliche Anträge, Kostenerstattung als "gleichwertige dritte Säule oder feste Größe im GKV-Finanzierungssystem fest zu etablieren", vom Ärztetag eine Abfuhr erhalten.

Ein entsprechender Antrag von Martin Graudszus (Freie Ärzteschaft) und weiteren Delegierten der Kammern Nordrhein und Westfalen wurde vom Ärztetag mehrheitlich abgelehnt.

Die Antragsteller begründeten ihre Forderung nach Kostenerstattung mit dem Argument, sie ermögliche dem Arzt, eine betriebswirtschaftliche Praxisführung und Kalkulation. So könne er moderne Medizin ausüben. Dem Patienten verschaffe Kostenerstattung Transparenz.

Haftung für Brustimplantate

Für Schäden durch CE-zertifizierte und trotzdem schadhafte Implantate sol allein der Hersteller verantwortlich gemacht werden. Im Fall der nicht geeigneten Brustimplantate der Firma PIP müssten Krankenkassen die Kosten der Explantation übernehmen.

Die Leistungsbeschränkung nach Paragraf 52 Absatz 2 SGB V als Folge ästhetischer Operationen gelte hier nicht, weil die Komplikation auf die Fehlerhaftigkeit des Implantats zurückgeht. Nicht der Patient dürfe der Leidtragende dieser Umstände sein.

Ferner fordert der Ärztetag ein verpflichtendes Gesamtregister für im Körper verbleibende Implantate (Risikoklasse III).

Ärztliche Heimversorgung adäquat vergüten

Der Ärztetag fordert den Gesetzgeber auf, im Rahmen des Pflegeneuausrichtungs-Gesetzes auch eine Verpflichtung der Krankenkassen in Paragraf 87 Absatz 2 SGB V - hier sind die Vergütungsregelungen der Vertragsärzte kodifiziert - aufzunehmen, um eine Rechtsgrundlage für die Zuschläge zur Förderung der koordinierten kooperativen ärztlichen und pflegerischen Versorgung in Pflegeheimen zu schaffen.

Zu den Versorgungszielen der Pflegereform gehören multiprofessionelle Zusammenarbeit in Form von Fallbesprechungen und Visiten, ärztliche Rufbereitschaft auch nach 22 Uhr und an Wochenenden und Feiertagen. Der dadurch entstehende Mehraufwand müsse den Ärzten vergütet werden.

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